Naoko Takahashi - Boulder statt Berlin
Wo ist eigentlich Naoko Takahashi? Zweimal in Folge hat sie den Berlin-Marathon, Deutschlands berühmteste Lauf-Veranstaltung, gewonnen. 2001, damals mit neuer Weltbestzeit (2:19:46 h), und 2002 (2:21:48 h). Aber der Hattrick bleibt ihr verwehrt. Warum? Weil die kleine Japanerin mit dem großen Kämpferherzen Olympia-Pläne schmiedet.
Naoko Takahashi fehlt diesmal beim Berlin-Marathon (Foto: Asics)
In Athen will sie ihren Titel verteidigen. Unbedingt! Noch fehlt ihr das Ticket für Athen. Doch in Tokio, dem Qualifikationsrennen am 16. November, möchte die 31-jährige Naoko Takahashi alles klar machen. Dafür trainiert sie. Tagein, tagaus in der Höhenluft von Boulder im US-Bundesstaat Colorado.Nur 35 Meilen westlich von Denver am Fuß der Rocky Mountains liegt das kleine Städtchen Boulder, das in amerikanischen Umfragen immer wieder als eine der drei Städte mit der höchsten Lebensqualität genannt wird. Boulder sei eine "Sports Town", eine Sportler-Stadt, heißt es in einem Reiseprospekt, wer Sport, Outdoor und Casual Lifestyle nicht sein Ding nennt, der habe in Boulder seinen Platz verfehlt.
"Fühl mich gut"
Schon seit Juni weilt Naoko Takahashi in Boulder, um sich gezielt auf ihren Start in Tokio vorzubereiten. "Ich fühl mich gut", sagte sie in einem Interview mit der japanischen Zeitung "Yomiuri Shimbun", "der Wind bläst hier manchmal sehr stark, doch auch beim Rennen kann es windig sein." Das, fügte sie gschwind hinzu, mache ihr nichts aus. Darum wird sie auch in ihrer Heimat liebevoll "Tochter des Windes" gerufen.
In Boulder hat Naoki Takahashi eine 8,3 Kilometer lange Strecke, wo sie fortwährend ihre Runden dreht. Yoshio Koide, der Erfolgscoach, hat ihr ein detailliertes Aufbauprogramm maßgeschneidert. "Momentan arbeiten wir an der Ausdauer", betonte er, "wir sind bei 75 Prozent."
Koide, der auch Masako Chiba betreut, die Dritte beim WM-Marathon in Paris, achtet akribisch genau auf die Dosierung: "Das Wichtigste ist, dass sie sich keine Verletzung einhandelt." Da sei sie sehr anfällig. Denn im vergangenen Dezember habe sie sich beispielsweise eine Stressfraktur zugezogen, die eine WM-Teilnahme ausgeschlossen hat.
Der Sprung auf den Olympia-Zug
Yoshio Koide ist guter Dinge, dass sein ehrgeiziger Schützling in beim "25. International Women's Marathon" in Tokio auf den Olympia-Zug aufspringen wird. Mizuki Noguchi, die in Paris WM-Silber gewonnen hat, ist bereits für Athen nominiert. Bleiben noch zwei von drei Plätzen übrig.
Sollte sich Naoko Takahashi qualifizieren, erwartet Koide in der griechischen Hauptstadt einen Dreikampf zwischen ihr, Paula Radcliffe und Catherine Ndereba, der amtierenden Marathon-Weltmeisterin, die beiden einzigen Läuferinnen, die bisher schneller waren als die zweimalige Berlin-Siegerin.
In Japan, wo der Marathon-Boom bisweilen ganz verrückte Blüten treibt, werden Millionen von Menschen fasziniert vor der Flimmerkiste hocken, wenn Naoko Takahashi in Tokio ihre flinken Beine wirbeln lässt. Alle werden ihr am 16. November fest, ganz fest die Daumen drücken, damit sie in Athen starten darf.
Flotter Wirbel
Die zierliche Power-Frau, die bei 1,61 Meter Körpergröße federleichte 52 Kilo auf die Waage bringt, hat gelernt, strahlend zu leiden und den Schmerz mit einem stetigen Lächeln zu besiegen. Hoppla, pfiffen ihr schon die Männer in Berlin bewundernd hinterher, die Dame ist ja ganz schön flott!
Nach ihrem Olympia-Triumph in Sydney anno 2000 hatte sie in den beiden vergangenen Jahren auch die Herzen der Berliner im Sturm erobert. Damals lächelte Naoko Takahashi, der Publikumsliebling aus Fernost, so ausdauernd tapfer, dass man fast meinen konnte, in ihrem Gesicht würde sich die japanische Sonne widerspiegeln. Schade, dass sie auf dem neuen Kurs nicht dabei ist. Sie wird den Zuschauern fehlen.