Matthias Prey Silber-Mehrkämpfer in Marrakesch
Europas Leichtathletik-Talente lernen bei den U18-Weltmeisterschaften in Marrakesch das Fürchten vor der Jugend aus den anderen Erdteilen. Zu den erschreckend wenigen Begabungen aus "der alten Welt", die den Sportlern aus den anderen Kontinenten die Stirn zeigten, gehörten an den beiden ersten Tagen auch drei Deutsche.

Matthias Prey brachte am Donnerstag Silber unter Dach und Fach (Foto: Möldner)
Matthias Prey aus Bad Bramstedt (Silber mit 6.282 Punkten) und der erst 1989 geborene Frankfurter Jan Felix Knobel (Fünfter mit 6.169 Punkten) waren die besten Europäer im Achtkampf. Und im 800-Meter-Lauf steht der mit Herz und Verstand laufende Leverkusener Robin Schembera als einziger Europäer im Finale am Freitag. Am schlimmsten sah es für den europäischen Nachwuchs in den 3.000-Meter-Vorläufen der Jungen aus, da ein Spanier als der "Beste" von ihnen gerade mal den 25. Platz ergatterte. Und im Diskuswurf der Mädchen warf die australische Siegerin Dani Samuels (54,09 m) rund siebeneinhalb Meter weiter als die Beste aus Europa. Matthias Prey, der in Neumünster in die elfte Klasse eines Gymnasiums geht, kam vor nicht allzu langer Zeit vom Speerwurf zum Mehrkampf. Er hat den Wechsel nicht bereut. "Olympiateilnahme im Zehnkampf", so lautet sein sportliches Ziel. Kurios war, dass das ungeschliffene Talent aus dem alten Zehnkämpfer-Land Schleswig-Holstein ausgerechnet in seiner ehemaligen Spezialübung (nur 58,09 m) das Duell um Gold gegen den mit einer neuen Jugend-Weltbestleistung aufwartenden Kubaner Yordani Garcia (6.482 Punkte) verlor, da der junge Mann aus der Karibik mit 65,76 Metern glänzte.
Trotz Verspätung ausgeschlafen
Gemeinsam mit Jan Felix Knobel hatte der "Jugend-Europameister" am Donnerstagmorgen den auf 5:30 Uhr gestellten Wecker überhört. Eine Stunde später als vorgesehen wachten sie auf. Dennoch wirkten sie in der glühenden marokkanischen Hitze "ausgeschlafen". Jan Felix Knobel, der in Frankfurt von Jörg Graf trainiert wird, wie früher in Leipzig zum Beispiel Siebenkampf-Weltrekordlerin Sabine Paetz, strahlte nach der Hitzeschlacht: "Platz fünf, genau das habe ich mir vorgenommen". Beide blicken voller Zuversicht auf den Zehnkampf: "Da kommen noch zwei für uns günstige Wettbewerbe hinzu."
Sturzpech an der neunten Hürde nach einem Fehler an der achten Hürde ließ Quentin Seigel nach der besten Reaktionszeit im 110-Meter-Hürden-Finale (0,143 Sekunden) nur nach 42,32 Sekunden als weit abgeschlagenen Siebten ins Ziel des vom US-Amerikaner Cordea Jenkins (13,35 Sekunden) gewonnenen Endlaufes kommen. Sein Vater, der auch sein Trainer ist, sah das Malheur mit den Augen des früheren Hürdenläufers so: "Er wurde immer schneller. Das trieb ihn zu nahe an die achte Hürde, der Sturz eine Hürde später war die Folge. Quentin muss noch lernen, mit einer solchen Situation fertig zu werden. Aber wir geben nicht auf, wir arbeiten weiter." Das ist wichtig, schließlich ist der gute Nachwuchs in Europa dünner gesät als früher.
Bester Europäer
"Ich wollte unbedingt der beste Europäer sein", verriet Robin Schembera seine Devise für die 800-Meter-Läufer im erneut gut besuchten Leichtathletik-Stadion der alten marokkanischen Königsstadt Marrakech. Er sorgte nach dem schnellen Beginn (200 m in 26,22 Sekunden) stets für eine gute Position, da er wusste: "Hier können viele Gegner ganz gut spurten." Seine Mutter, die unter dem Mädchennamen Antje Schröder 1983 im 800-Meter-Endlauf der ersten WM stand, hätte sicherlich ihre Freude an diesem couragierten Platz und der sicheren Qualifikation für das Finale gehabt. "Sie kommt eigentlich nie zu meinen Rennen. Wenn sie allerdings mal da war, dann bin ich meist schlecht gelaufen."
Das Pech von Sebastian Keiner, dem derzeit wohl größten Talent aus der Erfurter Mittelstreckenschule, war der erfolgreiche Protest der südafrikanischen Mannschaft gegen die Disqualifikation ihres Läufers Jan Masenmala im Vorlauf. Eben jener Läufer war es, der den zwischen 400 und 700 Meter zu vorsichtig taktierenden Thüringer (1:51,96 min) um vier Hundertstelsekunden aus dem Finale warf.
Sichere Springer
Was sich schon beim Einwerfen andeutete, bestätigte sich im Diskuswurf der Mädchen. Die Dortmunderin Anna-Katharina Weller kam über eine auch für sie selbst sehr enttäuschende Weite (39,77 m und Platz elf) nicht hinaus. Zuerst der in diesem Jahr stark verbesserte Dresdner Hochspringer Raul Spank, der einen Tag vorher sein 17. Lebensjahr vollendet hatte, mit fehlerlosem Springen bis 2,04 Meter, dann im anderen Sektor des Stadions das Stabhochspringerinnen-Duo Lisa Ryzih und Christina Michel (beide 3,90 m) überstanden die Qualifikation erstaunlich sicher. Doch Auskunft über das Abschneiden in den Finals gab es noch nicht.
Chinas erstem Erfolg in Marrakech, den Li Sha mit 13,81 Metern im Dreisprung erkämpfte, hätten die marrokkanischen Zuschauer lieber der wie eine Schwester von Carolina Klüft ausschauenden Blondine Kaire Leibak (Estland; 13,74 m) gegönnt. Die schnellste Jugendsprinterin kommt aus dem Staat Mississipi: Bianca Knight gewann 100 Meter in 11,38 Sekunden. Sie hat das Zeug zur Doppelsiegerin. Zu den erstaunlichen Vorstellungen in Marrakech gehört die doppelte Favoritenstellung von Talenten aus dem von einem langen Bürgerkrieg gebeutelten Land wie es Sudan ist. Zuerst Nawal El Jack (51,83 sec) bei den Mädchen und dann ein Junge mit dem eigentümlichen Namen Adam Mohammed Al-Nour (46,84 sec) waren die Schnellsten in den 400-Meter-Halbfinals. Doch das waren gewiss nicht die letzten Überraschungen vom Nachwuchs aus von Sorgen geplagten oder kleinen Ländern.