Norman Müller - Mit Reserven nach Berlin
Er gilt als eher ruhiger Vertreter der Zunft, genießt so oft wie möglich die gute Küche seiner Freundin und kann sich durchaus vorstellen, in naher Zukunft in sozialen Projekten mitzuarbeiten. Im Moment aber lebt Norman Müller den Traum Zehnkampf. Mit seiner Qualifikation für die WM in Berlin (15. bis 23. August), die seit wenigen Tagen perfekt ist, kam er dort der Wolke sieben ein Stück näher.
„Das Training und die große Herausforderung WM bestimmen natürlich meinen Tagesablauf. Ich kann mich nur bei meinem Arbeitgeber, der Bundespolizei in Cottbus, bedanken, dass sie mir den Rücken frei hält, damit ich meine großen sportlichen Ziele erreichen kann“, sagt der gebürtige Eislebener.Neben der beruflichen Absicherung findet er den großen Rückhalt bei Familie und Freunden. „Auf meine Familie und meine Freundin würde ich nie verzichten. Sie geben mir genau das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, was man als Leistungssportler angesichts der vielen Entbehrungen braucht, um erfolgreich sein zu können.“
Talent als Sänger
So lässt er sich bei Scampi mit Reis oder Nudeln verwöhnen, hört gerne R&B oder HipHop und singt dabei oft auch einmal lauthals mit. „Meine Freunde haben mir schon des Öfteren gesagt, ich habe den Beruf verfehlt und sollte es einmal als Sänger probieren.“
Seinen Job als Zehnkämpfer macht er im Moment allerdings sehr gut. „Götzis war für mich eher eine Art Standortbestimmung und im Prinzip ein ‚Arbeitszehnkampf’, bei dem eine gewisse Lockerheit fehlte. Es war schon vieles gut, aber auch mit dem Guten war ich noch nicht ganz zufrieden, weil ich weiß, dass ich es noch besser kann“, sagt der Dritte der Junioren-WM 2004 zu seinem Auftritt an Pfingsten in Österreich, wo für ihn 8.272 Punkte zu Buche schlugen.
Steigerung in Ratingen
Diese persönliche Bestleistung steigerte er nun am letzten Wochenende als Zweiter des ERDGAS Mehrkampf-Meetings in Ratingen erneut - auf nun 8.295 Zähler.
Damit sicherte er sich als bester Deutscher ungefährdet seinen Startplatz bei der Heim-WM an der Spree. Danach konnte er durchschnaufen: „Bis zum Abschluss des Zehnkampfes in Ratingen hatte ich die Weltmeisterschaft weit von mir weggeschoben. Ab jetzt denke ich nur noch im Zeitraum der kommenden acht Wochen.“ Zunächst wollte er in der deutschen Mehrkampf-Hochburg aber nur Abstand, Ruhe und seine Freundin treffen.
Mit Reserven
Zwischenzeitlich sah es in Ratingen sogar so aus, als könne der 23-Jährige die Marke von 8.400 Punkten übertreffen. „Zwar war ich in allen Disziplinen gut, aber der Knoten ist noch nicht endgültig geplatzt", musste der Deutsche Meister schließlich erkennen. "Wichtig für mich ist zu wissen, dass ich ein hohes Niveau abrufen kann. Da ist noch eine Menge möglich.“
Auch sein Trainer Wolfgang Kühne, der ihn nun endgültig in der deutschen Spitze angekommen sieht, ist davon überzeugt, dass noch entsprechende Reserven bestehen.
Um erfolgreich zu sein, müssen allerdings einige „Faktoren“ in seinem Umfeld einfach stimmen. „Es gibt immer noch bestimmte Glücks-Unterhosen oder Glücks-Strümpfe, die ich mitführe. Außerdem ist es ein Ritual, meine Wettkampfbekleidung vor dem Start immer nach dem gleichen Muster über den Stuhl zu legen“, erklärt Norman Müller und auch der Schlaf spielte ansatzweise eine Rolle: „Mindestens einmal in der Woche muss ich richtig lange ausschlafen, sonst werde ich leicht stinkig.“
Über den Sport in die Politik?
Allzu hektisch sollte es im Hause Müller sowieso nicht werden, denn dann besteht durchaus die Gefahr, dass der 1,95 Meter-Hüne in seiner Sammlung von „etwa 60 Privat- und 40 Sportschuhen“ beim Material für einen Zehnkampf einmal daneben greift. „Das ist halt so ein Tick von mir“, sagt jener Mann, der trotz einiger Rückschläge, beispielsweise seinen langwierigen Knieproblemen, schon „viele schöne Stunden im Sport“ erlebt hat.
Ungewissheit, was das Leben nach dem Sport bringt, hat er nicht. "Ich habe durch den Sport so viele Menschen kennen gelernt und Kontakte knüpfen können, dass ich mir neben meinem Beruf sehr viele neue Betätigungsfelder, beispielsweise auch in der Politik, vorstellen kann. Ich kann mir beispielsweise sehr gut vorstellen, in Projekten mitzuarbeiten, wo es um die Integration ausländischer Kinder geht.“