Nils Winter verabschiedet sich aus der Grube
Der Übergang war sehr fließend, zum Nachdenken blieb in dieser Woche gar nicht viel Zeit. Kaum hatte Nils Winter seinen letzten Weitsprung-Wettkampf am Dienstag im tschechischen Brünn mit 7,44 Metern und Platz drei hinter sich gebracht, warteten jetzt auch schon wieder sein Job in einer Hamburger Reederei, ein Stapel Arbeit und Meetings auf ihn.
Deshalb fühlt es sich bei dem Weitspringer gerade gar nicht so sehr nach dem Ende seiner sportlichen Laufbahn an. „Im Moment ist es eher wie beim Saisonende. Ich werde das wahrscheinlich erst in drei oder vier Wochen merken, wenn es gar nicht mehr los geht“, sagt der 35-Jährige.Aber doch war es emotional in diesen Tagen. Weniger in Brünn, wo Nils Winter eher damit beschäftigt war, im letzten Versuch noch ein paar Zentimeter draufzupacken und den allerletzten Sprung mit seinem Handy filmen zu lassen.
Schon mehr beim Berliner ISTAF, wo der Athlet des BSV Buxtehude vor einem deutschen Publikum mit Blumenstrauß-Abschied und Sprecher-Ansage noch einmal in den Mittelpunkt rückte und seinen letzten ganz großen Wettkampf hatte.
Laudatio vom Ex-Coach
Aber noch viel mehr, als er jetzt die Zeilen seines früheren Trainers Sebastian Hess im Internet las. Dieser hielt in seinem Blog eine kleine virtuelle Laudatio auf seinen Schützling.
„Ein Athlet mit einer unglaublichen Weitsprungintelligenz. Ein Mann, der sich immer hinterfragt und gewusst hat, alles Geschehene richtig einzuordnen. Einer, der den Kopf nicht in den Sand steckte, der seine Fehler und Schwächen sah, aber auch die Dinge, die schon gut waren. Einer, der realistisch an die nächste Herausforderung heranging und doch immer dieses positive Gefühl im Unterbewusstsein mitnahm, dass es diesmal vielleicht doch ein Stückchen weiter gehen könnte, als alle vermuteten“, beschrieb Sebastian Hess sicherlich sehr treffend einen der besten deutschen Weitspringer der letzten mehr als zehn Jahre.
Mit sich im Reinen
Dieser genießt diese Zeilen. „Ich bin mit mir jetzt sehr im Reinen“, hat Nils Winter ohnehin gerade ein rundum gutes Gefühl, auch wenn er nach seinem Wettkampf in Rovereto (Italien), wo er mit 7,64 Metern Fünfter geworden war, schon noch einmal ins Grübeln gekommen war, ob es wirklich Zeit für den Abschied aus der Grube ist.
Aber es ging sich aus in diesem Jahr und so könnte es kaum besser passen. Nils Winter wollte über acht Meter springen und sich für die EM in Helsinki (Finnland) qualifizieren. Beides klappte. „Von daher bin ich sehr zufrieden. Ich habe in diesem Jahr in jedem Training noch einmal zwei Prozent mehr gegeben und mir gesagt: du wirst es vermissen.“
Höhepunkte 2004 und 2009
Im Rückblick bleibt bei Nils Winter eine überaus positive Bilanz. Schließlich dachte er vor zehn Jahren schon ans Aufhören, als er sportlich keine Fortschritte mehr machte und im Studium steckte. Doch er machte weiter. Es war die richtige Entscheidung.
Als emotionalste Momente kann er jetzt die Olympia-Qualifikation 2004 beschreiben, die ihn überwältigte: „In dem Moment ging alles viel zu schnell für mich.“ Im Jahr darauf sprang er dann in Bad Langensalza mit 8,21 Metern seine persönliche Bestleistung im Freien. Bis 2009 musste er warten, bis er mit 8,22 Metern und Silber bei der Hallen-EM in Turin (Italien) seinen größten Erfolg feiern durfte. „Das musste ich mir hart erarbeiten“, weiß Nils Winter, der nie die Konkurrenz gescheut und gerne viele Wettkämpfe bestritten hat.
Auch deshalb verdiente er sich seinen Respekt. Den zollte ihm natürlich auch Sebastian Hess mit seinen letzten Worten. Dieser verabschiedete das Nordlicht nämlich mit einem „Mach’s gut alter Kämpfer. Es war mir eine Ehre.“ Das rührte Nils Winter zu Tränen und das war vielleicht sogar noch ein Stück emotionaler als in Berlin, Rovereto oder jetzt in Brünn bei seinem allerletzten Auftritt.