Michael Schrader - Der junge Shooting-Star
Beim Grillabend mit seinen Vereinskameraden und Trainer Torsten Voss einen Tag vor dem Abflug in das Vorbereitungs-Trainingslager in Japan hatte Zehnkämpfer Michael Schrader bereits eine erste Prognose hinsichtlich seiner nun in Peking (China) bevorstehenden "Olympischen Feuertaufe" gewagt: "Eins strebe ich auf jeden Fall in Peking an - den 400-Meter-Lauf zu gewinnen."
Für Einzelsiege wird im Mehrkampf bekanntermaßen kein Gold vergeben, aber "mit Spaß und Lockerheit" will er hier und da am Donnerstag und Freitag (21./22. August) die weltbesten Zehnkämpfer schon ein wenig ärgern."Wenn ich an die Situation heute vor einem Jahr denke, kann ich immer noch nicht glauben, dass ich in Peking dabei bin. Klar hatte ich mir für diese Saison eine Punktzahl zwischen 8.000 und 8.200 Punkten vorgenommen. Aber dass ich am Ende die Olympia-Fahrkarte bekommen habe, war der absolute Hammer", sagt der 21 Jahre alte gebürtige Duisburger.
Was für das Mitglied der Sportförderkompanie in Köln-Longerich einer Sensation gleichkommt, war für seine Eltern eigentlich im Prinzip eine (wenn anfänglich auch wohl nicht ganz Ernst gemeinte) "Selbstverständlichkeit". "So weit ich mich zurückerinnern kann, haben sie immer gesagt: ‚Du hast das Zeug dazu, irgendwann bist du bei Olympia dabei.’ Vielleicht habe ich auch deshalb schon sehr früh damit angefangen, das Ganze nicht nur als Träumerei anzusehen."
Keine Gefahr zu überdrehen
Ernsthaft mit dem Thema Peking hatte sich der Deutsche Juniorenmeister nach dem Mehrkampf-Meeting in Götzis (Österreich) beschäftigt, obwohl er dort gar nicht anwesend war. "Als ich die Ergebnisse gesehen habe, wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich zu denjenigen zähle, die dabei sein könnten." Michael Schrader selbst hatte zwei Wochen zuvor in Bernhausen bei der erstmaligen Eroberung eines Achttausenders in seiner Karriere gleich 8.194 Punkte vorgelegt.
Jetzt wird der Siebte der U23-EM vor einer ganz großen Kulisse sein Können unter Beweis stellen müssen. "Die Atmosphäre wird schon beeindruckend sein und mich pushen. Ich glaube aber nicht daran, dass ich irgendwie überdrehe. Ich bin beispielsweise ein Typ, der sich nicht großartig damit beschäftigt, ob ich vielleicht beim Weitsprung das Brett nicht treffen könnte. Darum mache ich mir überhaupt keinen Kopf."
Immer die gleichen Socken
Auch auf Maskottchen oder irgendwelche Rituale legt Michael Schrader wenig Wert. "Das Einzige ist, dass ich bei Wettkämpfen immer die gleichen Socken trage. Durch die offiziell vorgeschriebene Kleidung bei Olympia ist das ja nicht möglich. Vielleicht ziehe ich sie dann ja unter die anderen ", sagt der Schützling jenes Mannes, der zwei Monate nach der Geburt Michael Schraders bei der WM in Rom (Italien) 1987 mit 8.680 Punkten Gold vor Siggi Wentz (8.461) gewann. Ein Jahr später feierte Torsten Voss bei den Olympischen Spielen in Seoul (Südkorea) hinter Christian Schenk die Silbemedaille.
Dass sein Coach schon so "alt" ist, mag der für die LAV Bayer Uerdingen/Dormagen startende Mehrkämpfer gar nicht glauben: "Er ist so jugendlich geblieben, macht jeden Spaß mit und ist noch total fit. Ich stehe voll hinter dem, was er sagt, weil ich ihm total vertraue. Ich kann mir eigentlich keinen besseren Trainer vorstellen."
Sprint/Sprung-Typen
Auch Claus Marek, Teammanager Zehnkampf im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), ist von der Arbeit des Ex-Weltmeisters angetan. "Torsten ist ein sehr bescheidener Mensch, der alles für seine Athleten gibt. Er opfert sich in seiner Freizeit voll für den Sport auf, weil der Zehnkampf für ihn auch eine absolut sinnvolle Freizeitbeschäftigung ist. Interessant ist, dass sich Torsten und Michael vom Typ her ähneln. Wie sein Coach ist auch Michael der Sprint/Sprung-Typ", sagt Claus Marek, der Michael Schrader in Peking "im Sinne von Torsten" coachen wird.
Irgendwann mal einen Abstecher in den Bob zu wagen wie sein Trainer, ist für Michael Schrader nicht ausgeschlossen: "Warum nicht? Das macht sicherlich auch Fun." Aus Spaß wurde bei Torsten Voss allerdings 1994 Ernst, als er seine Laufbahn in der Eisröhre als Anschieber von Harald Czudaj und Wolfgang Hoppe fortsetzte. 1995 und 1996 gewann der Junioren-Weltrekordler im Zehnkampf dann jeweils WM-Bronze, 1997 im Viererbob von Dirk Wiese sogar die Silbermedaille.
Olympia 2012 im Hinterkopf
"Wenn ich diese Latte an Erfolgen am Ende meiner Karriere stehen haben sollte, kann ich mit Recht behaupten: Ich habe etwas Großes geleistet." Die von Torsten Voss erreichte Bestleistung ist für Michael Schrader dabei nicht utopisch: "Im Hinterkopf habe ich bereits das ganz große Ziel Olympia 2012. Dort möchte ich zuschlagen. Mein Traum sind 8.600 Punkte - und die könnten vielleicht dort eine Medaille bedeuten."
Den ersten großen internationalen Auftritt des Shooting Stars in der Zehnkampf-Szene werden seine Vereinskollegen gemeinsam vor dem Fernseher verfolgen. "Die werden sich nachts um Drei bei einem Kumpel treffen und Party machen. Ich würde ja gerne die Gesichter der betroffenen Eltern sehen, wenn da ein paar Jungs um diese Uhrzeit Zehnkampf gucken wollen", schmunzelt Michael Schrader, der vor Ort auf keinerlei Fan-Gemeinde zurückgreifen kann.
Ein bisschen Quatsch muss sein
"Sicher wäre es schön gewesen, den einen oder anderen dabei zu haben. Aber ich werde mein Ding auch so durchziehen und eine Menge Spaß haben. Dafür werden auch schon Arthur Abele und André Niklaus sorgen, mit denen ich mich gut verstehe. Eine gewisse Lockerheit und ein bisschen Quatsch zwischendurch muss einfach auch mal sein", meint Michael Schrader.
Mit Peking hat Michael Schrader allerdings noch "eine Rechnung offen": "Bei der U20-WM 2006 hatte ich wie viele andere auch mehr mit einem Magen-Darmproblem zu tun als mit dem Wettkampf. Ich kann nicht gerade behaupten, dass wir in einem Top-Hotel untergebracht waren, entsprechend war auch die Qualität des Essens."
Am zweiten Tag musste Michael Schrader dann den "Magenstrapazen" Tribut zollen und gab den Wettkampf nach drei ungültigen Versuchen über die Einstiegshöhe von 4,30 Meter im Stabhochsprung auf. "Ich denke dieses Jahr brauche ich mir in puncto Ernährung wohl keine Sorgen machen."
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