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Oleg Zernikel kämpft sich nach oben

Er ist zurzeit wohl Deutschlands größtes Talent im Stabhochsprung: Oleg Zernikel hat am Wochenende bei der Junioren-Gala in Mannheim in einem Marathon-Wettbewerb seinen Hausrekord auf starke 5,40 Meter geschraubt. Dabei geholfen haben ihm Stehvermögen, ein verlängerter Anlauf und neue Sicherheit mit dem Stab.
Silke Morrissey

Schnelligkeit, Athletik, turnerisches Talent – das sind wohl die Eigenschaften, die einem zu Stabhochspringern als Erstes einfallen. Aber Stehvermögen? Das steht sicher nicht ganz oben auf der Liste. Oleg Zernikel verhalf am Wochenende aber vielleicht gerade diese Eigenschaft zur neuen Bestleistung. Denn bis er die überquert hatte, musste er im Michael-Hoffmann-Stadion sage und schreibe 13 Mal anlaufen.

„Im 13. Versuch?!“ Oleg Zernikel konnte nur erstaunt den Kopf schütteln, als ihm bewusst wurde, wie viele Sprünge er da gerade absolviert hatte. Ganz zu schweigen davon, dass er auch bei 5,50 Metern noch dreimal – allerdings vergeblich – Anlauf genommen hatte.

Von morgens um 11 Uhr bis nachmittags um 15 Uhr waren die Stabhochspringer am Sonntag bei brütender Hitze in Aktion. Aus einem durchweg erfreulichen Grund: Die ersten Fünf stellten allesamt neue persönliche Bestleistungen auf.

"Wenig Erwartungen"

Der Hausrekord des Landauers hatte zuvor bei 5,33 Metern gestanden. Mit Sprüngen über 5,20 und 5,30 Meter hatte er sich 2014 in den Wettbewerben vor der Junioren-Gala langsam wieder an diese Höhe herangetastet.

Für Mannheim hatte der 19-Jährige sich eigentlich nur eines vorgenommen: das Ticket für die U20-WM in Eugene (USA; 22. bis 27. Juli) klarzumachen – obwohl ihm das nach der verletzungsbedingten Absage von 5,20-Meter-Springer Robin Pieper (LG Peiner Land) ohnehin so gut wie sicher war. „Ich bin eigentlich wie immer mit wenigen Erwartungen in den Wettkampf gegangen“, sagte Zernikel später.

Angespornt von starken Briten

Sätze wie diesen hört man von Oleg Zernikel häufiger. Einfach mal springen, keine Gedanken machen über Ziele, Höhen, Vorgaben - einfach mal sehen, wie sich der Wettkampf entwickelt.

Dass der so an Fahrt aufnehmen würde, damit hatte der Deutsche U20-Meister nicht gerechnet. Besonders die Briten Harry Coppell (5,40 m) und Adam Hague (5,35 m) stachelten ihn zu Höchstleistungen an. Denn während die nationale Konkurrenz um seinen Trainingspartner Lamin Krubally – Deutschlands zweitem Kandidaten für die U20-WM – nach 5,10 Metern die Segel strich, dachten die noch lange nicht ans Aufhören. „Da habe ich auch einfach weiter gemacht“, erklärt Zernikel kurz und knapp.

Zwölf Schritte, 4,90-Meter-Stab

Der Sechste der U20-EM von 2013 hat mit dem 4,90-Meter-Stab neue Sicherheit gewonnen. Mit zwölf Schritten Anlauf zählt er zwar noch immer zu den Athleten, die sich aus vergleichsweise kurzer Distanz auf den Weg in Richtung Matte machen. Aber im Gegensatz zum Winter hat er sich zwei weitere Schritte Anlauf hart erkämpft.

„Der Kopf spielt da nicht immer mit“, sagt Oleg Zernikel. Zwei Schritte mehr – das bedeutet eine andere Anlaufgestaltung, ein anderes Timing beim Einstechen des Stabs, andere koordinative Herausforderungen. Im Training hadert er da oft mit diesen Abläufen. Im Wettkampf aber, da klappte es zuletzt schon erfreulich gut.

Aussichtsreiche Ausgangsposition

So gut sogar, dass Oleg Zernikel mit einer neuen Bestleistung im Gepäck die Reise über den großen Teich antreten darf. Am Montag (14. Juli) geht’s für die DLV-Nationalmannschaft zur Vorbereitung und Akklimatisierung in ein Trainingscamp in Salem, kurz vor dem Start der Titelkämpfe reist das Team nach „Tracktown“ Eugene, in die Leichtathletik-Hochburg im US-Bundesstaat Oregon.

Dort wird Oleg Zernikel mit seinen jüngsten Leistungen zu den Kandidaten für eine vordere Platzierung zählen. 5,40 Meter reichten bei den U20-Weltmeisterschaften 2012 für Platz fünf, 2010 und 2008 gab’s dafür sogar Silber.

Zernikel selbst verschwendet daran keine Gedanken: „Erstmal die Quali überstehen“, sagt er, und dann folgt wieder der schon bekannte Satz: „Ich gehe mit wenigen Erwartungen rein und schaue einfach mal, was passiert.“ Dafür, dass noch Luft nach oben ist, sollte gesorgt sein: „Der 4,90er Stab kann mich noch höher hinaus schleudern – auch ohne längeren Anlauf.“

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