Melanie Skotnik – Mit Selbstvertrauen über die Latte
Als Melanie Skotnik als erste Hochspringerin bei den deutschen Junioren-Meisterschaften in Hamburg die 1,88 Meter überwand, folgten der Freude über ihre neue Bestleistung beinahe die Tränen. Nur schwer rang sie nach Fassung, war doch der Wettbewerb noch lange nicht beendet und mit der Europameisterschafts-Siebten, Kathryn Holinski, und der Cottbuserin Katja Schötz standen zwei nervenstarke Athletinnen zum Anlauf bereit.
Melanie Skotnik holte sich in Hamburg den Juniorentitel (Foto: Gantenberg)
Plötzlich war für die 19-jährige bayrische Athletin alles möglich. Den dritten Platz aus dem letzten Jahr wollte sie verteidigen - das hatte sie jetzt schon geschafft. Im Bereich ihrer Bestleistung wollte sie springen - mit 1,88 Meter lag sie schon zwei Zentimeter darüber. Die Spannung stieg. Jeder wusste, dass die beiden anderen Springerinnen jetzt kontern müssten, sonst wäre die Entscheidung gefallen. Katja Schötz gelang dies erst mit ihrem dritten Versuch über 1,88 Meter, der war allerdings bärenstark. "Katja ist immer eine harte Konkurrentin für mich. Sie ist auch von der Psyche sehr stark", meinte Melanie Skotnik hinterher. "Ich dachte, sie schafft es noch, ihre ersten Sprünge sahen richtig gut aus." Tatsächlich hatte man den Eindruck, dass, wenn überhaupt, nur noch die Cottbuserin über die 1,90 Meter kommt, aber es sollte nicht sein. Der Tag, aus Hochsprungsicht, gehörte Melanie Skotnik und zwar ab dem Moment, wo sie mit ihren Tränen rang. "Ich glaube, es war eine Überraschung für die anderen, dass ich da über die Latte kam - dann fängt man an zu denken."
Langer Aufbau nach Verletzung
Bis zu ihrem Wettkampf in Hamburg war es eigentlich sehr ruhig geworden um die hochgewachsene Nachwuchsathletin aus Franken. Ein dreiviertel Jahr kämpfte sie mit einer Verletzung an ihrem rechten Fuß. Danach folgte ein langer Aufbau, um wieder an die alte Stärke zu kommen. Bei den Deutschen Meisterschaften in Wattenscheid erreichte sie im Juli einen sechsten Platz und übersprang dabei 1,80 Meter.
"Da ich dieses Jahr noch keine gute Vorleistungen stehen hatte, konnte ich locker rangehen", hat sie nun eine Erklärung für ihr Husarenstück in der Hansestadt. "Ich bin sehr froh, dass das so gut geklappt hat. Ich war, glaube ich, noch nie so glücklich in meinem Leben." Dazu kam, dass sie zum ersten Mal so richtig gekämpft hatte. "Ich habe mich zwischen den Sprüngen hingesetzt und nachgedacht. Das mache ich sonst nie. Ich habe mich unheimlich gut konzentriert, so gut wie noch nie."
Talent alleine reicht nicht mehr
Mittlerweile hat sie erkannt, dass ihr Talent alleine nicht mehr ausreicht, um ganz vorne mit zuspringen. Von ihrem Trainer, Stanislaus Olczyk, weiss sie, dass jetzt andere Zeiten auf sie zukommen werden und mit der Umsetzung hat Melanie Skotnik schon begonnen. Sie ist dabei, härter zu trainieren und hat es irgendwie geschafft, ihrer schlanken Figur noch fünf Kilogramm abzugewinnen. "Ich wiege jetzt 61 Kilo. Anfangs habe ich mich dadurch ein wenig schwach gefühlt, aber mittlerweile stimmt wieder alles." In Ernährungsfragen berät sie ihr neuer Freund, Jason Stewart, ein 800-Meter-Läufer aus Neuseeland. "Ich habe ihn in Cottbus beim German Meeting kennen gelernt. Er hat mir gesagt, ich muss nur an mich glauben und hat mir damit das nötige Selbstbewusstsein gegeben."
Jetzt will sie endlich einmal ohne Verletzungen durch's Jahr kommen. Mental tastet sie sich schon an die Barriere von 1,90 Meter heran. "Darüber denke ich nach. Wenn man über 1,90 Meter springen kann, ist man gut dabei, dann ist vieles offen."
Wie es aussieht, ist Melanie Skotnik in Zukunft eine weibliche Vorzeigeathletin des LAC Quelle Fürth/München. Sie hat in Hamburg den einzigen deutschen Meistertitel für den bis zum letzten Jahr erfolgsverwöhnten Traditionsverein aus Bayern geholt und damit die Wogen geglättet, die nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der Deutschen Meisterschaft aufgeschäumt waren. Die nächsten Monaten werden zeigen, ob sie in diese Rolle schlüpfen kann und wie schnell sie Anschluss an jene Springerinnen gewinnen kann, die sich jetzt schon konstant jenseits der 1,90 Meter bewegen.
Dirk Gantenberg