Melanie Seeger sucht die Konkurrenz
Der fünfte Platz im olympischen 20-km-Gehen war die bisher beste Vorstellung der Potsdamerin Melanie Seeger auf der internationalen Bühne. Sie ist damit endgültig in der Weltelite angekommen. Der Jubel auf der Zielgeraden im Athener Olympiastadion liegt nun schon wieder Monate zurück, der Trainingsalltag hat begonnen. Neue Ziele stehen an, die WM in Helsinki 2005, in weiterer Ferne erneut Olympische Spiele, 2008 in Peking.
Melanie Seeger will sich mehr im Ausland messen (Foto: Klaue)
"Ich habe mich in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert, aber ich weiß auch, dass ich noch Reserven habe", erklärte Melanie Seeger nach ihrem Athenauftritt. "Schließlich will ich in Helsinki eine Medaille erkämpfen". Doch welche Reserven könnten das sein? Vier Möglichkeiten bieten sich unter anderem an, die auch in anderen Sportarten gang und gäbe sind: Trainerwechsel, Erhöhung des Trainingsumfangs, Höhentraining und psychologische Betreuung.Ein Trainerwechsel, um neue Reize zu setzen, steht für Melanie Seeger nicht ins Haus. Seit 1989 betreut Michael Klabuhn die Angehörige der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Potsdam, "mit seiner Hilfe habe ich mich kontinuierlich verbessert, so soll es auch weitergehen".
Zweite Möglichkeit: Mehr trainieren. Im Umfang scheint das Training ziemlich ausgereizt zu sein, denn inzwischen ist Melanie Seeger bei Wochenumfängen von 150 bis 200 Kilometer angekommen und das liegt so etwa im Bereich der ausländischen Konkurrenz. "Allerdings kommt es darauf an, dass sie noch mehr ihre Tempohärte trainiert, das heißt schnellere Intervalle in ihr Programm aufnimmt", meint DLV-Geherchef Ronald Weigel.
Höhentraining und Stärkung der Psyche
Dritte Möglichkeit: Das Höhentraining. Seit vier Jahren praktiziert sie es, war die letzten beiden Jahre in der Höhe von Mexiko, in Toluca auf 2.500 bis 3.800 Meter Höhe. Dort wurde die Kraft-Ausdauerbelastung geschult, praktisch die gesamte Saison vorbereitet. Für die direkte Vorbereitung auf wichtige Wettkämpfe nutzte Melanie Seeger den 2.000 Meter hohen bulgarischen Belmeken. "Beides hat mir viel gebracht, und deshalb werde ich es auch weiter tun. Es ist günstig, wenn man die gleichen Gegenden aufsucht, denn dann hat man Bezugspunkte, ob es Verbesserungen gegeben hat."
Vierte Möglichkeit: Stärkung der Psyche. Am Olympiastützpunkt Potsdam suchte sie im Jahr 2000 Hilfe, als sie die Olympiateilnahme knapp verpaßte und in einem mentalen Tief steckte: "Beim Psychologen Dr. Beyer habe ich wieder Selbstvertrauen bekommen". Der erste Erfolg kam 2001 als Achte bei der WM im kanadischen Edmonton. Und danach erklärte Melanie Seeger: "80 Prozent macht bei solch einem Wettkampf der Kopf aus". Und Selbstbewusstsein holte sie sich anschließend durch Verbesserungen in den Trainingsphasen und weiteren Erfolgen in den Wettkämpfen, bis eben hin bis zum 5. Platz in Athen.
Mehr internationale Vergleiche
Also vier Punkte, die Melanie Seeger recht gut im Griff hat. So kam sie selbst darauf, sich einem neuen Reiz auszusetzen: "Ich muss mich mehr mit der internationalen Konkurrenz messen. Nicht nur einmal im Jahr beim Höhepunkt, das ist zuwenig." Der heimische Zweikampf mit der zugegeben starken Gegnerin Sabine Zimmer reicht nicht aus, wobei Gehwettkämpfe in Deutschland sowieso sehr selten stattfinden. "Ich habe mir schon vor Olympia vorgenommen, im Jahr 2005 die Grand-Prix-Serie der Geher mit zu bestreiten. Die Konkurrenz muss mich sehen, die internationalen Gehrichter ebenso". Ein Novum zweifellos, denn bisher glänzten deutsche Geher bei dieser Wettkampfserie fast immer durch Abwesenheit. Es passte scheinbar nicht in die Vorbereitung auf die DM in Deutschland (meistens in Naumburg) und auf den internationalen Jahreshöhepunkt. Doch, für andere Gehsportländer wie Spanien, Italien, Mexiko, Russland war die Teilnahme am Grand Prix seit Langem eine Selbstverständlichkeit.
DLV-Geherteamchef Ronald Weigel steht vollauf hinter dieser neuen Ausrichtung der Wettkampfpraxis: "Für das Olympiajahr hatten wir das nicht geplant. Es war aber klar, dass 2005 ein solcher Start erfolgen würde. Ein Ziel wird sein, schon recht früh die WM-Norm für Helsinki zu schaffen (1:31:40 h). Wir haben festgestellt, dass bei einem Trainingsbeginn im Oktober meistens im März schon eine gute Form vorhanden ist. Mehr internationale Vergleiche schulen außerdem die Wettkampfhärte und -erfahrung," so Ronald Weigel.
Wettkampf und Trainingslager in Mexiko
Melanie Seeger wird also im März 2005 nach San Diego (USA) fahren, sich dort eine Woche akklimatisieren, um dann über die nahe Grenze ins mexikanische Tijuana zu reisen und dort am 19. und 20. März am ersten Wettbewerb der Grand-Prix-Serie teilzunehmen. "Anschließend werde ich ein Trainingslager in Mexiko anhängen."
Als zweiter Grand Prix-Wettkampf ist der Start am 4. Juni in La Coruna (Spanien) vorgesehen und ebenfalls in die Wertung kommt die Platzierung bei der WM in Helsinki. Außer Melanie Seeger werden diese Grand Prix's Andreas Erm, André Höhne und Sabine Zimmer bestreiten.
Angemerkt sei, dass bei diesem Geher-Grand Prix auch ein paar Euros zu verdienen sind. Drei Wettkämpfe fließen in die Wertung, für den Gesamterfolg werden 30.000 Euro gezahlt. Nicht eben wenig für die mit Geld nicht gerade verwöhnten Geher. Und vielleicht sind damit die Spitzengeher Vorreiter in der deutschen Leichtathletik. Denn auch manch anderen Disziplinen würde es gut tun, wenn sie mehr die internationale Konkurrenz suchten.