Silke Spiegelburg – Last Minute nach Athen
Nach dem enttäuschenden Abschneiden bei den Jugendmeisterschaften in Jena und der Nichtnominierung für die Junioren-Weltmeisterschaften in Grosseto wollte Silke Spiegelburg nur noch eins, mit den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig die Saison abschließen und dann Last Minute in die Ferien fliegen. Jetzt ist alles anders gekommen. Die Stabhochspringerin vom TV Lengerich wurde völlig überraschend mit 4,40 Metern deutsche Vizemeisterin und fliegt jetzt in letzter Minute zu den Olympischen Spielen nach Athen.
In Braunschweig katapultierte sich Silke Spiegelburg nach Athen (Foto: Kiefner)
Ein Wechselbad der Gefühle hatte die Schülerin in der Woche zuvor durchgemacht, war sie doch als sichere Kandidatin für Junioren-Weltmeisterschaften im italienischem Grosseto, zu den Jugendtitelkämpfen nach Jena angereist. Dort sprang sie sich jedoch mit einem dritten Platz aus dem Team. Obwohl sie mit 4,33 Metern weiterhin beste deutsche Nachwuchsspringerin war und vorher ein wichtiges Kriterium, die Bauhaus DLV-Junioren-Gala in Mannheim, gewonnen hatte, wog das Meisterschaftsergebnis schwerer und der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) vergab die Tickets an die Erst- und Zweitplatzierte, Anna Schultze und Lisa Ryshich.Zu passiv verhalten vor Jena
"Wir haben uns zu passiv verhalten", analysierte Ansgar Spiegelburg, Vater und Trainer von der Junioren-Europameisterin des letzten Jahres, die Situation im Rückblick, "ein zweiter oder dritter Platz in Jena würde schon reichen, hatten wir gehört." Während Anna Schultze und Lisa Ryshich angriffen, fühlte sich Silke Spiegelburg wie die Gejagte und scheiterte schließlich an ihren Nerven.
Auf der Rückfahrt nach Lengerich erfuhren sie dann von der Entscheidung der mehrstündigen Nominierungsdiskussion und akzeptierten sie sportlich fair. "Natürlich war ich traurig und wütend, aber ich war schon mal bei einer Junioren-Weltmeisterschaft, das habe ich alles schon mal erlebt", erklärte Silke Spiegelburg später, verdaute schnell den Ärger und freute sich auf die neu gewonnene Startgelegenheit in der Frauenkonkurrenz bei den Titelkämpfen in Braunschweig. 2001 hatte sie hier ihre erste deutsche Meisterschaft als B-Jugendliche im Stabhochsprung gewonnen, also beste Erinnerungen.
Unbeschwert wollte Silke Spiegelburg auftreten, einen schönen Wettkampf machen: "Ich hatte nichts zu verlieren." Da passierte ihrem Bruder, Richard Spiegelburg ein ähnliches Malheur als ihr in Jena. Schon als fast sicherer Olympiakandidat gehandelt schied er frühzeitig aus und musste trotz erfüllter Norm Danny Ecker, Lars Börgeling und Tim Lobinger den Vortritt lassen.
Plötzlich nur noch zu zweit
Silke Spiegelburg machte dagegen am nächsten Tag alles richtig. Ansgar Spiegelburg konnte bei 4,20 Metern wieder das "Funkeln in ihren Augen sehen" und ermutigte sie, die härteren "Hochleistungs-Stäbe" und höhere Griffhöhen zu nehmen. Die übernächste Höhe von 4,30 Meter schafften nur noch sie und Carolin Hingst, dann lag die Olympianorm von 4,40 Meter auf.
"Da waren wir plötzlich nur noch zu zweit, ich habe gedacht, dass ist jetzt ein Traum und bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut", meinte die Vizemeisterin später, nachdem sie ganz cool beim ZDF ihr erstes Fernseh-Interview gegeben hatte.
Im zweiten Versuch nahm sie die 4,40 Meter und schwärmte noch Stunden später, das sei einer ihrer schönsten Sprünge gewesen, "so schön rund und technisch auch nicht schlecht." Ironie des Schicksals. Die selbe Vorgabe, welche ihr in Jena zum Verhängnis wurde, half ihr in Braunschweig auf den Olympiazug, denn der zweite Platz wog auch hier schwerer als die Vorleistung der Fünftplazierten Nastja Ryshich, die in dieser Saison einen Zentimeter höher gesprungen war.
Lisa statt Silke, Silke statt Nastja
Pikant auch: Hatte nach Jena Lisa Ryshich, die Schwester von Nastja, für die Junioren-WM den Vorzug vor Silke Spiegelburg bekommen, war es nun Silke Spiegelburg, die in Braunschweig ausgerechnet Nastja Ryshich ausstach.
Vorbehaltlich des DLV-Vorschlags und der NOK-Entscheidung zur Olympia-Nominierung hat, wird Silke Spiegelburg nun das live erleben, was sie bisher nur allzu gerne auf Videokassetten gebannt hatte – Eröffnungs- und Abschlussfeiern von Olympischen Spielen. "Die von Sydney habe ich immer noch", verrät sie freudestrahlend.
Ihr Vater versucht währenddessen Abstand zu gewinnen und mit der neuen Situation klar zu kommen, schließlich gilt es die Tochter auf ein olympisches Finale vorzubereiten, mit seinen ganz eigenen Gesetzen. Eine Schülerin aus Lengerich in Westfalen wird dort die Stäbe mit ausgebufften Athletinnen wie Svetlana Feofanova oder Stacy Dragila kreuzen und solche Aufnahmen machen sich doch bestimmt gut zwischen Eröffnungs- und Abschlussfeier auf einer Videokassette.