Österreichisches Kugelstoßen mit Radschlagen
Angleiten, Drehstoßtechnik, Wechseltechnik – bekannte Begriffe aus der Welt des Kugelstoßens. Für die Österreicherin Veronika Watzek ist diese Spannbreite nicht genug, sie bedient sich einer ungewöhnlichen und zugleich spektakulären Technik. Der Kugelstoß erfolgt nach einem einarmigen Radschlag im nur 2,13 Meter breiten Ring.
Veronika Watzek sorgt weiter für Aufsehen (Foto: ÖLV)
Beim Kugelstoß-Indoor in Nordhausen am vergangenen Freitagabend glänzte "Nicky", wie sie gerne genannt wird, mit dieser eigenwilligen Darbietung zwar nicht mit großer Weite, dafür aber in der B-Note. Bereits nach 13,06 Meter endete der Flug ihrer Kugel, hinzu kamen fünf ungültige Versuche. "Ich werde aber weiter an dieser Form der Technik festhalten", ist die Sportsoldatin überzeugt von deren Effektivität. Bei der sogenannten Cart-Wheel-Technik soll der Beschleunigungsweg verlängert werden und die Kugel in einem besseren Winkel fliegen.Immerhin hat sie im Training damit schon Weiten um die 15 Meter geschafft. Ihre persönliche Bestleistung steht bei 15,02 Meter, allerdings aus dem Angleiten. "Ich denke, dass ich mit der Radbewegung etwa einen Meter weiter stoßen kann und traue mir Weiten bis zu 18 Meter zu."
Freier Blick nach vorn
Auffällig ist bereits das Betreten des Ringes, während ihre Gegnerinnen die Markierungen auf der Matte nicht sehen können und rückwärts im Ring stehen, blickt Nicky Watzek genau auf ihren Arbeitsbereich. Die 21-Jährige streckt die rechte Hand, in der sie die Kugel hält, in die Höhe, es folgt ein Moment des Konzentrierens und schließlich das einarmige Rad mit dem vier Kilogramm schweren Arbeitsgerät an der Wange. Im Hochkommen erfolgt der Abstoß. "Die Beschleunigung ist viel größer als bei der herkömmlichen Technik", beschreibt die österreichische Meisterin den Schwachpunkt des häufigen Übertretens.
Erschwerend kommt ihre Körpergröße von 1,84 Metern hinzu, welche schnurgerade im Ring platziert werden will. "Die größte Gefahr ist, wenn du das Rad nicht im Kreis schaffst und nach vornüber fällst." Bei Misslingen dieses Platzproblems, kann es zudem schmerzhaft werden, schließlich ist dann der Balken im Weg. "Am Anfang haben wir alles mit Matten abgedeckt, um blaue Flecken zu verhindern, aber mir ist das noch nie passiert."
Angstfrei Radschlagen
Das Einstudieren begann vor einem Jahr mit einem Video einer amerikanischen Athletin und der scherzhaft gemeinten Empfehlung einer Freundin: "Mach das doch mal nach!" Nach kurzem Überlegen und einigem Probieren, wurde die Radtechnik praktisch umgesetzt. "Ich war verblüfft, wie weit es sofort ging und habe bereits nach drei Wochen den ersten Wettkampf gemacht", erzählt die ehemalige Wiener Meisterin im Geräteturnen. "Turnerische Fähigkeiten, Gelenkigkeit und Koordination sind die Voraussetzungen, um die Technik zu beherrschen." Aufkommende Angst ist unnötig: "Die Vier-Kilogramm-Kugel bleibt durch die Flugkraft automatisch am Hals."
Das Publikum in Nordhausen hatte die hübsche, braungebrannte Athletin von Beginn an in ihren Bann gezogen. Nach ungläubigen Blicken folgen erstaunte Ausrufe aus den Reihen: "Hast du das gesehen, die macht ein Rad und hält dabei die Kugel in der Hand?" oder "Das sieht voll geil aus!" Um dieses Starpotential und den Spaßfaktor weiß die eigentliche Diskusspezialistin (Bestleistung 57,35 m), stellt aber den sportlichen Aspekt in den Vordergrund.
Ralf Bartels bleibt beim Angleiten
Die Reaktionen der Konkurrenten sind eher gespalten. Positive Neugier, eifersüchtige Blicke bis hin zur Kritik, dass sie sich in den Mittelpunkt drängen will. Auch die deutschen Kugelstoßer betrachten das sportliche Schauspiel aus zurückhaltender Position. Europameister Ralf Bartels (SC Neubrandenburg) lacht bei der Frage über eventuelle Nachahmungen: "Diese Technik werde ich niemals versuchen, mir fehlen wohl etwas die turnerischen Grundlagen."
Interessierter scheint Petra Lammert, die sich durchaus vorstellen kann, das Radschlagen im Ring einmal auszuprobieren. "Das heißt aber nicht, dass ich von den Vorzügen dieser Technik überzeugt bin", ist die Neubrandenburgern kritisch in Hinsicht auf die einzelnen Phasen, welche ihrer Meinung nach einen durchgängigen Bewegungsablauf unterbrechen.
Die Saisonziele von Veronika Watzek für 2007 stehen jedenfalls bereits fest, ein Platz unter den ersten Drei bei der U23-EM in Debrecen (Ungarn) sowie die Qualifikation für die Weltmeisterschaften in Osaka (Japan). Die Kampfrichter benötigen in beiden Fällen jedoch nur ein Bandmaß und keine Anzeigetafel für die B-Note. Die Starts sind im Diskusring angedacht. So wird die internationale Feuertaufe der Cart-Wheel-Technik wohl noch etwas dauern und Nachahmer der österreichischen Spezialtechnik auf sich warten lassen.