Maurice Greene – schnelle Beine und flotte Sprüche
Klappern gehört zu seinem Handwerk. Maurice Greene, der Vollblut-Sprinter, ist kein Freund der leisen Töne. Ihn reden zu hören erweckt bisweilen den Eindruck, als wolle ein Marktschreier seine Kundschaft bei Laune halten. "In Portland will ich schnell laufen, verdammt schnell", haute der Maestro verbal auf die Pauke, "dieses Sportfest ist sehr wichtig."
Maurice Greene will es wieder wissen (Foto: Chai)
An Selbstbewusstsein und dem nötigen Gottvertrauen fehlt es ihm nicht: "Ich glaube an meine Fähigkeiten", tönte er vollmundig, "und mit Gottes Hilfe ist alles machbar."Typisch Maurice Greene! Er redet gern länger als er läuft. "Ich bin gut in Form", verkündete der 28-jährige US-Boy, der Ende April beim Grand Prix II-Meeting in Fort-de-France flotte 20,31 Sekunden über 200 Meter vorgelegt hat, "und ich weiß, was ich drauf habe."
Wie einst Cassius Clay, der unvergessene Box-Champ vergangener Tage, trommelte er mit flotten Sprüchen und machte kräftig Werbung für seinen heutigen Auftritt beim Meeting in Portland, der größten Stadt im Bundesstaat Oregon. Sein Credo: "Ich will den Leuten was bieten, an das sie noch lange zurückdenken werden", so Greene, "ich möchte stets eine große Show abliefern, damit sich alle an mich erinnern werden, wenn sie mich laufen sehen."
"Kansas Cannonball" als Entertainer
Der Mann könnte auch als hoch bezahlter Entertainer im Fernsehen Karriere machen. "Kansas Cannonball" rufen sie ihn, die Kanonenkugel aus Kansas. Olympiasieger ist er. Und dreimaliger Weltmeister, noch dazu in Serie, was vor ihm nur "Carl, dem Großen", Lewis mit Nachnamen, gelungen ist.
Im Stade de France von Paris peilt er seinen vierten Titel an und macht seine Späßchen über Landsmann Tim Montgomery, den Weltrekordler über 100 Meter, der beim IAAF Grand Prix-Finale 2002 in Paris mit 9,78 Sekunden eine Hundertstel schneller war als Greene anno 1997. "Den Weltrekord hol ich mir zurück, denn der gehört mir." Psychologische Nadelstiche, mit denen er den lästigen Konkurrenten irritieren will.
Aber Maurice Greene, der in der Seine-Metropole auch über 200 Meter starten möchte, plant über die WM hinaus. "In Athen 2004", hat er schon prophezeit, "werde ich meinen Titel verteidigen." Dann ist er gerade 30, kein Alter, in dem man die Spikes in die Ecke pfeffert. "Als ich in Sydney die 100 Meter gewonnen habe, war das ein Gefühl, wie ich es nie zuvor gespürt habe." Unglaublich und schwer in Worte zu fassen. "Mein ganzes Leben lang habe ich dafür geschuftet, und als ich die Ziellinie überquert habe, war das für mich das Größte."
Auf der Straße gelernt
Ein "Street Fighting Man" war er, einer, der auf der Straße das Kämpfen gelernt hat, um zu überleben. Maurice Greene ist Zeit seines Lebens nichts geschenkt worden. In einem Fast-Food-Restaurant hat er für eine Handvoll Dollar das Geschirr gespült, hat dann Lastwagen beladen und Greyhounds, jene dürren Windhunde, die pfeilschnell auf den Beinen sind, für ihre Rennen warm gelaufen. "Was hatte ich für beschissene Jobs", schaute er mit Schaudern zurück, "aber jetzt habe ich einen Guten." Und einen Lukrativen obendrein.
Ja, ja, jetzt zählt er zu den Top-Verdienern der Branche. Maurice Greene diktiert den Preis. Und überspannt bisweilen den Bogen bei seinen Honorarforderungen. Egal, ihn kratzt das herzlich wenig. "Ich bin nun mal der Beste", sagte er in seiner ihm eigenen Bescheidenheit und drohte den anderen Sprintern bereits einen heißen Sommer an, "in der vergangenen Saison war ich nicht gut in Schuss, doch jetzt bin ich wieder heiß."
John Smith, früher ein hervorragender Viertelmeiler, heute ein erfolgreicher Coach, der zuvor bereits Marie-José Pérec, Kevin Young und Quincy Watts zu Olympiasiegern formte, hat ihn fit getrimmt in den vergangenen Wochen und Monaten. Im September 1996 begann ihre medaillenträchtige Zusammenarbeit, als Greene vom staubigen Kansas City ins glamouröse Los Angeles umzog. "Mein Training ist ausgezeichnet verlaufen. John Smith hat mich auf neue Gipfel geführt", erklärte er in seiner blumigen Sprache, "wir verfolgen ein gemeinsames Ziel, und ich weiß, dass ich ein starkes Jahr haben werde."
Das beste Pferd im Stall
Natürlich will der 100-Meter-Champion den Weltrekord aufs Korn nehmen. Den hielt er selber lange Zeit mit 9,79 Sekunden, aufgestellt im Juni 1999 in Athen, bis ihn Tim Montgomery, der mit Marion Jones liiert ist, im September in Paris ablöste. John Smith, der Stein und Bein schwört, dass sein Camp in Kalifornien eine dopingfreie Zone sei, hält Zeiten sogar unter 9,60 für durchaus realistisch. Maurice Greene, sein bestes "Pferd" im Rennstall, lächelte milde ob der forschen Aussage, doch wollte er seinem Mentor nicht widersprechen.
Welcher Meeting-Direktor auch immer den Muskel bepackten Modellathleten künftig verpflichtet, sollte seine Rekordprämie schon im Vorfeld gut versichern lassen. Damit er nicht hinterher über ein riesengroßes Loch im Etat bittere Klagelieder anstimmen muss. Denn bei einem wie Maurice Greene ist nichts unmöglich.