| Interview

Nadine Müller: „Diese Medaille ist viel höher einzuschätzen“

Gleich ihr erster Wurf war eine Medaille wert: Nadine Müller (SC DHfK Leipzig) hat am Dienstag mit 65,53 Metern Bronze im Diskuswerfen der WM von Peking (China) gewonnen. Im Interview ordnet sie den Stellenwert dieses Erfolgs ein, spricht von dem harten Weg zurück in die Weltspitze und der Zitterpartie in den Runden zwei bis sechs.
Silke Morrissey

Nadine Müller, 2011 standen Sie schon einmal auf einem WM-Podium. Damals haben Sie Silber geholt, heute gab es Bronze. Welcher Erfolg bedeutet Ihnen mehr?

Nadine Müller:

Die Medaille heute hat für mich einen höheren Stellenwert. Die letzten zwei Jahre waren Seuchenjahre. Im letzten Jahr musste ich verletzungsbedingt kapitulieren und konnte nicht bei der EM starten. Ich musste wieder ganz von vorne anfangen. Das ist natürlich hart, wenn du eigentlich gut drauf bist. Aber die Gesundheit geht vor. Wir haben gesagt, wir lassen das ausheilen, wir lassen da Luft ran. Sich dann wieder zurück zu kämpfen, war hart. Wir haben viel gearbeitet, viel Schweiß gelassen, es sind viele Tränen geflossen. Von daher ist die Medaille heute viel höher einzuschätzen als die von 2011.

Kann man im Nachhinein nun sagen: Sie haben alles richtig gemacht? Gab es daran zwischendurch mal Zweifel?

Nadine Müller:

Wenn man den Fokus auf die Olympischen Spiele richtet, habe ich 2014 alles richtig gemacht. Wenn die Knie nicht mehr wollen – und es waren ja beide, nicht nur eins – und du nicht mehr voll belasten kannst, dann kann ich meinem Körper nicht sagen, du musst das jetzt durchziehen. Die EM ist dafür nicht wichtig genug. Von daher war es gut, dass das 2014 passiert ist und nicht in diesem Jahr. Jetzt haben wir noch ein weiteres Jahr, um zu arbeiten. Da gilt es gesund zu bleiben. Und wenn ich gesund bleibe, dann kann ich auch noch weiter nach vorne kommen.

Wie haben Sie den Wettbewerb nach Ihrem starken ersten Versuch erlebt?

Nadine Müller:

Der erste Versuch war eher locker und unbeschwert – da denkt man noch nicht viel drüber nach. Ich hätte nach den Vorleistungen nicht gedacht, dass er schon für eine Medaille reicht. Danach wollte ich gerne noch einen draufpacken. Wobei der zweite nach einem ersten guten Wurf eigentlich immer beschissen ist – das kann man, denke ich, so stehen lassen, wenn man die Protokolle verfolgt. Daher wollte ich im dritten Versuch weiter werfen, ich hatte mir 66 Meter zum Ziel gesetzt. Das habe ich in einem Stadion bei Meisterschaften noch nicht geschafft. Aber ich habe zu viel gewollt und konnte ab Versuch drei nur hoffen, dass keiner mehr ran kommt.

Wann kam der Gedanke: Heute könnte es mit einer Medaille klappen?

Nadine Müller:

Ich musste bis zum letzten Versuch zittern. Es hätte jeder noch weiter werfen können. Julia hatte einen Guten dabei, der an die 65 Meter war, aber ungültig. Die Australierin Dani Samuels war auch schon Weltmeisterin und weiß, wie das geht, da kann man sich nie sicher sein.

Erstmals seit 1987 standen drei deutsche Diskuswerferinnen im WM-Endkampf. Was bedeutet es Ihnen, dass Sie heute die Beste des DLV-Trios waren?

Nadine Müller:

Nach dem letzten Jahr und auch nach den Deutschen Meisterschaften, bei denen ich Zweite geworden bin, ist es schön, wieder zurück zu sein und wieder als Nummer eins dazustehen.

Bei der Medaillenvergabe war eins besonders auffällig: Der Größenunterschied zwischen Ihnen und der Siegerin aus Kuba Denia Caballero. Was zeichnet die neue Weltmeisterin als Werferin aus?

Nadine Müller:

Die Kubanerinnen sind wahnsinnig schnell im Ring. Die können im richtigen Moment die Hüfte bringen und können richtig draufknallen. Mir würde das mit meinen langen Gliedmaßen gar nichts bringen. Ich muss langsam und ruhig anfangen und ab dem Setzen mit Rechts versuchen, mit der Hüfte draufzugehen und den Arm lang zu lassen. Wenn du da aus dem System kommst, verlierst du den Wurf und du verlierst an Weite.

Im Sport haben Sie zwei Seuchenjahre hinter sich. Privat haben Sie dagegen, so scheint es, mit Hochzeit, Haus und Garten Ihre Erfüllung gefunden. Wie wichtig ist dieser Rückhalt für den Sport?

Nadine Müller:

Die Jahre machen einen ruhiger. Wenn ich an 2007 zurückdenke, da war ich zum ersten Mal bei Weltmeisterschaften dabei, das war eine Zitterpartie, da haben die Beine geschlackert. 2008 war ich nicht dabei, dann Platz sechs 2009 in Berlin. Man kommt da nach und nach rein und wird einfach gelassener, besonders, wenn man dann auch eine Medaille gewonnen hat. Es ist alles viel entspannter geworden. Ich habe viel mehr Sicherheit. Auf mich wartet jemand zuhause, ich habe ein Häuschen, etwas, wohin ich mich zurückziehen kann, das ist extrem wichtig. Dafür bin ich sehr dankbar.

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