| Para-WM

Niko Kappel: Kleiner Mann vor großer Herausforderung

Paralympics-Sieger Niko Kappel kämpft nach seinem Weltrekord in Biberach bei der Para-WM der Leichtathleten (bis 23. Juli) in London um die Goldmedaille und seine Trainingsgruppe wartet gespannt auf seinen Auftritt.
Ewald Walker

Kleiner Mann ganz groß: Kugelstoßer Niko Kappel vom VfL Sindelfingen wurde im September in Rio de Janeiro mit 13,57 Metern Paralympics-Sieger, einen Zentmeter vor seinem polnischen Konkurrenten Bartosz Tryskowski. Dieser kleine Unterschied hatte für den 1,40 Meter großen Kappel große Auswirkungen.

Es folgten unzählige Ehrungen, ein Medienmarathon mit Einladungen in TV-Studios wie das ZDF-Morgenmagazin, zu Lanz, Sport im Dritten oder auf den Stuttgarter Fernsehturm. Kappel wurde in Deutschland zum Behindertensportler des Jahres gewählt und hielt selber (auf einem Hocker stehend) die Laudatio für die Wahl seines Trainers Peter Salzer zum Trainer des Jahres. Der Goldstoß mit der Vier-Kilo-Kugel machte „Bonsai“, wie ihn seine Trainingskollegen nennen, zur Sportprominenz.  

Besondere integrative Fähigkeiten seiner Trainingsgruppe

Dass „Bonsai“ in Rio so über sich hinauswachsen konnte, liegt auch an den besonderen integrativen Fähigkeiten seiner Trainingsgruppe, zu der Tobias Dahm (VfL Sindelfingen), Lena Urbaniak (LG Filstal), beide schon Deutsche Hallenmeister, U20-Weltmeisterin Alina Kenzel (VfL Waiblingen) und Lea Riedel (LG Filder), gehören. Diese Athleten bilden das Biotop für Inklusion und Leistung.

„Die Gruppe kann nur funktionieren, wenn wir alle dasselbe Ziel verfolgen, nämlich die Kugel weit zu stoßen, Leistung zu bringen“, sagt Dahm. „Es fällt auf, dass sich nichtbehinderte Sportler im Umgang mit behinderten schwer tun“, weiß Lena Urbaniak aus Erfahrung. Als Niko Kappel vor zwei Jahren in die Trainingsgruppe von Peter Salzer kam, gab es keinerlei Berührungsängste. Die körperlichen Unterschiede (Kappel 1,40 Meter/ Dahm 2,03 Meter) sind völlig unerheblich.

„Inklusion bedeutet für mich, dass innerhalb der Gruppe eine Gleichstellung auf Augenhöhe stattfindet“, betont Kappel. Leistungssportler mit sozialer Kompetenz sind da gefordert. „Es ist toll, wenn man auch als Handicap-Sportler die Leute begeistern kann“, freut sich das kleine Kraftbündel darüber, plötzlich im Rampenlicht zu stehen. Unter den Sportassen wie Robert Harting, Thomas Röhler oder Fabian Hambüchen ist Niko Kappel längst akzeptiert.

Populärer und athletischer geworden

Mit seinem Paralympics-Sieg hat er zudem Zutritt zur Politik-Szene erhalten. Als CDU-Wahlmann durfte er im Bundestag in Berlin den neuen Bundespräsidenten Walter Steinmeier mit wählen. „Sowohl Steinmeier als auch Bundeskanzlerin Merkel haben mich erkannt und begrüßt“, freute sich der kleine Schwabe über die prominente Akzeptanz.

„Niko hat sich nach seinem Erfolg überhaupt nicht verändert“, sagt Trainer Salzer. Mit sechs Trainingseinheiten pro Woche haben sie sich für das große Saisonziel Paralympics-WM in dieser Woche in London vorbereitet. Kappel arbeitet nur noch halbtags in der Welzheimer Volksbank, danach wird im Stuttgarter Olympiastützpunkt trainiert. Und wie! Beim Krafttraining drückt er inzwischen 170 Kilo von der Bank und 105 Kilo aus der Kniebeuge nach oben. Kappel ist deshalb noch athletischer geworden. „Da wird mir manchmal Angst und Bange“, sagt Trainer Salzer. Was wohl notwendig ist, denn der Konkurrent aus Polen ist Profisportler auch mit Unterstützung von Sponsoren.  

Spannendes Duell um WM-Gold

Beim Meeting auf dem Biberacher Marktplatz steigerte der 22-jährige Kappel zuletzt seine Bestleistung um 24 Zentimeter gegenüber dem Vorjahr auf 13,81 Meter – Weltrekord! Weil der Pole Tryskowski inzwischen aber schon 13,98 Meter gestoßen hatte – die Weite konnte jedoch aus formalen Gründen nicht anerkannt werden – ist sich Niko Kappel sicher: London wird am Donnerstagabend (20. Juli) ein heißes Duell der beiden Favoriten bringen. Trainer Salzer weiß, dass sein Schützling mit der Drehstoßtechnik weitere Reserven hat.

„Ich bin total motiviert“, sprüht Kappel vor Motivation. Für Peter Salzer heißt die Frage: Wer wird der erste kleinwüchsige Kugelstoßer über 14 Meter sein? Auf dem Weg zum Wettkampf ist der Coach im Dauerstress. Von der U23-EM im polnischen Bydgoscz, wo sein Schützling Alina Kenzel (VfL Waiblingen) die Bronzemedaille gewann, flog er am Sonntag nach Kienbaum ins DLV-Trainingscamp vor der WM, und von Berlin weiter nach London.

London hat in Kreisen der Behindertensportler eine fast magische Anziehungskraft. Denn dort fanden 2012 nach den Olympischen Spielen die besten Paralympics aller Zeiten („Die wahren Spiele“) statt: mit 2,7 Millionen Zuschauern und Rekord-Übertragungszeiten im Fernsehen. „Ich erwarte ein volles Olympiastadion“, sagt Niko Kappel und man spürt, wie es bei ihm schon kribbelt. Peter Salzer hat sich bereits festgelegt: „Es wird wieder eine Zentimeterentscheidung werden.“      

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024