Mit dem Stirnband wieder nach oben
Die Hindernisläuferin Marta Dominguez (Spanien) hat bei den Olympischen Spielen in Peking eine sportliche Tragödie erlebt: Im Finale stürzte sie in Medaillenposition liegend nur 250 Meter vor dem Ziel am zweitletzten Hindernis. Eigentlich wollte die 33-Jährige ihre Laufkarriere nach den Sommerspielen beenden. Doch der Sturz hat ihre Lebensplanung verändert. „Ich will meine Kräfte für die EM 2010 in Barcelona bündeln“, sagt Marta Dominguez.
Noch 400 Meter bis zum Ziel. Noch 400 Meter hatte Marta Dominguez zu überstehen, und die erste olympische Medaille ihrer langen Karriere war in greifbarer Nähe. Es war das olympische Finale über 3000 Meter Hindernis der Frauen in Peking. Vorne stampfte Gulnara Samitova-Galkina (Russland) unbedrängt davon, am Ende siegte sie in neuer Weltrekordzeit von 8:58:81 Minuten. Richtig spannend ging es in ihrem Rücken zu: Dort brachte sich ein Quartett in Stellung, um die restlichen zwei Medaillen unter sich aufzuteilen: Tatyana Petrova (Russland), Eunice Jepkorir (Kenia), Yekaterina Volkova (Russland) und eben Marta Dominguez.Yekaterina Volkova zog an Eunice Jepkorir vorbei. Doch Marta Dominguez ging ebenfalls mit. Am zweitletzten Hindernis allerdings blieb die Spanierin plötzlich mit ihrem Nachziehbein am Hindernis hängen. Sie hatte keine Chance, stürzte, rollte sich über den Rücken ab, kam auf allen Vieren auf und schaute mit entsetzten Augen der enteilenden Konkurrenz hinterher. Ihr rosa Stirnband, ihr Markenzeichen, hatte Marta Dominguez beim Sturz verloren. Der Schock, das Entsetzten lähmte sie – die Hindernisläuferin gab auf, rannte nicht mehr weiter. Es hätte wohl auch wenig gebracht. Auf der Webseite youtube.com ist die persönliche Katastrophe der Marta Dominguez in Bildern festgehalten – mit tragischer Hintergrundmusik inklusive.
Es hätten ihre letzten 400 Meter sein können. Mit einer Medaille bei Olympischen Spielen wollte Marta Dominguez ihre Laufkarriere krönen und danach aufhören. Viel hatte sie erreicht: Drei Goldmedaillen gewann die Leichtathletin bei Europameisterschaften über 3000 und 5000 Meter, dazu kamen ebenfalls drei Silbermedaillen bei Weltmeisterschaften und einige Landesrekorde. Nur bei ihren drei Olympiastarts (Atlanta, Sydney, Peking, in Athen fehlte sie verletzt) ging Marta Dominguez stets leer aus.
EM 2010 in Barcelona statt WM 2009 in Berlin
Hätte sie sich damit abgefunden, wäre das nur allzu verständlich gewesen. Doch die Hindernisläuferin hat sich aufgerafft und jüngst verkündet, ihre Karriere doch fortsetzen zu wollen. Ihr Antrieb? Die Leichtathletik-EM 2010 in Barcelona in ihrem Heimatland Spanien sowie die noch relativ weit entfernten Olympischen Spiele 2012 in London. Es wären die vierten für Marta Dominguez.
„Ich war nach Peking total niedergeschlagen. Mit diesem Schicksal hatte ich nicht gerechnet“, sagt die Spanierin auf der Webseite der EM 2010 (www.bcn2010.org). „Ich habe mich also dazu entschieden, mir nochmals vier Jahre zu geben, um in London erneut zu starten.“ Die Leichtathletikwelt richtet sich geschlossen auf die WM 2009 in Berlin aus – Marta Dominguez nicht. „Das nächste Jahr wird ein ruhiges werden. Ich werde wohl bei ein paar Rennen starten, zum Beispiel bei Crossläufen. Aber auf offizielle Wettbewerbe verzichte ich“, sagt die Hindernisläuferin, die kürzlich zum wiederholten Mal zur Leichtathletin des Jahres in Spanien gewählt wurde. „Ich brauche jetzt eine kleine Pause und will meine Kräfte für die Zukunft bündeln. Und zwar für die EM in Barcelona in zwei Jahren. Sie hat einen hohen Stellenwert bei mir.“
Beste Erinnerungen ans Olympiastadion
Das Olympiastadion der Sommerspiele 1992 liegt Marta Dominguez am Herzen – nicht nur weil es auf dem knapp 200 Meter hohen Berg „Montjuïc“ über der katalanischen Hauptstadt liegt und damit das Dach von Barcelona bildet. Dort stellte Marta Dominguez in diesem Sommer in 9:21:76 Minuten ihre Bestleistung und einen neuen spanischen Rekord über 3000 Meter Hindernis auf. „Dieses Meeting im Juli war eine angenehme Überraschung. Alles war so gut organisiert, weswegen ich davon ausgehe, dass auch Barcelona 2010 ein Erfolg werden wird.“
Zwar müsse sie jetzt von Jahr zu Jahr denken, wie Marta Dominguez sagt, trotzdem bekennt sie sich zur EM in ihrem Heimatland. „Ich habe damals die Olympischen Spiele 1992 im Fernsehen gesehen. In einem vollen Olympiastadion zu laufen muss wahnsinnig schön sein. Das will ich auch erleben“, sagt Marta Dominguez.
Über die Hindernisstrecke fühlt sich Marta Dominguez wohl - trotz Peking
Mittlerweile hat sich Marta Dominguez voll auf die Hindernistrecke spezialisiert. „Ich denke, dass dies momentan meine beste Distanz ist“, sagt die Spanierin und ergänzt: „Ich habe viele Jahre lang eine Disziplin gesucht, bei der ich solche Gefühle erleben kann. Jetzt habe ich sie gefunden.“ Was genau Marta Dominguez damit meint? Vielleicht hat sie ja ihr Rennen in Peking gemeint. Vielleicht hat ihr der Sturz gezeigt, dass es gut ist, mal oben und mal unten zu sein. Unten war sie, auf allen Vieren war sie, und ihr Stirnband hatte sie kurzzeitig verloren – nun will sie wieder nach oben.