Michael Schrader: "Wusste immer, ich kann das"
Er ist zurück. Michael Schrader feierte beim Zehnkampf in Ulm nach jahrelangen Verletzungen mit 8.427 Punkten seine Rückkehr in der Weltelite. Im Interview spricht der Leverkusener über den eigenen Körper als größten Gegner, Wollmützen im Mai und sein liebstes Hobby.

Michael Schrader:
Die linke Wade, die merke ich heute richtig. Am ersten Tag in Ulm hatte ich ab dem Weitsprung richtig Krämpfe. Das ging zum Glück am zweiten Tag, aber jetzt macht sie ganz schön zu. Ansonsten geht’s mir aber gut. Die richtige Keule, der Muskelkater, der kommt erst morgen, nehme ich an.
8.427 Punkte – dafür lohnt sich der Schmerz wohl.
Michael Schrader:
Auf jeden Fall. Ich habe mir vorher nicht so großartig Gedanken um Punkte gemacht, sondern wollte einfach endlich mal wieder bei einem Zehnkampf durchkommen. Umso besser fühlt sich das jetzt an.
Sie haben in Ulm drei Bestleistungen aufgestellt. 10,52 Sekunden über 100 Meter, 14,02 Sekunden über 110 Meter Hürden und 14,74 Meter im Kugelstoßen. Welche Leistung bewerten Sie selber am höchsten?
Michael Schrader:
Die 100 Meter und den Weitsprung. Da bin ich direkt im ersten Versuch 7,82 Meter gesprungen. Mit Krämpfen. Das ist schon ein Wort. Ich war ja schon immer recht schnell, aber ich konnte jetzt endlich mal einen Winter durchtrainieren, da ist das noch besser geworden.
Beim Wettkampf in Ulm hatten Sie teils mit Bedingungen um die fünf Grad zu kämpfen. War die Kälte bei diesem Wettkampf Ihr größter Gegner?
Michael Schrader:
Da war ja nicht nur die Kälte, auch der Regen war furchtbar. Wir sind da alle in Winterjacken und dicken Wollmützen rumgelaufen und das Ende Mai, das ist ja wohl ‘ne Frechheit. Aber ich war motiviert und heiß drauf zu zeigen, was ich drauf habe. Da war das Wetter dann eigentlich auch egal. Ich weiß auch nicht, was bei besseren Bedingungen noch möglich gewesen wäre. Klar, gerade Diskus und Stabhochsprung waren bei dem nassen Boden sehr schwierig, aber es kommen bestimmt auch wieder Wettkämpfe bei besserem Wetter.
In den letzten Jahren war eigentlich immer Ihr eigener Körper Ihr größter Gegner. Der rechte Fuß hat immer wieder Probleme gemacht. Wie nah standen Sie davor, aufzugeben?
Michael Schrader:
Das stand für mich nie zur Diskussion. Dieser Sport ist mein liebstes Hobby, das geb‘ ich nicht so einfach auf. Ich wusste immer, dass ich das kann, das habe ich ja im Training gesehen, wo ich richtig gute Leistungen gezeigt habe. Das hat mir ja bewiesen, dass es Sinn macht, weiter zu arbeiten. Wenn das anders gewesen wäre, dann wäre diese Gedanken vielleicht gekommen, aber so hat mir der Sport immer Spaß gemacht, auch wenn ich es nicht in Wettkämpfen zeigen konnte und oft Schmerzen hatte.
Wie groß waren die Schmerzen in der Vorbereitung?
Michael Schrader:
Ab und an habe ich meine Wehwehchen, aber insgesamt bin ich dieses Jahr bislang gut durchgekommen. Vor zwei Monaten habe ich mir zwar eine leichte Zerrung im Beuger geholt. Das war kurz nach meiner Rückkehr aus dem Trainingslager in Südafrika. Da hatten wir 30 Grad und hier in Deutschland waren es minus 5 Grad. Das habe ich wohl nicht so gut verkraftet. Aber die Zerrung war zum Glück nicht schlimm und nach einer Woche wieder weg. Ich brauche manchmal so meine kleinen Pausen, um die Wehwehchen auszukurieren, aber die stecke ich immer ganz gut weg.
Ulm ist seit Ihrem Sieg 2009 in Götzis erst Ihr zweiter Zehnkampf. Was hat sich außer der Frisur seitdem noch bei Ihnen verändert?
Michael Schrader:
Die größte Veränderung ist wohl, dass ich seit Ende letzten Jahres in Halle lebe und trainiere. Ich hatte zwar vorher in Uerdingen auch eine gute Trainingsgruppe, aber mit Rico Freimuth und Norman Müller sind wir ein richtig starkes Zehnkampf-Team. Und das passt super. Wir pushen uns gegenseitig und entwickeln uns so, glaube ich, alle weiter.
Eigentlich wollten Sie mit diesen beiden auch jetzt am Wochenende in Götzis starten. Hätte das nochmal mehr Schub gegeben?
Michael Schrader:
Von der Motivation hätte es zum jetzigen Moment für mich wahrscheinlich keinen Unterschied gemacht. Aber klar war ich enttäuscht, dass ich keine Wildcard für Götzis bekommen habe. Aber jetzt habe ich ja wieder ein gutes Ergebnis stehen und kann somit hoffentlich wieder nächstes Jahr dabei sein. Für mich ging es in Ulm ums Durchkommen – und dann natürlich auch um die WM-Norm.
Die haben Sie deutlich überboten. Haben Sie damit aber auch eins der drei WM-Tickets?
Michael Schrader:
Ich glaube schon. Wenn da jetzt noch drei Jungs mehr Punkte abräumen, das wäre schon heftig, dann hätten wir ja ein richtiges Luxus-Problem. Ich denke, Rico und Pascal Behrenbruch werden sich auch noch in den Vordergrund spielen. Rico ist gut drauf, das sehe ich ja jeden Tag im Training. Pascal kann ich nicht einschätzen, aber er war die letzten Jahre immer stark, ihn muss man auf der Rechnung haben. Aber mit Rico zur WM zu fahren, das hätte schon was.
Endgültig werden die WM-Tickets aber erst in Ratingen am 15./16. Juni vergeben. Sehen wir Sie da?
Michael Schrader:
Das kann ich jetzt noch gar nicht sagen. Ich mache jetzt erst mal eine Woche Pause, einfach nur relaxen. Dann fahren Rico, Norman und ich eine Woche nach Kienbaum ins Trainingslager und da überlege ich mir dann, wie es weiter geht. Ich muss jetzt vor allem gesund bleiben.