Nach Hochwasser: Jenas Athleten improvisieren
Das Hochwasser stellt Jenas Leichtathleten auch nach seinem Verschwinden noch auf eine harte Probe. Material und Anlagen sind unbenutzbar. Die Sportler üben sich in Improvisation.
Statt Sand fanden sie Fischkadaver in der Hürdengrube. Das weichende Saale-Hochwasser brachte für Jenas Leichtathleten dieser Tage viel Unschönes zum Vorschein. "Kaum vorstellbar, dass hier in ein paar Wochen wieder trainiert werden kann", sagte Dreispringerin Katja Demut im dpa-Gespräch und war sichtlich um Fassung bemüht.Die Anlagen im Ernst-Abbe-Sportfeld scheinen zwar nicht nachhaltig beschädigt zu sein. Dennoch wird es Zeit brauchen, bis sich Trainings- und Wettkampfbetrieb beim Leichtathletik-Club Jena wieder normalisieren. Zwischenzeitlich hatte sogar das Aus des Vereins im Raum gestanden.
Schlimm steht es vor allem um die Geräte, die in den Regalen von Wurfhaus und Laufhalle vermeintlich sicher gelagert waren. "Alle Vorsicht hilft nicht, wenn das Wasser über einen Meter hoch im Gebäude steht", sagte LCJ-Vorstandsmitglied Rico May sichtlich frustriert. Vor den Materialschäden war den Thüringern schon das abgesagte nationale Meeting teuer zu stehen gekommen: Ein Drittel fehlte plötzlich im Gesamt-Etat.
Große Hilfsbereitschaft
Erfreulich ist da, dass die über das Internet ins Leben gerufene Spendenaktion Anklang gefunden hat. "Wir sind gerührt über die große Anteilnahme", erklärt May. Bundesweit wie regional hätten Eltern und Firmen bereits Geld überwiesen und Vereine Geräte angeboten. "All das wird uns langfristig helfen", meint er. Zumindest um ihre Zukunft müsse Jenas Leichtathletik nun nicht mehr bangen, sagt May. Es liege aber auch noch Einiges im Argen.
Besser gesagt im Wasser. Speere, Kugeln, Hämmer, Disken mit Holzkern und Metallmantel fangen langsam zu rosten an. In Summe sind es gut 200 Geräte – darunter Speere, bei denen ein besserer mitunter tausend Euro kosten kann. Doch das Gelände, auf dem das Wurfhaus steht, gleicht einer Sumpflandschaft. Drinnen steht das Wasser noch. Bisher hatten die Sportler keine Möglichkeit, das Material auszuräumen.
Zumindest die Laufbahn ist nicht kaputtgegangen. Sonst blau leuchtend, staubt sie nun braun bei jedem Schritt, auch wenn der Regen der vergangenen Tage schon etlichen Schlamm fortgespült hat. Glaubt man Gunnar Poschmann, dem Pressesprecher der zuständigen Kommunalen Immobilien Jena (KIJ), soll sie nach einer ausgiebigen Grundreinigung wieder nutzbar sein.
Ausweichen in die Umgebung Unterdessen sind Jenas Hochleistungssportler um Dreispringerin Demut und Speerwerfer Thomas Röhler aushilfsweise im Erfurter Steigerwald untergekommen. Die Schüler dagegen pendeln nach Stadtroda und Eisenberg, um sich auf ihre Meisterschaften vorzubereiten.
Die Sportler sind um Improvisation bemüht, damit sich Trainingsreisen über 120 Kilometer in Grenzen halten. "Der Kraftraum und die kleine Halle am Sportforum sind uns ja zum Glück erhalten geblieben", erklärt Röhler mit gequältem Lächeln. "Wir versuchen das Beste daraus zu machen."
Thomas Röhler: Glück im Unglück
Für ihn heißt das konkret: Sprints auf 20 statt 60 Metern, Werfen mit Ball statt Speer. Dazu nimmt der Sportstudent zweimal wöchentlich die Fahrt in Kauf – und ist damit noch glimpflich davongekommen, wie er selber findet. Mit 83,95 Metern beim Dessauer Meeting hat er sich schon erfolgreich für die Weltmeisterschaft in Moskau im August beworben. Den Wettkampfspeer hatte er zu Hause, als das Wasser kam.
"Die Sprintmädels hat es aber noch viel schlimmer getroffen. Die fahren täglich, um überhaupt trainieren zu können", erzählt Röhler. Auf den Rasenplätzen im heimischen Sportfeld schwimmen derweil noch immer die Enten.
All das zehrt an den Nerven - selbst bei Röhler, der akut zumindest keinen Normen nacheifern muss. "Im Training sind gerade alle schlecht gelaunt", gibt Röhler zu, "keiner weiß, wie lange das noch gehen soll." Die Anlagen jedenfalls werden erst wieder nutzbar sein, wenn das Wasser sich vollständig zurückgezogen hat. Das kann angesichts des rundum gesättigten Bodens nach Einschätzung von KIJ-Sprecher Poschmann aber noch einige Wochen dauern.
Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)