| Abschied und Neuanfang

Menn-Zwillinge gehen getrennte Wege

Sie machen gemeinsam Sport seit sie denken können. Insgesamt fünf deutsche U18- und U20-Titel im Einzel sowie fünf weitere mit Staffel und Mehrkampf-Mannschaft gehen auf ihr Konto. Ab Oktober gehen Philipp und Sascha Menn nun getrennte Wege. Die 19 Jahre alten Zwillinge haben sich für unterschiedliche Studiengänge, Studienorte und für unterschiedliche Disziplinen entschieden.
Silke Morrissey

„Das wird ein großer Schritt!“ Die zweieiigen Zwillinge finden dieselben Worte, wenn man sie getrennt auf den nächsten Lebensabschnitt anspricht. Sascha und Philipp Menn haben denselben Freundeskreis, sind zusammen zur Schule gegangen und haben im vergangenen Jahr gemeinsam ein Jahr bei der Bundeswehr absolviert. Ihre Freizeit gehört seit frühester Kindheit der Leichtathletik.

Seite an Seite eilten die Menn-Zwillinge in den vergangenen Jahren durch die Schüler- und Jugend-Altersklassen und sammelten dabei Medaillen am laufenden Band. An ihrer Seite stets Vater Helmut Menn, der seine Söhne bei der LG Kindelsberg-Kreuztal als Trainer bis in die deutsche Spitze brachte. Ab Oktober wird in der Trainingsgruppe einer fehlen: Philipp Menn geht nach Münster.

Weitsprung-Training bei Elke Bartschat

Der Deutsche U20-Meister im Weitsprung und im Hallen-Siebenkampf hat sich für ein Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Münster eingeschrieben. Eine eigene kleine Wohnung im Wohnheim hat er schon, in zwei bis drei Wochen soll der Umzug von Kreuztal in die westfälische Studentenstadt erfolgen.

Ob mit dem Wohnort-Wechsel auch ein Vereinswechsel einhergeht, steht noch nicht fest. Eines ist aber beschlossene Sache: Philipp Menn schließt sich in Münster der Weitsprung-Trainingsgruppe von Elke Bartschat an, der auch U23-Europameisterin Lena Malkus (SC Preußen Münster) angehört. Damit ist die Entscheidung gegen den Mehrkampf und für den Weitsprung gefallen.

Den letzten Anstoß gab die Jugend-DM im August in Wattenscheid. Hier hatte sich Philipp Menn auf 7,62 Meter gesteigert – weiter kam 2014 kein deutscher Jugendlicher.

Sascha Menn bleibt Zehnkämpfer

Sascha Menn dagegen will weiter die Zehnkampf-Laufbahn vorantreiben – und ist mit seiner neuen Bestleistung von 7.406 Punkten seinem Vater Helmut auf den Fersen, der einst 7.436 Punkte sammelte und damit (noch) den Familienrekord hält.

Mit dem U20-Titel bei den Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften in Vaterstetten sowie einer Steigerung seiner Bestleistung um genau 301 Punkte hat Sascha Menn neue Motivation getankt. Weiteren Zuspruch erfährt er von seinem Zwillingsbruder: „Sascha ist der geborene Mehrkämpfer!“ sagt Philipp über seinen 17 Minuten jüngeren Bruder, der ihn mit einer Körpergröße von 1,94 Meter um acht Zentimeter überragt.

Zusammen fünf deutsche Einzeltitel

Bis zu seinem ersten deutschen Einzeltitel musste Sascha Menn viel Geduld mitbringen. Titel mit der Mehrkampf-Mannschaft und mit der Sprintstaffel der LG Kindelsberg-Kreuztal gab es viele – fünf, um genau zu sein. Bis Ende August 2014 stand aber stets nur Philipp alleine ganz oben auf dem Treppchen, zweimal im Weitsprung, zweimal im Mehrkampf.

Beugerprobleme hatten Sascha Menn zwei Jahre lang außerdem den Saisonstart vermasselt. Als bei den Qualifikations-Wettbewerben im Mehrkampf die Tickets für internationale Meisterschaften vergeben wurden, konnte er nicht seine Topform abrufen.

2013 war daher Philipp derjenige, der im Zehnkampf den Sprung in das deutsche Team für die U20-EM in Rieti (Italien) schaffte – Platz 14 mit 7.138 Punkten. Schon damals haderte er nach seinem schwächeren zweiten Tag mit den Leistungen in den Wurf-Wettbewerben, die ihn stets viele Punkte und Plätze kosteten.

Vorfreude und Wehmut

Der Abschied vom Zehnkampf war schließlich ein Prozess, der Philipp Menn über das Jahr 2014 begleitete. „Eigentlich wollte ich noch die Qualifikation für die U20-WM mitmachen“, blickt er auf den Saisonbeginn zurück. „Aber dann hatte ich Schmerzen im Rücken – und irgendwie auch keine Lust mehr.“ Trainieren konnte er phasenweise ohnehin nur Sprint und Weitsprung, auch gedanklich entfernte er sich mehr und mehr vom Mehrkampf.

Beim Mehrkampf-Meeting in Ulm Ende Mai führte er Gespräche mit Klaus Flakus und Lothar Schmitt, die im DLV als Disziplintrainer den Zehnkampf-Nachwuchs betreuen. Diese zeigten Verständnis für den neuen Weg, der sich für Philipp Menn abzeichnete. „Sie haben zu mir gesagt: ‚Wenn die innere Flamme aus ist, hat es keinen Sinn mehr‘“, erinnert er sich. Zehnkampf mit halbem Herzen – das geht nicht.

Erste Kontakte zu Elke Bartschat waren ohnehin längst geknüpft, auch wenn sich Philipp Menn 2011 für den Zehnkampf- und nicht für den Weitsprung-Kader entschieden hatte. Im Frühjahr absolvierte er im Trainingslager auf Teneriffa erste Einheiten unter der Leitung der C-Kader-Trainerin, nun wird sie auch im Alltag seine Ansprechpartnerin sein. „Ich freue mich auf das neue Umfeld und darauf, auf eigenen Beinen zu stehen“, sagt Philipp, fügt aber hinzu: „Ein bisschen Wehmut ist auch dabei.“

„In der Trainingsgruppe wird etwas fehlen“

Für Sascha Menn steht ab Oktober ein Bauingenieur-Studium in Siegen auf dem Programm. Auch den Weg zum Training in Kreuztal wird er künftig ohne seinen Zwillingsbruder zurücklegen. „In der Trainingsgruppe wird etwas fehlen“, sagt er. „Wir hatten immer viel Spaß zusammen.“ Wie lange die beiden schon gemeinsam Sport machen? „Puh!“ sagt Sascha und muss lange überlegen, bevor er antwortet: „Solange ich denken kann.“

Möglicherweise führen die unterschiedlichen Wege die Zwillingsbrüder aber schon 2015 wieder für ein Highlight zusammen. Sascha und Philipp Menn liebäugeln mit dem Saison-Höhepunkt der U23-Altersklasse, den U23-Europameisterschaften in Tallinn (Estland). Die Qualifikation ist für beide eine schwierige Bewährungsprobe gegen starke nationale Konkurrenz – aber nicht ausgeschlossen. Wenn es 2015 nicht klappt, wären beide 2017 noch einmal bei einer U23-EM startberechtigt.

Aus der Welt ist Münster ja auch nicht. Mit dem Auto rund anderthalb Stunden entfernt von Kreuztal – eine Strecke, die man gut für einen Wochenend-Besuch zurücklegen kann. Sollte denn dafür überhaupt mal Zeit sein bei den vielen Wettkämpfen, die im Sommer anstehen. Aber auch da werden sich die Menn-Zwillinge wieder über den Weg laufen – auf den Sportplätzen der Republik, zu denen sie bisher stets gemeinsam gereist sind.

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