Mit Jana Sussmann ist wieder zu rechnen
Neue Trainerin, neue Trainingsgruppe, neue Motivation. Nach einer Saison voller Enttäuschungen und Rückschläge sprüht Jana Sussmann förmlich vor Lust auf neue Großtaten. „Man kann wieder mit mir rechnen“, sagt die 22 Jahre alte Hindernisläuferin vom Lauf-Team Haspa Marathon Hamburg, „die Ereignisse dieses Jahres haben mich nur stärker gemacht.“ Das augenfälligste Zeichen für den Neuanfang ist die Trennung von Trainer André Prüsmann.
Der 41 Jahre alte A-Lizenz-Inhaber hatte die Winsenerin mehr als vier Jahre lang betreut. Jana Sussmann errang in dieser Zeit ihre größten Erfolge. Platz sieben bei der Junioren-WM 2008 über 1.500 Meter und der kometenhafte Hindernisaufstieg 2011 mit dem deutschen Meistertitel, Silber bei der U23-EM und WM-Start in Daegu (Südkorea) fallen in die Prüsmann-Ära.„Wir hatten gerade eine Phase, in der wir so vertrauensvoll wie nie zusammengearbeitet haben“, fällt es Jana Sussmann sichtlich schwer, über die Trennung zu sprechen, „erst Anfang Oktober im Trainingslager in Mittenwald hat mir André einen Trainingsplan mit neuen Reizen und Zielen vorgestellt, von dem ich absolut überzeugt war.“
Konsequentes Streben nach Professionalisierung
Warum dann jetzt der Trainerwechsel? „In der Summe ist es vor allem die Perspektive, mein Umfeld professioneller zu gestalten“, sagt Jana Sussmann. „Ich möchte näher am Olympiastützpunkt in Hamburg sein, eine Trainingsgruppe auch mit Mädchen in meinem Alter haben und eine sehr gute Trainerin, die immer verfügbar ist.“
Alles das können der Hamburger Leichtathletik-Verband durch die Verpflichtung der Potsdamerin Beate Conrad als Landestrainerin und ihr Verein durch die Verpflichtung der 1.500-Meter-Zwillinge Diana und Elina Sujew (SC Potsdam) bieten. „Ich verstehe mich gut mit Diana und Elina und freue mich auch auf tolle Staffelrennen“, sagt Jana Sussmann, die 2012 als Einzelkämpferin des vor einem Jahr gegründeten Lauf-Teams Haspa Marathon Hamburg agierte.
Mit Trainerwechsel beginnt neuer Lebensabschnitt
Spätestens im Frühjahr möchte die Hindernisspezialistin, die ins Junior-EliteTeam 2016 aufgenommen wurde, von Winsen nach Hamburg umziehen. In ihrer Heimatstadt trainierte sie meist allein, für Tempoläufe standen ihr allenfalls männliche Athleten der LG Nordheide zur Seite. Auch Trainer André Prüsmann konnte durch seinen Schichtdienst als Berufsfeuerwehrmann nicht ständig präsent sein.
Beate Conrad kennt sie aus deren Zeit als U20-Bundestrainerin für den Mittelstreckenbereich. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihr und habe ein warmes Gefühl. Für mich beginnt einer neuer Lebensabschnitt“, ist Jana Sussmann mit sich und ihrer Entscheidung im Reinen. Etwas unglücklich ist sie nur deshalb, weil der angestrebte fließende Übergang vom alten zum neuen Trainer nicht zustande gekommen ist. „Ich bin André sehr dankbar für alles, was wir zusammen erreicht haben“, sagt sie.
Gesundheit stoppte sie auf dem Weg nach London
Die Freiluftsaison 2012 war für Jana Sussmann eine Saison zum Vergessen. Vielschichtige gesundheitliche Probleme hatten sie nie richtig ins Rollen kommen lassen. Als einzige Leistung über 3.000 Meter Hindernis stehen 10:20,18 Minuten (Platz vier) bei den deutschen Meisterschaften in Wattenscheid zu Buche – 37 Sekunden langsamer als die Bestzeit 2011.
Noch immer beschäftigen sich mehrere Ärzte und Heilpraktiker („An so etwas habe ich nicht geglaubt“) mit der Ursachenforschung für plötzliche Atemnot, schlechte Blutwerte und allergische Reaktionen. Seitdem sie jedoch aus ihrer ersten eigenen Wohnung wieder ausgezogen ist, sind zumindest die Atemprobleme wie weggeblasen.
Kurz gehen die Gedanken zurück zu den schweren Stunden, als sie mit ihrer gesamten Familie im Olympiastadion von London (Großbritannien) auf der Tribüne saß und die Hindernisvorläufe verfolgte. „Da kam ein Schwall von Traurigkeit hoch. Ich habe Antje und Gesa bewundert und war doch nicht neidisch, weil auch ich dort hätte stehen können“, versucht Jana Sussmann ihre Emotionen in Worte zu fassen. „Danach habe ich für einen Cappuccino und einen Muffin ewig lang angestanden und ein Vermögen bezahlt, aber es ging mir besser.“
Trainingspensum hochgeschraubt
Hoffnung machten Jana Sussmann bereits die Auftritte über 5.000 Meter (17:18,4 min), 3.000 Meter (9:49,5 min) und 1.500 Meter (4:29,5 min) bei der Laufserie der LG Nordheide im August. Seitdem kann sie ohne Einschränkungen trainieren, hat ihr Pensum auf zehn bis elf Einheiten pro Woche erhöht. Auch die seit Monaten nicht mehr praktizierten 1.000-Meter-Programme spulte sie jüngst problemlos ab.
„Die Leistungsdiagnostik in Leipzig hat mir für den momentanen Zeitpunkt einen guten Stand bescheinigt“, ist die 22-Jährige glücklich. „Die viele kleinen Momente, die mich im ersten Halbjahr noch runtergezogen haben, geben mir jetzt die Überzeugung, dass ich auf dem richtigen Weg bin.“
Im Frühjahr erstmals ins Höhentrainingslager
Nach den Trainingslagern in Mittenwald und Anfang November mit dem DLV-Hinderniskader im Schwarzwald wird Jana Sussmann am 25. November beim Darmstadt-Cross starten. „Mit etwas Glück kann ich mich für die Cross-Europameisterschaften in Budapest qualifizieren“, hofft sie auf einen Start im U23-Team.
Im Januar folgt ein zweiwöchiges Klima-Trainingslager im Monte Gordo (Portugal), danach zwei bis drei Hallen-Wettkämpfe ohne spezielle Vorbereitung und im März eine Premiere. Erstmals wird Jana Sussmann für drei Wochen ein Höhen-Trainingslager beziehen – die Entscheidung für Flagstaff (Arizona) oder Südafrika ist noch nicht gefallen.
Berufliche Neuorientierung steht an
Die Reise wird sie als frisch gebackene Bankkauffrau antreten. Denn nach den schriftlichen Prüfungen in zwei Wochen schließt sie ihre speziell auf Leistungssportler abgestimmte Ausbildung bei der Hamburger Sparkasse (Haspa) Ende Januar mit der mündlichen Prüfung ab, in der ein Beratungsgespräch zu simulieren ist.
Die Übernahme in das Angestelltenverhältnis mit deutlich reduzierter Stundenzahl ist ebenso eine Option wie der Studiengang Medien und Information an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg. „Ich tendiere zum Studium“, sagt der Blondschopf, der eine Verpflichtung als Sportsoldatin oder Bundespolizistin ausschließt. „Das passt einfach nicht zu mir.“
Gutes Gefühl wichtiger als konkrete Zeiten
Für die Leichtathletiksaison 2013 setzt sich Jana Sussmann keine allzu hohen Ziele. „Für mich ist es erst einmal wichtig, schnell zu laufen und sich dabei gut zu fühlen“, beschreibt sie das Streben nach diesem lange vermissten Gefühl, das sie „Flow“ nennt. Richtungweisend für die gesamte Saison werde der erste Hindernislauf sein.
Die starke nationale Konkurrenz mit Antje Möldner-Schmidt, Gesa-Felicitas Krause, Sanaa Koubaa und der aufstrebenden Maya Rehberg sieht sie mit Blick auf die Leichtathletik-WM 2013 in Moskau (Russland) positiv. „Damit haben wir auch innerhalb Deutschlands starke Rennen“, sagt Jana Sussmann, „ich werde keiner Konkurrentin aus dem Weg gehen.“