| Nach Knie-Verletzung

Michael Schrader: Comeback-Termin steht in den Sternen

Von der Form des Lebens zum Stillhalten verdammt, und das binnen weniger Sekunden. Ein folgenreicher Unfall beim Stabhochsprung-Training kostete Michael Schrader im Januar die zweite Olympia-Teilnahme. Der Zehnkampf-Vize-Weltmeister von 2013 verdrehte sich dabei das Knie so unglücklich, dass sämtliche Menisken und Bänder rissen. Der Traum, 2018 wieder Wettkämpfe zu bestreiten, lebt, auch wenn der Weg dahin noch ein sehr langer ist.
Pamela Ruprecht

Wo andere Erholungsurlaub machen, am Schliersee in Bayern, war Michael Schrader (SC Hessen Dreieich) zuletzt auf dreiwöchiger Intensiv-Reha – Schwitzen fürs Comeback. Die Muskulatur am zweimal operierten linken Bein ist mittlerweile wieder ausreichend aufgebaut, aber die Schmerzen an der Kniescheibe verhindern noch den nächsten Schritt: Jogging mit dem ganzen Körpergewicht. „Das ist das nächste Ziel, auf das ich hart hinarbeite. Ich hoffe, dass ich im Januar wieder laufen kann“, sagt der 29-Jährige.
 
Das Knie des Mehrkämpfers wurde bei seinem Unfall stark lädiert: Schienbeinkopf abgebrochen sowie Patella-Sehne, Menisken, Innen-, Außen- und vorderes Kreuzband gerissen. Einzig das hintere Kreuzband hielt stand, als er beim Training vom Stab abrutschte und sich bei der Landung auf der Matte das Knie seines Sprungbeines komplett verdrehte.

Aufgrund der Schwere der Verletzung wurden die Sehnen, die das vordere Kreuzband fortan ersetzen sollten, nicht wie üblich aus dem betroffenen Bein gezogen, sondern – um dies nicht noch mehr zu schwächen – aus seinem rechten Beuger. Mitte April war das Implantat, aus Grazillis- und Semitendinosus-Sehne zusammen geflochten, eingesetzt worden. In einer ersten Operation unmittelbar nach dem Missgeschick im Januar war bereits alles bis auf das Kreuzband repariert worden.

Fernziel Olympia 2020

„Ich war in der Form meines Lebens“, meint Michael Schrader über den Zeitpunkt des Unfalls im Januar. „Von daher war es schon bitter.“ Aber anstelle seiner verpassten Chance, in Rio zu starten, nachzutrauern, dachte der Olympia-Teilnehmer von 2008 gleich daran, so schnell wie möglich zurückzukommen. „Ich schau nach vorne und versuche, gesund zu werden und in vier Jahren hoffentlich nochmal die Möglichkeit zu bekommen.“
 
Eigentlich ist Michael Schrader erprobt, was lange Verletzungsausfälle betrifft. Auch die Olympischen Spiele in London (Großbritannien) hatte er verpasst. Doch die jetzige Verletzung stellt den Mehrkämpfer vor eine ganz neue Herausforderung, bei der es viel Geduld braucht. So eine Mammut-Aufgabe realisiert man anders: „Man weiß, dass es nicht so ein einfaches Ding wird.“
 
Ein erster Erfolg für die kommenden Monate wäre schmerzfrei laufen zu können, um dann schrittweise ins Training zurückkehren zu können. „Mein primäres Ziel ist es erst mal, 2017 wieder richtig ins Training einzusteigen. Das wäre schon optimal“, sagt der WM-Zweite von 2013. Im Idealfall könnte der Zehnkämpfer Ende des Jahres den einen oder anderen Wettkampf bestreiten. „Das steht aber auch in den Sternen“, so seine vage Einschätzung.

Reha rund um die Uhr

Zeit gibt er sich: Mit seinen 29 Jahren hat Michael Schrader einen weiteren Olympia-Zyklus vor Augen. Der Schützling von Siebenkampf-Bundestrainer Wolfgang Kühne hofft, dass 2020 in Tokio (Japan) beim insgesamt vierten Anlauf die zweite Olympia-Teilnahme wahr wird. Der Mehrkämpfer will – wenn es geht – noch mehrere Jahre Hochleistungssport machen: „Es gibt nichts Schöneres, als Sport zu treiben. Das ist mein größtes Hobby.“ Dazu muss aber das Knie mitspielen.
 
Das und seine zukünftige Leistungsfähigkeit sind für ihn momentan noch ein „Rätsel“. Sein tägliches Reha-und Behandlungs-Pensum beträgt fünf bis sechs Stunden. „Da ist man eigentlich genauso platt, wie wenn man normal trainiert“, sagt er und sieht keinen großen Unterschied zum konventionellen Trainingsalltag. Zur Behandlung gehören auch regelmäßige Besuche unter anderem bei Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in München.

Freude über Muskelkater

In den langwierigen Reha-Prozess versucht Michael Schrader möglichst viel Abwechslung zu bringen. Unterschiedliche Trainingsreize setzen, das wirkt sich auf Kopf und Körper positiv aus. Vor seinem Aufenthalt am Schliersee trainierte er hauptsächlich in Duisburg, wo er gemeinsam mit seiner Freundin wohnt. Derzeit ist er in Halle in der Zehnkampf-WG mit Rico Freimuth (SV Halle), der zwei Jahre nach Schraders Erfolg ebenfalls eine WM-Medaille (Bronze) holen konnte. „Endlich habe ich mal wieder Muskelkater bekommen, das ist immer ein gutes Zeichen“, erzählt der Ratingen-Sieger von 2015.

Das ist in dieser Phase keine Selbstverständlichkeit. Denn wenn Schmerzen intensives Training nicht zulassen, kann auch kein Muskelkater entstehen. Eine Alternative ist das EMS-Training, bei dem Stromschläge zu Muskelkontraktionen in den Beinen führen. Zumindest das Oberkörper-Training laufe „brillant“, beim Rest muss er sich über kleine Fortschritte freuen. Michael Schrader weiß: „Es ist immer noch ein langer Weg.“

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