Meb Keflezighi - Familienmensch und Laufheld
Geboren in Asmara, der Hauptstadt Eritreas, flüchtete Meb Keflezighi zusammen mit seinen Eltern und zehn Geschwistern im Alter von elf Jahren nach Italien. Ein Jahr später landete er in San Diego (USA), wurde 1998 US-Bürger und entwickelte sich zu einem der besten Langstreckenläufer des Landes. Der Höhepunkt folgte vor 14 Tagen: Meb Keflezighi gewann die 40. Auflage des New York-Marathons (USA).
Um 11:49 Uhr Ortszeit bog Meb Keflezighi am 1. November als Erster auf die Zielgerade ein. Mit Tränen in den Augen überquerte der 34-Jährige nach 2:09:15 Stunden als Sieger des New York-Marathons die Ziellinie, küsste den Boden, bekreuzigte sich und ließ sich mit der US-Fahne um die schmalen Schultern gewickelt von dem begeisterten Publikum im Central Park feiern. Er hatte es geschafft. Im fünften Anlauf hatte er endlich den New York-Marathon gewonnen. Zweimal stand er bereits auf dem Podium, nie aber ganz oben. 2004 wurde er Zweiter (2:09:53 h), 2005 Dritter (2:09:56 h)."Ein Traum ist für mich wahr geworden", sagte Meb Keflezighi. Der Sieg hatte historische Bedeutung. Meb Keflezighi war der erste US-Sieger im "Big Apple" seit dem Triumph von Alberto Salazar im Jahr 1982. Entsprechend groß war das Medieninteresse nach dem Rennen. Noch am selben Abend hatte der 34-Jährige TV-Auftritte in der bekannten Late-Night Show von David Letterman, der Today-Show und auf CNN. Für einen Läufer in einem Land, in dem die Sportarten Basketball, American Football, Eishockey und Baseball dominieren, eine Rarität. "Der Sieg ist eine tolle Sache für mich, meine Familie und die USA", sagte Meb Keflezighi.
Entscheidung fällt vier Kilometer vor dem Ziel
Die Favoritenliste beim 40. New York-Marathon war lang. Meb Keflezighi hatten aber wohl nur die wenigsten Experten auf ihrem Zettel. Bei der Halbmarathonmarke (65:11 min) umfasste die Spitzengruppe noch 13 Athleten. Auf der zweiten Hälfte wurde das Tempo dann erhöht. Läufer um Läufer fiel zurück. Fünf Kilometer vor dem Ziel waren nur noch der viermalige Boston-Sieger Robert Cheruiyot (Kenia) und Meb Keflezighi übrig.
Knapp vier Kilometer vor dem Ziel setzte Meb Keflezighi an jener Stelle, an der 2007 sein Freund und Trainingskollege Ryan Shay (USA) nach einem Herzversagen verstarb, die entscheidende Attacke, löste sich schnell und lief fortan als Solist in Richtung Ziel. Nach 2:09:15 Stunden war es vollbracht: Sieg, US-Meister und Bestzeit. Sein Freund und Favorit auf den US-Titel, Ryan Hall, wurde Vierter (2:10:56 h). Insgesamt sechs US-Athleten platzierten sich unter den Top Ten. Die Medien konzentrierten sich jedoch auf einen: Meb Keflezighi.
Auch finanziell war New York eine Reise wert für den 34-Jährigen. 130.000 US-Dollar Siegprämie, 40.000 US-Dollar für den US-Titel und 30.000 US-Dollar Zeitprämie brachten Meb Keflezighi auf einen Schlag 200.000 US-Dollar ein.
Seuchenjahre 2007 und 2008
Die letzten zwei Jahre verliefen für Meb Keflezighi alles andere als rund. Im Jahr 2004 gewann er bei den Olympischen Spielen in Athen (Griechenland) nach einem taktisch hervorragenden Rennen in 2:11:29 Stunden hinter Olympiasieger Stefano Baldini (Italien; 2:10:55 h) die Silbermedaille. Es war die erste olympische Marathon-Medaille eines US-Amerikaners seit 1976 und Meb Keflezighi fortan ein gefragter Mann.
2007 hatte er jedoch seine Vormachtstellung in den USA verloren. Andere Athleten wie Ryan Hall schoben sich in den Mittelpunkt, während Meb Keflezighi mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Bei den US-Ausscheidungskämpfen für die Olympischen Spiele in Peking (China) wurde Meb Keflezighi in New York nur Achter im Marathon.
Acht Monate später versuchte er es bei den US-Trials in Eugene (USA) über 10.000 Meter. Doch statt dem Ticket nach Peking hatte der 1,68 Meter große Athlet die nächste herbe Enttäuschung zu verarbeiten. Mit fast einer Minute Rückstand auf den Sieger belegte Meb Keflezighi in 28:39,02 Minuten den 13. Platz und das auf der Strecke, auf der er seit 2001 mit 27:13,98 Minuten den Amerikarekord hält.
"Ich habe mich selber immer bis zum absoluten Limit getrieben, aber in den letzten zwei Jahren war dies wegen der vielen Verletzungen einfach nicht möglich", sagte Meb Keflezighi im Interview nach dem Rennen von Eugene.
2009 stärker denn je
Doch aufgeben, das kam für Meb Keflezighi nicht in Frage. Als eines von elf Kindern in der Familie hat der viermalige NCAA-Meister gelernt sich durchzusetzen. Im Januar 2009 wurde er in Houston (USA) US-Meister im Halbmarathon und stellte dabei mit 61:25 Minuten eine neue Bestleistung auf. Drei Wochen später wurde er in Derwood (USA) US-Meister im Crosslauf. Drei Monate später folgte als Neunter des London-Marathons (Großbritannien) in 2:09:21 Stunden der nächste Hausrekord.
Anschließend zog sich Meb Keflezighi wieder nach Mammoth Lakes zurück. Dort, auf 2.400 Metern Höhe, findet der 34-Jährige optimale Trainingsbedingungen vor. Seit einigen Jahre hat er dort ein Haus und wohnt nicht fern von Ryan Hall, der ebenso wie Meb Keflezighi zum "Team Running USA" gehört und die Ruhe und optimalen Trainingsbedingungen im kalifornischen Mammoth Lakes schätzt.
"Es ist sehr einsam dort. Ich komme aus einer großen Familie mit vielen Feiern und Hochzeiten. All das vermisse ich sehr, aber man muss eben Opfer für den Erfolg bringen", sagte Meb Keflezighi, der deshalb in San Diego, wo er auch zur Highschool ging, zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern Sara (3) und Fiyori (1) einen Zweitwohnsitz hat.
Familie wächst
Meb Keflezighi nutzte nun in New York die Außenseiterrolle perfekt und lief mit erneuter Bestzeit zum Sieg. In den kommenden Wochen steht für den 58 Kilogramm leichten Lauffloh jedoch etwas anderes als Laufen im Fokus.
Im Januar erwartet seine Frau Yordanos Asgedom das dritte Kind. "Normalerweise muss ich im Haushalt nichts machen und kann mich voll und ganz auf das Laufen konzentrieren. Jetzt, wo aber bald das Kind kommt, muss ich meiner Frau doch etwas zur Hand gehen", sagte Meb Keflezighi.