Nadine Hildebrand: "Es zählen Läufe mit Schuss"
In 8,05 und 8,00 Sekunden erfüllte Hürdensprinterin Nadine Hildebrand (VfL Sindelfingen) am Wochenende bei den Baden-Württembergischen Titelkämpfen gleich zweifach die Norm (8,05 sec) für die Hallen-WM in Sopot (Polen; 7. bis 9. März). Damit rückte sie nicht nur ihrem Saisonziel, einer Zeit von unter acht Sekunden, ganz nahe, der Saisonstart gibt auch Selbstvertrauen für das EM-Jahr. Mit leichtathletik.de sprach sie über ihre sportlichen Ziele und berufliche Entwicklung.
Nadine Hildebrand, gleich zweimal haben Sie in der Karlsruher Europahalle die WM-Norm geknackt. Ein Saisonstart nach Maß?Nadine Hildebrand:
Ja, ich bin sehr zufrieden. Dass etwas gehen könnte, hatte ich im Gefühl. Von den Zeiten bin ich aber doch etwas überrascht. Ich hätte auch mit einer 8,10er-Zeit zum Auftakt sehr gut leben können.
Sie haben bereits am ersten Wettkampftag über die flache Sprintstrecke eine persönliche Bestzeit aufgestellt. Die Trainingsleistungen und die Zubringerwerte scheinen zu stimmen.
Nadine Hildebrand:
Das stimmt. Ich habe gut trainiert, aber nicht unbedingt so, dass ich diese schnellen Zeiten direkt hätte erwarten können. Mein Trainer sagt mir natürlich die Trainingszeiten, aber mit denen kann ich nicht immer so viel anfangen. Entscheidend sind Läufe mit Schuss. Trainingsleistungen sind das Eine, aber letztendlich zählt nur der Wettkampf.
Und in dem konnten Sie sich nach der WM-Norm im Vorlauf im Finale sogar noch einmal steigern...
Nadine Hildebrand:
Nach dem ersten Lauf hatte ich da so meine Bedenken. Natürlich wollte ich diese Leistung unbedingt noch einmal wiederholen, habe aber gefürchtet, dass mir die dafür notwendige Lockerheit fehlen könnte. Komischerweise habe ich vor dem ersten Lauf viel weniger Druck verspürt als vor dem Zweiten.
Lag das vielleicht auch an der fehlenden Konkurrenz?
Nadine Hildebrand:
Nein, das denke ich nicht. Im Hürdensprint muss ich ohnehin mein Rennen machen und voll konzentriert sein. Der Vorteil bei kleineren Rennen ist, dass ich nicht den Druck habe, sofort immer Topleistungen abliefern zu müssen. Trotzdem laufe ich natürlich lieber gegen starke Konkurrenz.
Nun haben Sie die WM-Norm bereits nach zwei Läufen in der Tasche. Wie wirkt sich das auf ihre Trainings- und Wettkampfplanung aus?
Nadine Hildebrand:
Erst einmal sehr gering. Die Planung bis zu den Deutschen Meisterschaften stand ohnehin schon fest. Natürlich nimmt die frühe Norm-Erfüllung einen gewissen Druck. Nun kann ich etwas lockerer an die Wettkämpf gehen und mich darauf konzentrieren, schnell zu laufen. Die Schwierigkeit in der Wettkampfplanung, genügend Hürdenrennen zu finden, bestand schon vor Saisonbeginn und ist sicherlich auch weiterhin ein Problem. Einige Veranstalter haben die Hürden aus dem Programm genommen. Deshalb versuche ich jede Startgelegenheit wahrzunehmen, auch die „kleineren“ Rennen. Andererseits wäre es natürlich übertrieben, für ein Meeting beispielsweise nach Moskau zu fliegen, nur um Wettkampfpraxis zu sammeln. Da stünden Aufwand und Ertrag nicht im Verhältnis.
„Aufwand“ ist ein gutes Stichwort. Sie sind mittlerweile berufstätig. Wie lässt sich das zeitlich mit Ihrem Training vereinbaren?
Nadine Hildebrand:
Ich arbeite halbtags als Rechtsanwältin in einer Kanzlei. Das heißt, dass ich in der Regel gegen Mittag zuhause bin und vor dem Training noch ein wenig entspannen kann. Natürlich gibt es auch Tage, an denen ich mal länger bleiben muss. Die Gerichtstermine kann ich mir nicht immer aussuchen. Dann wird es gelegentlich schon etwas schwierig, das Training zu verlegen.
Aber dieses Risiko nehmen Sie in Kauf?
Nadine Hildebrand:
Klar, mein Kühlschrank füllt sich schließlich auch nicht von alleine. Aber wenn es einmal eng wird, dann ist mein Chef auch sehr kulant. Dann kann ich mir schon auch einmal außerplanmäßig frei nehmen. Nur bekomme ich für diese Zeit natürlich auch kein Geld. Deshalb plane ich so gut wie möglich, um mich auf die entscheidenden Rennen voll fokussieren zu können. Natürlich geht auch ein Teil des Jahresurlaubes für Trainingslager und Lehrgänge drauf, aber das ist eben so.
Die Arbeit empfinden Sie also nicht unbedingt als Zusatzbelastung?
Nadine Hildebrand:
Nein, im Gegenteil. Ich brauche auch neben dem Sport etwas zu tun. Ich hätte auch absolut kein Problem damit, die Woche vor den Weltmeisterschaften zu arbeiten. Wenn ich den ganzen Tag nur an den Hürdenlauf denken müsste, würde ich verrückt werden. Als ich nach meinem Studium ein halbes Jahr auf Jobsuche war, habe ich mir selbst italienisch beigebracht, weil ich eine Beschäftigung gebraucht habe. Einfach nichts machen, das kann ich nicht.
Zeit, eine weitere Sprache zu lernen, bleibt Ihnen bis zur Hallen-WM kaum. Wie sieht Ihre sportliche Planung bis dahin aus?
Nadine Hildebrand:
Ich werde am kommenden Wochenende bei den Süddeutschen Meisterschaften in Karlsruhe an den Start gegen. Anschließend stehen noch das internationale Hallen-Meeting [ebenfalls in Karlsruhe; Anm. d. Red.] und ein weiteres Meeting in Sindelfingen auf dem Plan. Falls es mir bis dahin nicht gelungen ist, würde ich gerne bei den Deutschen Meisterschaften Bestzeit laufen. Schließlich läuft man die ja nicht im ersten Saisonrennen. Zumindest wenn, alles nach Plan läuft (lacht).
Bestzeit hieße dann auch, die 8-Sekunden-Marke zu knacken.
Nadine Hildebrand:
Genau. Das war ohnehin mein Saisonziel. Dass ich nun schon im ersten Wettkampf so nahe heran gekommen bin, stimmt mich zuversichtlich.
Unter Acht Sekunden zu laufen, wird wohl auch bei der Hallen-WM in Sopot notwendig sein, um ins Halbfinale oder gar ins Finale vorzustoßen.
Nadine Hildebrand:
Das sehe ich genauso. Was Platzierungen angeht mache ich mir im Hinblick auf die Hallen-WM allerdings keine Illusionen. Man muss da schon verdammt schnell laufen, um vorne dabei zu sein. Ich werde versuchen, eine Bestzeit zu laufen und um alles Weitere kümmert sich mein Trainer.
Nach der Hallen-WM ist, zugegeben mit einigem Abstand, gewissermaßen vor der Freiluft-EM. Haben Sie Zürich als Fernziel bereits ins Auge gefasst?
Nadine Hildebrand:
Auf jeden Fall! Zürich gehört ja quasi noch zu Stuttgart und Region (lacht). Das müsste ich fast noch Heimvorteil haben, oder? Aber ganz im Ernst - die kurzen Anreisewege sind natürlich sehr angenehm. Außerdem bin ich schon in Zürich gelaufen und habe sehr gute Erinnerungen daran. Auch wenn es bis dahin noch eine ganze Weile hin ist, freue ich mich schon unglaublich darauf.
In anderen Disziplinen wird ein EM-Jahr auch gerne als Übergangsjahr bezeichnet. Sehen Sie als Hürdensprinterin das genauso?
Nadine Hildebrand:
Ich denke, dass speziell im Sprintbereich, also auch im Hürdensprint, ein EM-Jahr eine besondere Bedeutung hat. Ohne die starken Läuferinnen aus den USA und Jamaika ergibt sich eine ganz neue Konstellation. Da besteht durchaus die Chance, vorne mitzulaufen. Aber auch dafür muss man sehr schnell sein, denn Konkurrenz gibt es auch in Europa zu Genüge. Klar ist jedoch, eine EM eröffnet immer Möglichkeiten. Die würde ich gerne nutzen!