Nils Schumann mit neuem Ziel vor Augen
Nils Schumann (LG Eintracht Frankfurt) machte in dieser Woche im Gespräch am Rande einer Pressekonferenz in Berlin einen ernsten Eindruck. Die letzten Jahren sind nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Himmelhochjauchzend nach dem Olympiasieg 2000 in Sydney über 800 Meter, zu Tode betrübt nach zwei Achillessehnenoperationen, die Spannbreite könnte nicht größer sein.
Nils Schumann blickt auf den Start beim DKB-ISTAF (Foto: ISTAF)
Doch einen starken Willen hatte der in Bad Frankenhausen geborene und lange Zeit in Erfurt lebende und trainierende Athlet immer schon gehabt. Zwar hat er immer mal an sich gezweifelt, doch an Aufgeben nicht gedacht. Und in diesem Jahr sollte es wieder nach oben gehen. "Mein Ziel war ganz klar die Teilnahme an der Europameisterschaft in Göteborg, ich habe an diese Stadt sehr gute Erinnerungen." Dafür hat er fleißig trainiert, "obwohl es mir nicht immer leicht gefallen ist. Zwar fühlte ich mich gesund, aber das regelmäßige Training war doch belastend." In Pliezhausen trat er erstmals nach 2003, damals war in Leipzig bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften sein letzter Auftritt gewesen, wieder in einem Wettkampf an, über 600 Meter direkt aus dem Training. Es folgten drei 800-Meter-Läufe, mit einer 1:48,02 Minuten als schnellster Zeit. "Nicht eben schnell, das lief ich schon als 17-jähriger. Und ich habe mich schon ein wenig als Anfänger gefühlt, konnte nicht mehr von meiner Erfahrung zehren."
Hundebiss beim Joggen
Aber das Ziel Deutsche Meisterschaft und Göteborg verlor er trotzdem nicht aus den Augen. "Es ging spürbar aufwärts, "mein Trainer Volker Beck und ich waren zufrieden." Doch dann kam aus heiterem Himmel der Rückschlag. Beim Joggen im Taunus, er wohnt in der Nähe von Königstein, dort, wo die brasilianische Fußballmannschaft zur WM gastierte, erwischte ihn der Feind vieler Jogger, ein Hund.
"Ich habe selbst einen Schäferhund, war mit ihm laufenderweise unterwegs. Er wurde von einem anderen Hund angegriffen, ich wollte ihn schützen, und schon biss der mich in die Wade." Zwei Wochen Training kostete ihm das, zuviel in der Vorbereitung auf die Deutsche Meisterschaft. "Jammerschade, denn ich wollte mich der nationalen Konkurrenz stellen." Ulm musste er absagen, das Erreichen der Norm für Göteborg war damit auch unmöglich geworden.
So musste er sich ein neues Jahresziel setzen: "Das ISTAF in Berlin ist nun mein Saisonziel. Vorher werde ich noch einige andere Aufbaurennen bestreiten, vielleicht einen B-Lauf beim Züricher Meeting." Der Berliner Veranstalter nahm das dankbar entgegen, setzte die 800 Meter als zusätzlichen Wettbewerb an.
Neuanfang bei Volker Beck
Nils Schumann (1,92 m; 77 kg) hat in den letzten Jahren einiges durchgemacht, vor allem aber gesundheitliche Probleme gehabt. So kam er nie wieder an die Leistung von Sydney heran. Ein Wechsel nach Magdeburg und zu Trainer Thomas Springstein brachte ihm zwar anfangs wieder eine Leistungssteigerung, aber dann kam der Doping-Prozess gegen den Lebensgefährten von Grit Breuer dazwischen. Nils Schumann trennte sich von ihm: "Es war ein schwerer Schlag für mich."
Einen Neuanfang versuchte er vor anderthalb Jahren in Frankfurt/Main. Mit Volker Beck traf er dort auf einen thüringischen Landsmann (der Trainer ist in Nordhausen geboren und war als Langhürdensprinter in Erfurt aktiv), bei dem er sich seitdem wohl fühlt. Zwar hat er dort in der Trainingsgruppe keine 800-Meter-Läufer, da vor allem 400-Meter-Läufer trainiert werden, aber das nimmt er in Kauf, zumal seine Freundin Korinna Fink auch zur Trainingsgruppe gehört.
Aber nicht nur Sport steht auf seinem Tagesprogramm. Um seinen Geist anzuregen, hat Nils Schumann ein Fernstudium Politik/Organisation begonnen.
Bis zum glücklichen Ende
Die EM-Tage wird er trainierenderweise in Kienbaum bei Berlin verbringen. "Dort werde ich mir auch den 800-Meter-Lauf ansehen, René Herms traue ich das Finale, vielleicht sogar eine Medaille zu." Und natürlich wird er auch mit wachem Auge die Langstaffeln der Frauen mit seiner Freundin beobachten.
Lieber wäre er am Ort des Geschehens, doch er tröstet sich mit der Aussicht auf einen gelungenen Lauf im Berliner Olympiastadion, "auf der neuen blauen Bahn bin ich noch nicht gelaufen".
Und dann schaut er schon in die Zukunft, Richtung WM in Osaka (Japan) 2007 und Olympia 2008 in Peking (China). "Olympische Spiele sind das Größte für einen Sportler, das habe ich 2000 bei meinem Olympiasieg erfahren." Und dem will der 28-Jährige alles unterordnen, auch wenn ihm gegenwärtig das Training nicht leicht fällt. "Der Weg zurück erfordert viel Zeit und Geduld. Aber ich werde ihn bis zum glücklichen Ende gehen."