Mo Farah wartet auf London 2012
Aufgewachsen in Somalia und zur Leichtathletik gekommen in Großbritannien. Als einer der Mit-Favoriten ging Mo Farah (Großbritannien) bei den Olympischen Spielen in Peking (China) über 5.000 Meter an den Start, schied dort aber als Sechster seines Vorlaufs enttäuscht aus. Doch der 25-Jährige kam zurück. Stärker denn je. Innerhalb von nur drei Wochen verbesserte er in diesem Winter zweimal den britischen Hallenrekord über 3.000 Meter.
Es ist Mittwoch, der 20. August 2008. Im Pekinger Vogelnest läuft der zweite Vorlauf über 5.000 Meter der Männer. Die Favoriten für den Einzug in das Olympische Finale scheinen klar: Edwin Cheruiyot Soi (Kenia), Moses Kipsiro (Uganda), Abreham Cherkos (Äthiopien) und Mo Farah (Großbritannien). Während sich die drei Erstgenannten souverän durchsetzen bleibt einer auf der Strecke - Mo Farah. Die britische Laufhoffnung verliert in einem langsamen Rennen auf den letzten 1.000 Metern den Anschluss und überquert als Sechster die Ziellinie. 13:50,95 Minuten. Zu langsam. Am Ende fehlen 2,07 Sekunden für den fest geplanten Einzug ins Finale."Ich war am Boden zerstört", sagt Mo Farah rückblickend. "Die Leute haben mir gesagt, dass es immer ein nächstes Mal gibt, aber ich meine, es sind vier Jahre. Man schaue sich Paula Radcliffe an. Sie wartete vier Jahre und war dann verletzt." Den Grund für das Ausscheiden hat der 25-Jährige schnell gefunden. "Ich war übertrainiert. Meine Beine waren einfach müde. Es kam nichts, als ich antreten wollte", sagt Mo Farah.
Schwierige Kindheit
Mo Farah ist am 23. März 1983 in Mogadishu (Somalia) geboren und dann in Djibouti (Somalia) aufgewachsen. Im Alter von neun Jahren ging er dann nach Großbritannien, ohne auch nur ein Wort Englisch zu sprechen oder zu verstehen. An seinem ersten Schultag wurde er von seinen Mitschülern verprügelt. "Da kam ein Typ auf mich zu und hat mir ein blaues Auge verpasst, aber ich habe mich gewehrt und zurückgeschlagen", sagt Mo Farah, dessen größter Wunsch es damals war, später einmal für den Fußballclub FC Arsenal London zu spielen.
Auch heute noch ist Mo Farah ein großer Fan der Gunners und geht, wann immer es ihm möglich ist, ins Emirates Stadium, um dort sein Team zu unterstützen.
Der Beginn der Laufkarriere
Zur Leichtathletik kam Mo Farah erst recht spät. Sein Lehrer Alan Watkinson brachte ihn zum Laufen. Als er dann im Alter von 15 Jahren nach Florida zu einem Wettkampf fuhr, stellte er fest, dass ihm die Leichtathletik eine interessante Karriere bieten könnte.
Wie viele Leichtathleten wurde Mo Farah dabei von Großbritanniens goldener Vergangenheit motiviert. So schaut er sich heute noch regelmäßig Videos von Steve Cram oder Brendan Foster an. Steve Cram lief im Jahr 1985 als erster Mensch die 1.500 Meter unter 3:30 Minuten (3:29,67 min). Brendan Foster war einer der dominierenden Langstreckenläufer in den Siebziger Jahren und feierte mit der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Melbourne (Australien) im Jahr 1976 über 10.000 Meter seinen größten Erfolg.
"Wann immer ich frustriert oder enttäuscht bin, suche ich auf YouTube nach Videos von den beiden oder schaue mir den Zweikampf zwischen Haile Gebrselassie und Paul Tergat bei den Olympischen Spielen über 10.000 Meter in Sydney an. Das motiviert mich ungemein", sagt Mo Farah.
Der Durchbruch
Der endgültige Durchbruch auf sportlicher Ebene gelang Mo Farah im Jahr 2006. In Heusden (Belgien) verbesserte er seine 5.000 Meter-Bestzeit um mehr als 20 Sekunden und lief in 13:09,40 Minuten die zweitschnellste Zeit eines Briten. Kurze Zeit später holte er sich bei den Europameisterschaften in Göteborg (Schweden) die Silbermedaille über jene Distanz.
Kurz vor dem Finale hatte er noch einen Tipp von Paula Radcliffe (Großbritannien) bekommen. "Sei mutig", gab die Marathon-Weltrekordhalterin ihm mit auf den Weg.
Im Dezember gewann er dann noch Gold bei den Cross-Europameisterschaften in San Giorgio (Italien) und wurde unter anderem dafür als Großbritanniens "Leichtathlet des Jahres 2006" ausgezeichnet.
Platz sechs in Osaka
Als Mo Farah 2007 bei den Weltmeisterschaften in Osaka (Japan) Sechster über 5.000 Meter wurde, schien er endgültig in die Sphäre der afrikanischen Läufer eingedrungen zu sein und galt fortan als Medaillenkandidat für die Olympischen Spiele 2008.
Daraus wurde jedoch nichts. Peking wurde nicht der Höhe-, sondern der Tiefpunkt in der Karriere des Mo Farah. Doch anstatt in Selbstmitleid zu verfallen, beschloss der 25-Jährige stärker zurück zu kommen als zuvor.
Zwei Wochen nach den Olympischen Spielen in Peking ging er beim Golden League-Meeting in Brüssel (Belgien) an den Start und lief 42 Sekunden schneller als in Peking. Im Dezember folgte die Silbermedaille bei den Cross-Europameisterschaften in Brüssel (Belgien), wo er nur vom achtmaligen Cross-Europameister Serhiy Lebid (Ukraine) geschlagen wurde.
Training in Äthiopien
Nach der Cross-EM flog Mo Farah zu Trainingslagern nach Kenia und Äthiopien, wo er unter anderen mit Haile Gebrselassie (Äthiopien) trainierte und mit ihm auch das ein oder andere Fest feierte. "Ich habe ihm ein paar Tanzbewegungen beigebracht", sagt Mo Farah.
Im Vergleich zu vielen Experten weiß Mo Farah genau, warum die afrikanischen Läufer die Laufszene dominieren. Die Antwort ist so kurz wie einfach: "In Afrika essen, trainieren und schlafen die Läufer. Das ist alles. Sie laufen um der Armut zu entfliehen. Die Angst läuft immer mit, da sie befürchten, dass sie alles verlieren, wenn sie schlecht laufen. Hier in Europa ist alles viel komfortabler und komplizierter. Wenn man hier verliert, geht die Welt trotzdem nicht unter."
Zwei britische Rekorde in der Halle
Das Trainingslager in Afrika ist Mo Farah gut bekommen. Am 31. Januar diesen Jahres stellte er beim Hallen-Ländervergleichskampf in Glasgow (Schottland) in 7:40,99 Minuten im Alleingang einen neuen britischen Hallenrekord über 3.000 Meter auf. Eine Marke, die nicht lange halten sollte. 21 Tage später pulverisierte Mo Farah beim Hallen-Meeting in Birmingham (Großbritannien) seine Zeit nochmals um mehr als sechs Sekunden (7:34,47 min).
Damit reist er als großer Favorit zu den Hallen-Europameisterschaften in Turin (Italien; 6. bis 8. März). Dort will Mo Farah, der zusammen mit anderen Leichtathleten in einer WG in Twickenham (Großbritannien) wohnt, die Gold-Medaille gewinnen. Es wäre ein Trost für das verpasste olympische Finale, wenn auch nur ein kleiner. Aber die Olympischen Spiele 2012 in der Heimat, in London, sind auch nicht mehr weit. Mo Farah wäre dann 29 und im besten Laufalter.