Nadine Müllers fast perfektes Jahr
Sie ist groß, schlank, gutaussehend, erfolgreich - Attribute, die man nicht automatisch mit einer Diskuswerferin in Verbindung bringt. Nadine Müller ist auch nicht irgendeine Diskuswerferin, sondern sie ist 2010 mit persönlicher Bestleistung von 67,78 Metern Nummer eins auf der Welt.
Trotzdem hadert die Hallenserin noch heute mit einem Tag, den sie am liebsten aus ihrer Erinnerung streichen würde. Jener Tag, an dem sie als Favoritin im Diskus-Finale der Europameisterschaften von Barcelona (Spanien) stand, und am Ende mit Platz acht (57,78 m) enttäuscht den Ring verließ."Natürlich habe ich noch zwei, drei Wochen mit mir gekappelt, doch inzwischen habe ich zusammen mit meinem Trainer die Saison ausführlich analysiert", sagte die 25-Jährige im DLV-Trainingslager auf Zypern (3. bis 10. Dezember).
Aufmunternde Worte von Franka Dietzsch
Letztlich sei sie am immensen Druck gescheitert. Hinzu kam, dass sie technisch an jenem Tag nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihre Fehler abzustellen. "Schon beim Einwerfen hat nichts funktioniert. Ich konnte mir im Wettkampf keinen Fixpunkt mehr setzen. Es ging alles daneben, doch ich ziehe das Positive daraus und nehme die Erfahrung mit."
Aufmunternde Worte der Neubrandenburger Diskus-Legende Franka Dietzsch haben ihr geholfen, den EM-Auftritt zu verarbeiten. "Mülli, ich hatte zu meiner Zeit auch ein tiefes Loch. Da muss man eben durch. Deswegen ist nicht alles weg", sagte Franka Dietzsch.
Arbeit mit Psychologin
Die Konsequenz aus der Enttäuschung ist, dass Nadine Müller künftig regelmäßig mit einer Psychologin in Halle arbeiten wird. "Ich muss einen Weg finden, mich im Wettkampf besser zu fokussieren." Zusammen mit ihrem Trainer Rene Sack wird die gebürtige Leipzigerin künftig noch genauer auswählen, welche Termine sie wahrnimmt und welche nicht.
"Außerdem werden wir einige Dinge im Training umstellen." So will sie zum Beispiel die Athletik und die Schnelligkeit im Fußgelenk verbessern. Großes Vertrauen setzt sie dabei in ihren Trainer Rene Sack. "Mit ihm kann man wunderbar reden und als Team gesehen, sind wir eine gute Mischung und ergänzen uns perfekt."
Die Prophezeiung traf ein
Der ehemalige Bundestrainer Gerhard Böttcher hatte sie 1997 mit 11 Jahren zum ersten Mal im Training gesehen und prophezeit: "Aus der machen wir was." Damals spielte Nadine Müller noch Basketball, doch sie entwickelte sich rasch zu einer der talentiertesten Diskuswerferinnen Deutschlands.
Sie zählt weder zu den Kraftwerfern, noch zu den Technikwerfern. Vielmehr gelingt ihr bei ihren Würfen die Verbindung von Schnelligkeit, Kraft, Technik auf eine wunderbar graziöse Art.
Sie belegt in diesem Jahr Platz eins in der Weltrangliste, in der europäischen Rangliste und in Deutschland. Unter allen Diskuswerferinnen weltweit hat sie die längsten Beine und längsten Arme. Da sie es versteht, ihre Hebelwirkung optimal zu nutzen, ist sie für ihre Gegnerinnen unberechenbar und kann sich nur selbst schlagen.
Selbstbewusstsein hat nicht gelitten
Der Blick von Nadine Müller ist nach vorne gerichtet, denn 2011 warten die Weltmeisterschaften in Daegu (Südkorea). "Unser Ziel ist es, im kommenden Jahr eine konstante Weite zwischen 65 und 66 Metern anzubieten und bei der WM ins Finale zu kommen und möglichst weit vorne zu landen."
Keine Frage: Ihr Selbstbewusstsein hat nicht gelitten. Der Saisoneinstieg ist für die Winterwurf-Challenge in Sofia (Bulgarien) im März geplant. Ebenso ein zweiwöchiges Trainingslager in Leiria (Portugal) sowie ein zweiwöchiges Trainingslager im April in Zypern mit der gesamten Wurftruppe.
Oft in Kienbaum
Und wenn sie einmal nicht in Sachen Wettkampf und Trainingslager unterwegs ist, dann trifft man sie oft in ihrem "Wohnzimmer" Kienbaum an, wo sie seit zehn Jahren Kraft tankt. "Die Bedingungen dort sind optimal."
Sie sprüht vor Ehrgeiz und deshalb muss sie ihr Trainer manchmal bremsen nach dem Motto: "Weniger ist oft mehr." 2011 möchte sie zeigen, dass sie zu Recht in der Welt ganz vorne steht.