Naide Gomes - Mit Willen gegen Windstärke elf
Weitspringerin Naide Gomes (Portugal) galt bei den Olympischen Spielen in Peking als Topfavoritin auf den Sieg – schließlich reiste sie mit einer Bestweite von 7,12 Meter an. Doch die 29-Jährige scheiterte überraschend in der Qualifikation. „Ich muss das als Lebenslektion sehen“, sagte Naide Gomes und will aus dem Pekingflop lernen: Nach einem Zwischenstopp bei der WM 2009 in Berlin soll der Traum von der Olympiamedaille 2012 endlich wahr werden.
Naide Gomes fängt gerade an, diesen Traum bereits zum vierten Mal zu träumen. Den Traum von einer Olympiamedaille. Bisher wurde sie immer wachgerüttelt – und zwar vor der Siegerehrung.Dabei kann niemand behaupten, die Portugiesin hätte nicht versucht, jede sich ihr bietende Chance zu nutzen. Denn Naide Gomes startete bislang bei drei Olympischen Spielen – und dabei in drei verschiedenen Disziplinen. Im australischen Sydney im Jahr 2000 scheiterte sie über 100 Meter Hürden jedoch bereits im Halbfinale. Vier Jahre später, in Athen (Griechenland), versprach sie sich im Siebenkampf mehr Chancen. Immerhin wurde sie 2004 auch Hallen-Weltmeisterin im Mehrkampf. Doch bei den Sommerspielen reichte es nur zu Platz 13.
Rüde aufgeweckt
Besonders rüde aufgeweckt wurde Naide Gomes im Sommer 2008 in Peking. Es war für sie wohl so, als hätte ihr jemand im Tiefschlaf einen Wassereimer über den Kopf geschüttet. Dieses Mal sollte in ihrer Spezialdisziplin Weitsprung alles klar gehen. Mit einer neuen persönlichen Bestweite von 7,12 Meter sowie dem Hallen-WM-Titel reiste sie an. Naide Gomes war die Topfavoritin auf Gold.
Doch es wurde wieder nichts. Es wurde weniger als nichts. Nach zwei ungültigen Versuchen, die jeweils wohl an die Siebenmetermarke herangegangen waren, schaffte Naide Gomes im dritten Versuch der Qualifikation nur 6,29 Meter. Das bedeutete Platz 16 und das viel zu frühe Aus.
Mit 7,04 Meter holte sich am Ende Maurren Higa Maggi (Brasilien) die Goldmedaille. Und Naide Gomes sagte kurz danach: „Ich hatte zu viel Druck und zu wenig Selbstvertrauen.“ Sie hatte in den letzten Monaten ordentlich was zu verdauen nach den dritten Sommerspielen ohne Medaille. Nun sagte Naide Gomes auf der Webseite iaaf.org: „Ich muss das als Lebenslektion sehen. Ich habe sehr hart gearbeitet, aber am Ende hat es nicht so geklappt, wie ich es mir gewünscht hatte.“
Ratlosigkeit weicht der Gelassenheit
Es scheint nicht so, als habe Naide Gomes eine endgültige Erklärung für ihr Versagen gefunden. Wie auch? Ihre Leistungskurve im Jahr 2008 schwankte wie ein Fischkutter bei Windstärke elf auf dem offenen Ozean. Beim Weltfinale in Stuttgart kurz nach den Olympischen Spielen holte sich die Portugiesin nämlich mit 6,71 Meter schon wieder einen Sieg. Da hilft nur Gelassenheit. „Niemand wird sterben, wenn ich keine olympische Medaille mehr gewinnen werde“, sagte Naide Gomes deswegen, fügte jedoch hinzu: „Ich werde aber noch härter arbeiten, um mein Ziel 2012 in London doch noch zu erreichen.“
Im zweitkleinsten Staat Afrikas, im Inselstaat São Tomé und Principe wurde Naide Gomes geboren. Für ihre damalige Heimat startete sie auch in Sydney. Im Jahr 2001 nahm die Weitspringerin dann die portugiesische Staatsbürgerschaft an – bereits mit elf Jahren war sie in die portugiesische Hauptstadt Lissabon umgezogen. Heute studiert sie neben dem Leistungssport Physiotherapie. Bald stehen die Abschlussprüfungen an.
„Ich denke, dass ich weit über 7,20 Meter fliegen kann“
Ohne Lehrbücher und als Weitspringerin steht in naher Zukunft die WM 2009 in Berlin auf dem Programm. „Auf die Weltmeisterschaft bereite ich mich mit großer Entschiedenheit und großem Willen vor, um in Berlin in guter Verfassung zu sein“, sagte Naide Gomes, für die es bei der WM 2007 auch nur zu Platz vier gereicht hatte – um gerade mal drei Zentimeter verpasste sie Bronze.
„Ich muss jetzt an ein paar technischen Feinheiten arbeiten und meine Schnelligkeit, meine Kraftwerte und meine psychische Stärke verbessern. Und wenn ich die gute Arbeit aus der vergangenen Saison fortsetzen kann, denke ich, dass ich weit über 7,20 Meter fliegen kann.“
Sportlerin des Jahres in Portugal wurde Naide Gomes in dieser Saison, und die Weltjahresbestenliste führt sie mit ihren 7,12 Meter auch souverän an – doch wahrscheinlich würde sie beides sofort gegen die Möglichkeit eintauschen, nochmals in Peking anzutreten. Da das nicht geht, muss Naide Gomes nun vier Jahre warten. Der nächste Traum beginnt.