| Interview der Woche

Nils Brembach: „Tempogefühl? Ich habe eigentlich keins“

DM-Titel, WM-Norm, Bestzeit: Für Nils Brembach verlief der Sonntag mehr als perfekt. Der Geher vom SC Potsdam übertraf bei den Deutschen Meisterschaften in Naumburg über die 20-Kilometer-Strecke in 1:21:21 Stunden alle Erwartungen. Im Interview spricht der 22-Jährige über ein perfektes Rennen, eine verletzungsfreie Saisonvorbereitung und zusätzliche Hausaufgaben für seinen Trainer Ronald Weigel.
Sandra Arm

Nils Brembach, herzlichen Glückwunsch zu diesem grandiosen Erfolg mit WM-Normerfüllung und Bestzeit. Haben Sie in Naumburg das perfekte Rennen abgeliefert?

Nils Brembach:

Ich habe es mir nicht vorgenommen und auch nicht geplant, dass es bei der DM so laufen soll. Ich wollte eigentlich nur meinen Trainingskameraden Hagen Pohle möglichst lange auf dem Weg zur WM-Norm begleiten. Während des Rennens habe ich gedacht, dass ich öfter mal Federn lassen müsste, aber ich kam immer wieder zu Kräften. Alles in allem war es ein perfektes Rennen für mich, mit perfekten Bedingungen.

Wie gut waren die Bedingungen?

Nils Brembach:

Das Wetter hat sich von der besten Seite gezeigt. Es war relativ kühl. Die Sonne kam zwar heraus, aber das hat mich nicht weiter gestört und es herrschte kein Wind. Die Zuschauer waren super, sie haben mich auf den letzten Runden richtig über die Strecke getragen.

Bis Kilometer 17 sind Sie und Ihr Teamkollege Hagen Pohle einträchtig nebeneinander gegangen. Gab es im Vorfeld eine Absprache mit ihm zu einer möglichen Team-Taktik?

Nils Brembach:

Es war geplant, dass aus unserer Trainingsgruppe Nils Christopher Gloger noch startet, er ist leider krank geworden. Es war der Plan, dass Hagen und Nils vorne das Tempo machen und ich mich mit Carl Dohmann mehr oder weniger reinhänge. Dann habe ich gesagt, wenn Nils nicht startet, dann sichere ich Hagen meine Unterstützung zu und bringe ihn in Richtung der WM-Norm.

Ich habe dann versucht, so lange Tempo zu machen, wie es nur geht und dann bei Kilometer 17 gemerkt, dass mir Hagen nicht mehr folgen konnte. Dabei habe ich das Tempo nicht wesentlich verschärft, sondern gedacht, ich halte es. Das Thema Tempogefühl ist bei mir aber so eine Sache. Ich habe eigentlich keins. Und dann hat sich das Ganze so entwickelt.

Mit welchem Ziel sind Sie eigentlich zu den Deutschen Meisterschaften angereist?

Nils Brembach:

Ich habe schon mit einer Medaille geliebäugelt. Erst recht, nachdem Christopher Linke krankheitsbedingt absagen musste. Ich wollte eigentlich nur ein gutes Ergebnis erzielen. So wie vergangene Woche in Podebrady.

Zum Saisonauftakt haben Sie schon in Podebrady (Tschechische Republik) ein starkes Rennen über 20 Kilometer abgeliefert und die U23-EM-Norm mit 1:22:43 Stunden deutlich unterboten...

Nils Brembach:

Ich habe mit der Norm für die U23-EM in Podebrady gerechnet. Davor hatte ich eine Bestzeit von 1:23:44 Stunden. Das sind ja schon zwei Minuten unter der Norm. Ich bin eigentlich nur hingefahren, weil ich wusste, ich bin relativ gut drauf, um eine neue Bestleistung zu gehen. Alle haben mir geraten in der Spitzengruppe mitzugehen, möglichst lange dranzubleiben. Ich wusste auch, vielleicht war es auch mein Fehler, dass ich irgendwann Federn lassen muss, weil ich nicht mehr kann. Dass dort so eine gute Auftaktzeit rauskommt, die noch mal eine Minute schneller war als vergangenes Jahr, damit hätte ich ebenfalls nicht gerechnet.

Nur eine Woche später haben Sie Ihre Bestleistung jetzt erneut gesteigert. Sind Sie in der Form Ihres Lebens?

Nils Brembach:

Das kann man momentan wohl behaupten - und ich kann es bei den Ergebnissen auch nicht leugnen. So fit habe ich mich lange nicht gefühlt. Das am Ende solche Ergebnisse im Protokoll stehen, damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.

Zumal Sie ja sicherlich noch das schwere Rennen von Podebrady in den Beinen hatten...

Nils Brembach:

Wir hatten nach dem Wettkampf sofort eine physiotherapeutische Behandlung von unserem Arzt Dr. Matthias Kieb bekommen. Zudem sah die Woche vor den Deutschen Meisterschaften auch sehr locker aus. Wir haben uns nur bewegt, getreu dem Motto: Bewegung ist Fortschritt. Eine längere Einheit über 20 Kilometer, Physiotherapie und Massagen waren dabei. Am Mittwoch ging es in die Therme, um einfach die Seele baumeln zu lassen. So kam man dann zwar noch mit Spannung in den Beinen nach Naumburg, aber wir waren relativ locker.

Wie sah das Ganze im Rennen aus?

Nils Brembach:

Ich hatte das Gefühl, dass Hagen ganz schön Druck macht. Es hat mich enorm Kraft gekostet, ihm zu folgen und dranzubleiben. Ich konnte mich dann auf den Geraden immer wieder gut erholen. In den Kurven war Hagen klar der Bessere und ist mir dort immer davongegangen. An den Stellen musste ich wirklich auf die Zähne beißen. Ansonsten war das Gefühl relativ gut. Der Einbruch aus der vergangenen Woche kam in Naumburg überhaupt nicht. Das kam für mich ebenfalls überraschend.

Denken Sie während des Rennens an etwas Bestimmtes?

Nils Brembach:

Man versucht die Runden so locker wie möglich einfach vorbeigehen zu lassen. Ab Kilometer 10 zählt man schon die Runden herunter, versucht irgendwie das Tempo zu halten und immer darauf zu achten, dass die Beine locker bleiben. In der Regel kommt ab Kilometer 15, 16 der Hammer und dann wird es richtig schwer.

Bei Ihnen zumindest in Naumburg nicht. Woher kommen diese starken Zeiten?

Nils Brembach:

Innerhalb des letzten halben Jahres ist der Knoten geplatzt. Nach den Deutschen Meisterschaften und meinem Sieg über 50 Kilometer im Oktober in Gleina konnte ich richtig gut durchtrainieren. Ich hatte keine Ausfälle zu beklagen, bin verletzungsfrei geblieben und konnte die Höhentrainingslager planvoll durchziehen. Vielleicht war es für andere ersichtlich, dass jetzt so ein Ergebnis von mir kommt - für mich überhaupt nicht.

Sie sprachen von "Knoten geplatzt". Was hat Sie davor gehindert, in den Bereich Ihrer jetzigen Zeiten zu gehen?

Nils Brembach:

Ich kann mir das eigentlich nur damit erklären, dass ich in der ganzen Vorbereitung seit dem Sommer nie von einer Verletzung oder Erkrankung ausgebremst wurde. Das vergangene  Jahr war für mich eher ein Aufbau-Jahr mit neuen Reizen wie Höhentrainingslager und mit einem neuem Trainer. Ich denke die Zeit haben Ronald Weigel und ich gebraucht, um zu verstehen, wie der jeweils andere tickt und das sind jetzt die Ergebnisse dieser noch recht frischen Zusammenarbeit.

Sie waren unter anderem im Höhentrainingslager in Flagstaff (USA). Inwieweit hat Sie das auch mit Blick auf die bisherigen Wettkämpfe vorangebracht?

Nils Brembach:

An Flagstaff hatte ich zuvor keine guten Erinnerungen, weil ich mich dort im vergangenen Jahr am Schienbein verletzt hatte. In diesem Jahr? Ich wollte dem Ganzen noch mal eine zweite Chance geben. Die erste Woche war schlecht, das Wetter hat nicht gepasst. Wir mussten ausweichen auf Hallen- und Laufbandtraining. Nach der Anpassungsphase trainierten wir dann bei sehr guten Bedingungen draußen, so dass ich auch die Bergeinheiten super durchziehen konnte. Zudem gab es bei mir keine Wehwehchen. Auch wegen der erstklassigen medizinischen Versorgung durch unseren Arzt Dr. Matthias Kieb.

Sie haben die WM-Norm für Peking und die U23-EM-Norm für Tallinn. Wie sieht die weitere Planung aus?

Nils Brembach:

Ich möchte eigentlich bei beiden Meisterschaften an den Start gehen. Ich denke, dass ich mit der Zeit auf jeden Fall bei der U23-EM vorne mitgehen kann. Eine Top-Fünf-Platzierung oder vielleicht sogar eine Medaille sind auf jeden Fall möglich. Und anschließend heißt es, möglichst wieder so gut regenerieren wie vergangene Woche, um dann bei der WM wertvolle Erfahrungen zu sammeln, dort sein Bestes zu geben und sich im internationalen Feld zu zeigen.

Wie sehr freut es Sie, dass Ihr Teamkollege Hagen Pohle ebenfalls die WM-Norm erfüllt hat?

Nils Brembach:

Es freut mich ungemein für ihn. Seine Vorbereitung verlief nicht so reibungslos wie bei mir. Er steckte bis Mitte Februar in der Ausbildung bei der Bundespolizei. Seine Vorbereitung war nicht die beste. Das zeigt wiederum seine Qualitäten, wie gut er ist. Ebenso, dass er nach einer kurzen Vorbereitung schon wieder konkurrenzfähig ist - auch international.

Wie sehr beflügelt die dreifache Normerfüllung von Athleten des SC Potsdam?

Nils Brembach:

Das ist ein Achtungserfolg für unseren Verein. Ich denke, da können wir uns gegenseitig nur motivieren und das machen wir auch täglich im Training. Es ist schon klasse, wenn alle auf fast dem gleichen Niveau trainieren können.

Wie war die Reaktion Ihres Trainers Ronald Weigel, der zugleich Bundestrainer ist, auf die starke Leistung in Naumburg?

Nils Brembach:

Ich glaube, er hat ein klein wenig damit gerechnet. Er ist mir nach dem Rennen zum ersten Mal um den Hals gefallen. Damit habe ich auch nicht gerechnet, aber das sind in dem Moment die Emotionen, wenn so etwas Überwältigendes und Überraschendes passiert.

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Nils Brembach:

Die Leistung in Naumburg hat die ganze Planung umgeworfen. Wir hatten nicht mit der WM gerechnet. Da muss mein Trainer Ronald Weigel auch noch mal an seinen Schreibtisch. Die nächste Woche steht für uns schon fest: Wir haben Urlaub. Ich fahre für ein paar Tage an die Ostsee, um die Seele baumeln zu lassen.

Und Ihr Trainer sitzt am Schreibtisch und erledigt Hausaufgaben.

Nils Brembach:

Ich glaube, die habe ich ihm gern gemacht und die erledigt er mit Sicherheit jetzt auch gern (lacht).

<link news:40494>WM-Norm für Nils Brembach und Hagen Pohle in Naumburg

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024