| Jugend-Leichtathlet 2017

Niklas Kaul: Keine Angst vor der Erwachsenen-Konkurrenz

In der Jugend hat Niklas Kaul vom USC Mainz den Zehnkampf dominiert wie kein anderer und alles erreicht, was es zu erreichen gab: U18-Weltmeister mit Weltrekord (2015), U20-Weltmeister (2016). Und im vergangenen Jahr krönte er seine Erfolgsserie mit dem U20-Europameisteritel und verabschiedete sich mit U20-Weltrekord aus der Nachwuchs-Klasse.
Danny Schott

Mit seinen Leistungen überzeugte Niklas Kaul auch die Leser von leichtathletik.de, der Fachzeitschrift „Leichtathletik“ und der Mitgliederzeitung des Fördervereins „Freunde der Leichtathletik“. Als Sieger der Wahl des „Jugend-Leichtathleten des Jahres" 2017 ist der 19-Jährige der erste Nachwuchsathlet, der diese Auszeichnung zum dritten Mal in Folge entgegennimmt.

„Ich habe mich riesig gefreut. Die Auszeichnung bedeutet mir natürlich sehr viel. Dass ich die Wahl dreimal hintereinander gewinnen würde, damit hätte ich vor ein paar Jahren nicht gerechnet“, freute sich Niklas Kaul. „Natürlich bin ich super zufrieden mit dem Jahr. Perfekt war es mit der Verletzung am Ellenbogen aber nicht.“

Verletzung am Wurfarm: U20-EM-Traum in Gefahr?

Schon zu Beginn der Saison 2017 hatte sich Niklas Kaul bei den Halleschen Werfertagen eine Verletzung zugezogen. Ein Muskelfaserriss am Sehnenansatz im Unterarm schränkte ihn auch noch im Juni bei der Qualifikation für die U20-Europameisterschaften in Bernhausen/Filderstadt ein: „Bis dahin konnte ich nicht wirklich werfen“, erzählt der Mehrkämpfer.

Vor der Saison hatte sich Niklas Kaul das Ziel der U20-EM-Teilnahme gesetzt. Zusätzlich hatte er aber auch schon ein wenig mit dem U20-Weltrekord geliebäugelt. Der Glaube an dieses Ziel sollte zwei Wochen lang nach der EM-Qualifikation allerdings in weite Ferne rücken. Der EM-Titel war nicht mehr in Sicht.

„Das war besonders vom Kopf her schwierig für mich und ein echter Tiefpunkt. Ich wusste nicht genau, wie lang und wie stark mich die Verletzung bis Grosseto einschränken würde“, blickt das Talent zurück. Bis zum Saisonhöhepunkt Ende Juli legte der Athlet, dessen Stärken besonders im Speerwurf liegen, zur Schonung des Arms die Wurfgeräte beiseite.

Studienstart und Krönung der Saison in Grosseto

Noch vor den Titelkämpfen in Grosseto folgte dann auch eine private Veränderung für Niklas Kaul. Direkt nach dem Abitur startete er mit dem Lehramts-Studium an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz – zunächst für wenige Wochenstunden im Fach Physik. Nun kam Sport als zweiter Schwerpunkt hinzu.

„Ich brauchte irgendetwas neben dem Sport, um einen geregelten Tagesablauf zu bewahren und mich optimal auf den Saisonhöhepunkt vorzubereiten“, erklärte Niklas Kaul den ungewöhnlich frühen  Zeitpunkt für den Studieneinstieg. Im Trainingsumfeld habe sich dadurch nichts geändert. Weiterhin wird der Zehnkämpfer von Mutter Stefanie und Vater Michael Kaul betreut.

Volles Risiko in der neunten Disziplin

Bei den U20-Europameisterschaften in Grosseto legte der Zehnkämpfer dann einen ersten Tag nach Maß hin: Persönliche Bestleistungen im Weitsprung mit 7,20 Metern und über 400 Meter mit 48,42 Sekunden. An Tag zwei lag er bis zum Speerwurf auf dem Silberrang hinter dem Esten Johannes Erm. „Ich wusste, dass ich nur eine Chance habe und nur einen Wurf machen kann, der dann sitzen musste“, berichtet Niklas Kaul. Es galt die Devise „entweder es klappt oder es klappt nicht“.

Am Ende feuerte der Mainzer eine Rakete ab. Bei 68,05 Metern blieb der Speer stecken und Kaul lag somit erstmals auf Gold-Kurs. Vor den 1.500 Metern dann die Ansage: Er zeigte erst acht, dann vier Finger in die Kamera – 8.400 Punkte. Zur eigenen Motivation, wie er selbst sagt. Am Ende brannte er 4:15,52 Minuten auf die Bahn: 8.435 Punkte – U20-Weltrekord.

Keine Angst vor dem ersten Aktiven-Jahr

Besser geht nicht, oder etwa doch? „Es war ein sehr guter Zehnkampf auf sehr hohem Niveau, aber der Perfekte war das auch noch nicht“, meint Kaul. Insbesondere im Sprint und Wurf, den er aufgrund der Verletzung vernachlässigen musste, sieht der Student noch viel Potenzial. Mittlerweile ist alles wieder ausgeheilt. Er trainiert seit November schmerzfrei. Seiner ersten Aktiven-Saison in diesem Jahr blickt der 19-Jährige gespannt entgegen: „Ich habe keine Angst vor dem Erwachsenenalter. Ich freue mich drauf und sehe das als neue Herausforderung.“

Spannend wird es sicherlich beim Kampf um die Tickets für die Heim-EM in Berlin (7. bis 12. August). Dass die Konkurrenz im Zehnkampf in Deutschland groß ist, weiß auch der U20-Weltrekordler: „Wenn Rico Freimuth und Kai Kazmirek fit sind, sind die ersten beiden Plätze weg. Danach ist alles offen, aber da gibt es auch keine Bonuspunkte, wenn man irgendwie in der Jugend gut war.“

Dafür will Niklas Kaul im Sommer alles auf eine Karte setzen. Beim Mehrkampf-Meeting in Götzis (Österreich; 26./27. Mai) soll es zumindest mit der Norm von 8.000 Punkten (dann mit schwereren Diskus- und Kugel-Gewichten sowie den höheren Männer-Hürden) klappen. „Ich würde lügen, wenn ich keine Lust auf die EM in Berlin hätte.“

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