Nationalteam geht gestärkt ins EM-Jahr
Wenn jetzt alle Jahresrückblicke gesendet und gedruckt sind, werden die Weltmeisterschaften von Berlin endgültig Geschichte sein. Der Blick geht nach vorn zum nächsten Highlight: Vom 26. Juli bis 1. August werden im nächsten Jahr bei den Europameisterschaften in Barcelona (Spanien) die Medaillen vergeben und Leichtathletik-Deutschland hofft auf eine ähnliche Erfolgsstory wie in Berlin.
Allerdings hält es der neue DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen für eine „fahrlässige und überflüssige Gedankenspielerei, auf der Grundlage der WM-Ergebnisse 2009 dezidierte Medaillen und Endkampfplatzierungen für die Europameisterschaften hochzurechnen.“Unmittelbar nach den Weltmeisterschaften hatten das die Nachrichtenagenturen gemacht und waren auf 16 Medaillen gekommen. Das wären sechs mehr als bei den bisher letzten Europameisterschaften in Göteborg (Schweden), als der DLV zehn Medaillen gewann (viermal Gold, viermal Silber und zweimal Bronze).
Dennoch soll sich die Reise in die katalanische Millionen-Metropole für das deutsche Team lohnen. „Die deutsche Leichtathletik und ihre Kaderathleten gehen gestärkt ins Jahr 2010. Die EM bietet eine besonders gute Chance, an die diesjährigen Erfolge nahtlos anzuknüpfen“, sagt Thomas Kurschilgen.
Positives Leistungsbild
Er gibt das Ziel für das EM-Jahr vor: „Die derzeitigen Platzierungen unserer Athleten in der europäischen Bestenliste zeichnen ein positives Leistungsbild und geben Anlass zu berechtigten Hoffnungen auf eine große und erfolgreiche EM-Mannschaft 2010. Wir werden uns bei der EM in Barcelona als führende europäische Nation platzieren. Das ist der Maßstab, an dem wir uns messen wollen.“
Gerade für diejenigen Disziplinen, in denen deutsche Athleten bei der WM nicht in den Finals punkten konnten, sei Barcelona eine wichtige Bewährungsprobe. Das gelte beispielsweise im Laufbereich, aber auch im Weit- und Dreisprung.
Niedrigere Anforderungen
In der vergangenen Woche hat der Bundesausschuss Leistungssport festgelegt, welche Leistungen die Athleten bringen müssen, um in Barcelona dabei zu sein. Die Anforderungen sind in den meisten Disziplinen leichter zu erreichen als 2009 bei den Weltmeisterschaften im eigenen Land. Der neue Sportdirektor kommentiert das so: „Die Nominierungsrichtlinien bieten vielen jungen Athleten die Chance, sich für die Europameisterschaften zu qualifizieren und sich dann in der Auseinandersetzung mit der europäischen Spitze zu beweisen, um schrittweise näher an die Weltspitze heranzurücken.“
Einen Motivationsverlust nach der Kraftanstrengung, bei der Heim-WM in Berlin erfolgreich abzuschneiden, können Thomas Kurschilgen und seine Cheftrainer Herbert Czingon und Rüdiger Harksen nicht erkennen. Nach seinem Amtsantritt als Nachfolger von Jürgen Mallow ist der 49-Jährige seit November fast 10.000 Kilometer durch Deutschland gereist, um Disziplintrainer, Landestrainer, Heimtrainer, Funktionäre, Stützpunkttrainer und Athleten in zahlreichen Gesprächen kennenzulernen.
„Das kann man nicht mit dem Telefon vom Schreibtisch aus“, erklärt er, „man muss zu den Menschen gehen, mit denen man intensiv zusammen arbeiten will.“ Parallel dazu sind die Cheftrainer in einen sehr engen Kommunikationsprozess mit allen Athleten des Top-Teams London 2012 eingetreten und haben Saisonziele, Trainingssituation und die Rahmenbedingungen im medizinischen, physiotherapeutischen und trainingswissenschaftlichen Bereich analysiert.
Teambildend
Dabei wurde festgestellt, dass sich die Nationalmannschaft schon jetzt auf die EM in Barcelona freut. Im nächsten halben Jahr soll sie mit teambildenden Maßnahmen noch enger zusammengeschweißt werden. In disziplinübergreifenden Lehrgängen mit Heimtrainern und Athleten in Disziplinblöcken oder bei Staffelmaßnahmen können sich Athleten und Trainer besser kennenlernen.
Nach der EM in Barcelona soll dann in Abstimmung mit den Chef- und Disziplintrainern in der zweiten Dezemberwoche 2010 mit dem DLV Top-Team ein einwöchiger zentraler Nationalmannschaftslehrgang in Zypern stattfinden. „Das schafft Vertrauen und Synergien, von denen die Athleten in der weiteren Trainingsarbeit profitieren“, sagt Thomas Kurschilgen.
Er ist überzeugt davon, dass Athleten und Trainer auch im EM-Jahr so arbeiten, dass zum Höhepunkt in Barcelona die individuelle Top-Leistung erreicht wird. „Dann muss auch keiner Angst davor haben, gegebenenfalls keine Medaille zu gewinnen - solange eine individuell hochklassige Leistung erbracht wurde.“