| Jugend-Leichtathlet des Jahres

Niklas Kaul krönt perfekte Saison

Im dritten Jahr in Folge darf sich in Deutschland ein Nachwuchs-Zehnkämpfer „Jugend-Leichtathlet des Jahres“ nennen. 2015 geht die Auszeichnung an den U18-Weltmeister: Niklas Kaul hat ein Jahr der Superlative samt U18-Weltbestleistung hinter sich. Das neue Jahr will der Mainzer locker angehen.
Silke Morrissey

Die freudige Nachricht von der Auszeichnung zum „Jugend-Leichtathlet des Jahres“ erreichte Niklas Kaul in Österreich. Als Betreuer einer Jugendgruppe hat der 17-Jährige das neue Jahr beim Skifahren eingeläutet. Raus aus dem Alltag, rein in die Berge, den Kopf frei kriegen, sich auf den Pisten den Wind um die Nase wehen lassen, auftanken für neue Herausforderungen. Ein Tapetenwechsel, der wohl kaum verdienter war als in diesem Jahr, und vielleicht auch nötiger. Denn hinter dem Leichtathleten liegen Monate, die ein junger Mensch erst einmal verdauen muss.

„2015 ist nicht zu toppen“, sagt Niklas Kaul. Und: „Um wirklich vollends zu begreifen, was da alles passiert ist, brauche ich vielleicht ein, zwei Jahre.“ An dieser Stelle bietet sich ein Rückblick an. Das Wort „kurz“ erübrigt sich bei der Menge der Erfolge.

Unübertroffen mit dem Speer und im Zehnkampf

Das Jahr begann Mitte Februar mit dem Speerwurf-Titel bei den Deutschen Jugendmeisterschaften im Winterwurf: 73,91 Meter. Drei Monate später ließ Niklas Kaul den Speer bei den Halleschen Werfertagen sage und schreibe zehn Meter weiter fliegen, auf fast schon unfassbare 83,94 Meter. Weiter kam weltweit mit dem 700-Gramm-Gerät nur ein U18-Athlet, der Weltrekordler Braian Toledo aus Argentinien. Ein Stemmschritt fast wie im Spagat, perfekte Körperverwringung, lockere Schulter: Niklas Kaul überbot die alte deutsche U18-Bestleistung von Tom Meier (LC Jena) um mehr als sieben Meter.

Der schönste Augenblick des Jahres sollte aber noch folgen. Denn so stark der 17-Jährige mit dem Speer ist: Sein Herz gehört dem Zehnkampf. Das betont er immer wieder. „Der Moment, in dem ich nach dem 1.500-Meter-Lauf in Cali die Ziellinie überquert habe“, sagt er, „dieser Moment war ein ganz besonderer. Da fällt so viel Druck ab, die Erleichterung ist riesig. Das ist unbeschreiblich.“

In diesem Moment hatte Niklas Kaul sich nicht nur die Goldmedaille bei den U18-Weltmeisterschaften in Kolumbien erkämpft. Er hatte zugleich mit 8.002 Punkten als erster U18-Athlet der Welt nach der Umstellung vom Acht- auf den Zehnkampf bei internationalen Meisterschaften die 8.000-Punkte-Marke überboten. Dass drei Tage später mit dem Speer (78,05 m) auch noch U18-WM-Silber folgte, ist Zeichen des außergewöhnlichen Talents des 1,90 Meter großen Athleten, der 2015 dazu national noch vier DM-Goldmedaillen sammelte.

Leistungssport als Familienprojekt

Es sind Leistungen, auf die auch die Familie des jungen Mainzers stolz sein kann. Und das nicht nur, weil sie ihm stets den Rücken stärkt. Denn Vater Michael und Mutter Stefanie – einst selbst Leichtathleten, die sich über den Sport kennenlernten – trainieren ihren Sprössling. Der Vater ist für den Sprint, Hürdensprint und die meisten Würfe zuständig, die Mutter für allgemeine Athletik. Und Schwesterchen Emma, neun Jahre alt? Ist der größte Fan ihres Bruders.

Im Speerwurf absolviert Niklas Kaul darüber hinaus in Frankfurt Techniktraining beim Franzosen Francis Gross. Im Stabhochsprung, ebenfalls eine seiner Paradedisziplinen, stehen ihm die ehemalige Hallen-Weltmeisterin Nastja Reiberger, geborene Ryzih, sowie zuletzt auch Alexander Bohr zur Seite. „Das ist schon ein ganz schön großes Team“, stellt der Zehnkämpfer fest. Sieben Tage in der Woche steht er auf dem Platz, in der Halle oder im Kraftraum, jeweils für zwei bis drei Stunden.

Erfolg soll nichts verändern

„Wann da noch Zeit für Hausaufgaben ist?“, fragte sich schon das Leichtathletik-Magazin „Spikes“ nach dem mitreißenden Auftritt der jungen Zehnkämpfer in Cali. Niklas Kaul setzt sich nach dem Training am Abend noch mal an den Schreibtisch. „In der Schule bin ich aber nicht so fleißig wie im Sport“, erklärt der Schüler des Gymnasiums in Nieder-Olm bei Mainz lachend. 2017 will er dort sein Abitur machen.

An diesen Plänen haben die jüngsten Ereignisse nichts geändert. Und auch sonst soll alles beim Alten bleiben. „Ich will weiter so trainieren wie bisher, die Sachen machen, die ich immer gemacht habe“, sagt Kaul. Und: „Der Erfolg soll einen nicht verändern.“ Dazu gehört auch, dass er sich weiter in den Dienst der Mannschaft stellt. Bei den Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften in Lage trat er Ende August noch einmal in Aktion, heimste mit 7.647 Punkten U18-Gold ein und verhalf seinem Team damit auch zu Mannschafts-Gold.

2016: Zehnkampf-Quali für Bydgoszcz im Fokus

Dass es mit den Erfolgen 2016 nahtlos so weitergeht, darauf setzt Niklas Kaul nicht. „Das ist abgehakt. Besser geht nicht.“ So formuliert er seine Ziele vorsichtig. Priorität Nummer eins: die Qualifikation im Zehnkampf für die U20-Weltmeisterschaften in Bydgoszcz (Polen). Plan B: die Qualifikation mit dem Speer. Ob es wie in Cali einen Doppelstart geben wird, will er spontan entscheiden.

Zuletzt verrät er noch den einzigen Vorsatz, den er sich für das neue Jahr gesetzt hat: „Die Saison locker angehen. Nicht zu verkrampfen. Jetzt kommt mein erstes U20-Jahr. Das ist ein Übergangsjahr.“ Das wichtigere Jahr sei 2017. Das letzte Jugend-Jahr für Niklas Kaul. Bis dahin heißt es weiter fleißig trainieren, gesund bleiben, Spaß bewahren. Dann wird der nächste Erfolg sicher nicht lange auf sich warten lassen.

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