Monika Gradzki - Auf dem Weg nach oben
Wenn Monika Gradzki beschreiben soll, wie sie nach Feierabend den beruflichen Stress wegsteckt und sich wieder aufbaut, dann klingt das ungefähr so: Ich zieh mich schnell um und geh trainieren." Das ist ihr Patentrezept. Danach", weiß sie aus Erfahrung, fühl ich mich sofort viel besser." Laufen ist ihr Hobby.
Monika Gradzki liegt auf Lauerposition (Foto: Hörnemann)
Mehr noch: Mit gerade mal 23 Jahren zählt Monika Gradzki zu den jungen Wilden, jenen hoffnungsvollen Nachwuchstalenten, die die deutsche Leichtathletik-Szene dringender denn je benötigt. Ihre Spezialität sind die 800 Meter. Ihre Bestzeit lautet 2:01,43 Minuten. Hoppla, das ist verdammt flott! Ja, ja", bestätigt Tono Kirschbaum, ihr Trainer beim TV Wattenscheid 01, sie ist gut drauf." Er betreut das zierliche Persönchen, das sich inmitten einer Männer-Gesellschaft frei geboxt hat. Sie ist jung, aber schon sehr selbstbewusst und behauptet sich mühelos in unserer männerlastigen Gruppe", berichtet Tono Kirschbaum, sie weiß, was sie will."
Und beim Sportfest in Rehlingen will Monika Gradzki zeigen, dass ihre Bestzeit, aufgestellt vor einer Woche in Hengelo, kein bloßer Zufallstreffer war. "Eine weitere Steigerung", so der Coach, "trau ich ihr durchaus zu."
Gebürtig aus Polen
Monika Gradzki kann sich ein leises Schmunzeln nicht verkneifen. Ich bin halt ein ehrgeiziger Typ", sagt sie und erinnert sich an die zarten Anfänge ihrer Karriere: Mit zwölf hab ich beim MSV Duisburg begonnen." Dort ist sie aufgewachsen.
Ich komme gebürtig aus Stuhm. Das liegt in Polen. Als ich neun war, sind meine Eltern ausgewandert." Deutschland wurde ihre Wahlheimat und Duisburg ihr zweites Zuhause. Beim MSV habe ich damals alles ausprobiert: Sprint, Hochsprung, Dreisprung", blickt sie zurück, am meisten Spaß bereiteten mir jedoch die 800 Meter." Im Training absolviert Monika Gradzki Distanzen wie die 5000 Meter und mehr ohne besondere Probleme, im Wettkampf tendiert sie weiterhin zu den 800 oder gelegentlich auch zu den 1500 Metern.
Im Frühjahr, als die Wattenscheider ihr Trainingslager auf der Nordseeinsel Texel aufgeschlagen hatten, feilte sie an ihrer Ausdauer. An die 80 Kilometer in der Woche sind dabei herausgekommen", bemerkt Tono Kirschbaum, sonst sind es so um die 50 Kilometer." Der Aufwand hat sich gelohnt, denn in Hengelo lief sie "Hausrekord" mit 2:01,43 Minuten.
Paris lockt
Die WM-Norm liegt bei blanken zwei Minuten. Davon ist sie noch ein Stück entfernt. Doch Tono Kirschbaum macht ihr Hoffnung: "Man soll nie nie sagen." Paris ist ein verlockendes Fernziel. Dafür trainiert sie. Tagein und tagaus. Bei Wind und Wetter. Mal in Duisburg-Meiderich, wo sie am Rhein-Herne-Kanal entlang ihre Dauerläufe macht, oder in Wattenscheid, wo sie unter der Regie von Tono Kirschbaum die Tempoeinheiten bewältigt.
Der Spagat, den sie angesichts des beruflichen Alltags und den sportlichen Ambitionen freiwillig auf sich nimmt, ist ihr bisher prima gelungen. Bei Siemens in Duisburg hat sie eine Ausbildung als Technische Zeichnerin absolviert. Der Arbeitgeber ist sehr kooperativ und stellt mich frei für meine Wettkämpfe." Das ist heutzutage längst nicht selbstverständlich. Meine Vorgesetzten sind sehr verständnisvoll." Sie hat einen Halbtagsjob, kann dadurch besser trainieren, denn ohne diese großzügige Unterstützung könnte sie den Hochleistungssport glatt vergessen.
Die Kollegen fiebern auch immer mit, wenn Monika Gradzki von Rennen zu Rennen eilt, wie jetzt in Rehlingen, wo unter anderem ihre nationalen Konkurrentinnen Ivonne Teichmann und Anja Knippel starten. Auch die Eltern sitzen meist vor der Flimmerkiste und drücken ihrer Tochter fest, ganz fest die Daumen. Früher, als ich noch keinen Führerschein hatte, hat mein Vater immer Chauffeur gespielt", sagt sie und grinst, davon ist er mittlerweile erlöst."
Vom Freund begleitet
Dafür wird sie nun regelmäßig von ihrem Freund begleitet. Holger Merl ist auch Läufer beim TV Wattenscheid 01. Er bevorzugt die langen Strecken. Manchmal trainieren wir auch zusammen. Aber nur bei ruhigen Dauerläufen, denn er ist ja viel schneller." Dafür sind sie in ihrer kargen Freizeit häufig beisammen, gehen bummeln oder ins Kino.
Am liebsten schau ich mir Filme an, in denen Till Schweiger mitspielt." Wenn Monika Gradzki, die deutsche Hallen-Vizemeisterin, mehr Zeit hätte, wäre sie noch häufiger im Kino anzutreffen. Wenn man sich voll und ganz auf den Sport konzentrieren will, bleibt für andere Sachen halt wenig Freiraum übrig." Das stört sie nicht. Denn momentan kann sie sich ein Leben ohne Laufen kaum vorstellen.
Ulrich Hörnemann