Olympia Tag 2 - Großbritanniens goldene Stunde
Dreimal Gold für die Gastgeber und das binnen einer Stunde. Die 80.000 Zuschauer in der ausverkauften Arena hielt es nicht mehr auf ihren Sitzen. Sie hatten am Samstag bei den Olympischen Spielen in London (Großbritannien) Famoses erlebt.
Mo Farahs hochschwangere Frau Tania nahm ihren Helden auf der roten Kunststoffbahn freudetrunken in den Arm. Ohrenbetäubender Lärm schallte dem ersten britischen 10.000-Meter-Olympiasieger entgegen, als er an einem denkwürdigen Abend mit drei Goldmedaillen binnen 35 Minuten für das Gastgeberland alle Gegner auf der Zielgerade niedergekämpft hatte.In 27:30,42 Minuten triumphierte der 5.000-Meter-Weltmeister und WM-Zweite über 10.000 Meter vor dem US-Amerikaner Galen Rupp (27:30,90 min) und Tariku Bekele aus Äthiopien (27:31,43 min). Nur Platz vier blieb dessen Landsmann Kenenisa Bekele.
Der Doppel-Olympiasieger und Doppel-Weltrekordler über beide Langstrecken war nach langer Verletzungspause schon 2011 bei der WM in Daegu (Südkorea) leer ausgegangen. Er hatte in London auf den ersten Hattrick der Olympia-Geschichte über 10.000 Meter gehofft.
Die großen Verlierer waren am Tag nach dem 10.000-Meter-Sieg von Tirunesh Dibaba (Äthiopien) erneut die Kenianer, die es trotz vieler Weltrekorde ihrer Läufer seit 1968 nicht geschafft haben, auf dieser Strecke olympisches Gold zu gewinnen. Der Schnellste aus dem Heer ihrer Talente wurde diesmal Fünfter: der nur Fachleuten bekannte Bedan Muchuri.
Fehler des Kampfgerichts
Lilli Schwarzkopf (LG Rhein-Wied) tigerte ratlos über die Laufbahn und konnte kaum begreifen, was sie da auf der Anzeigetafel sah: "DQ" stand darauf, disqualifiziert. Statt der Silbermedaille sicher zu sein, stand sie nach dem abschließenden Lauf über 800 Meter im Siebenkampf kopfschüttelnd da. Dann folgte eine Rolle rückwärts des Kampfgerichts, und am Ende durfte sich Lilli Schwarzkopf dann doch über den größten Erfolg ihrer Karriere freuen - was Olympiasiegerin Jessica Ennis unter dem Jubel der 80.000 Zuschauer schon längst hinter sich hatte. "Das war der Siebenkampf meines Lebens", sagte Lilli Schwarzkopf erleichtert.
Die 28-Jährige wusste zunächst nicht, wie ihr geschah, doch nach reichlich Gefühlschaos war klar: Das Kampfgericht hatte bei der Überprüfung der Startphase einen haarsträubenden Fehler begangen und statt der Russin Kristina Savitskaya auf Bahn sechs Lilli Schwarzkopf auf Bahn fünf disqualifiziert. "Die Briten haben schon einen eigenartigen Humor", sagte Lilli Schwarzkopf. Sie sei "total schockiert gewesen", dann aber strahlte sie vor Glück. 53 Minuten nach dem Rennen war ihr Silber dann offiziell.
Gold für Jessica Ennis
Im Sog der neuen Siebenkampf-Queen Jessica Ennis hatte Lilli Schwarzkopf zuvor ihr Herz in beide Hände genommen. Mit einer bemerkenswerten Energieleistung rannte sie von Rang fünf aus mit persönlicher Bestleistung (6.649) noch auf den am Ende dann doch gültigen zweiten Platz in der Gesamtwertung. Es ist die erste olympische Medaille einer deutschen Mehrkämpferin seit 1992: Damals hatte Sabine Braun in Barcelona (Spanien) Bronze gewonnen.
Gold ging unter den Augen von Prinz William und seiner Frau Kate wie erwartet an Top-Favoritin Jessica Ennis. Die Britin kam auf 6.955 Punkte. Damit verpasste das Postergirl der Nation nur knapp als vierte Frau der Geschichte die Marke von 7.000 Punkten. Hinter der 26 Jahre alten Weltmeisterin von 2009 und Europameisterin von 2010 sowie Lilli Schwarzkopf holte Russlands Weltmeisterin Tatyana Chernova Bronze.
Sebastian Bayer fehlen drei Zentimeter zur Medaille
Sebastian Bayer schaute mit versteinerter Miene durch das tobende Olympiastadion und musste diesen engen Weitsprung-Wettkampf erst einmal verarbeiten. Die Winzigkeit von zwei Zentimetern fehlte dem Europameister aus Hamburg zur Bronzemedaille.
Während die englischen Fans den Olympiasieg ihres Landsmanns Greg Rutherford (8,31 m) feierten, blieb für Sebastian Bayer mit 8,10 Metern nur der fünfte Platz. Silber gewann Mitchell Watt aus Australien (8,16 m) vor Will Claye (USA; 8,12 m). Auch der Schwede Michel Torneus (8,11 m) war noch vor Sebastian Bayer.
In einem sehr ausgeglichenem Wettkampf auf mäßigem Niveau hatte sich Sebastian Bayer mit 7,96 Metern als Sechster in den Final-Endkampf der letzten Acht gequält. Dort steigerte er sich auf 8,10 Meter und lag damit zwischenzeitlich sogar auf dem Silberrang. Doch dann schlug die Konkurrenz zurück.
Sandra Perkovic vor Darya Pishchalnikova
"Silber-Lady" Nadine Müller ist im olympischen Diskuswurf-Finale ohne die erhoffte Medaille geblieben. Die WM- und EM-Zweite aus Halle an der Saale schleuderte in London die ein Kilogramm schwere Scheibe auf 65,94 Meter und erreichte damit Rang fünf.
Gold gewann Europameisterin Sandra Perkovic mit dem Landesrekord von 69,11 Metern - die ehemalige Dopingsünderin ist damit die erste Leichtathletik-Olympiasiegerin aus Kroatien. Silber sicherte sich die Jahres-Weltbeste Darya Pishchalnikova aus Russland (67,56 m), bis April 2011 ebenfalls wegen Dopings gesperrt. Bronze ging an Weltmeisterin Li Yanfeng aus China (67,22 m) m. U20-Weltmeisterin Anna Rüh aus Neubrandenburg belegte mit 61,36 Metern Rang zehn.
Shelly-Ann Fraser-Pryce ist wieder zur Stelle
Als Shelly-Ann Fraser-Pryce aus Jamaika sich in 10,75 Sekunden zur schnellsten Frau der Welt krönte, war für Verena Sailer das Abenteuer Olympia bereits seit gut zwei Stunden beendet. Die Ex-Europameisterin aus Mannheim war im Halbfinale über 100 Meter in 11,25 Sekunden gescheitert und erlebte das Finale der besten Acht nur als Zuschauerin.
Shelly-Ann Fraser-Pryce dagegen meldete sich als Champion über die 100 Meter eindrucksvoll zurück. Bereits 2008 in Peking (China) hatte sie Gold gewonnen, außerdem 2009 bei den Weltmeisterschaften in Berlin. Weltmeisterin Carmelita Jeter aus den USA (10,79 sec) blieb diesmal nur Silber, die zweimalige 200-Meter-Olympiasiegerin Veronica Campbell-Brown (10,81 sec; Jamaika) gewann Bronze.
Die ehemalige Europameisterin Verena Sailer verpasste als Sechste in ihrem Lauf um 24 Hundertstelsekunden das Finale. "Mein Fazit ist positiv. Ich habe meine gute Form hier bestätigt. Der Lauf hat sich gar nicht so schlecht angefühlt, es hat Spaß gemacht", sagte Verena Sailer: "Die Stimmung, das Stadion, das ist der Wahnsinn. Für solche Momente lohnt sich das Training."
Gold im Gehen für China
Chen Ding hat als erster Chinese olympisches Gold in einem Geher-Wettbewerb der Männer gewonnen. In der 20-Kilometer-Konkurrenz von London setzte sich der erst 19-Jährige in 1:18:46 Stunden vor Erick Barrondo durch, der in 1:18:57 Stunden als Zweiter die erste Olympiamedaille überhaupt für Guatemala gewann. Bronze sicherte sich der weitere Chinese Wang Zhen in 1:19:25 Stunden.
Routinier André Höhne aus Berlin kam bei seinem vorletzten internationalen Start nach 1:22:02 Stunden als 21. ins Ziel. André Höhne ist auch für die 50 Kilometer gemeldet. Der Potsdamer Christopher Linke hatte auf die Kurzdistanz verzichtet, um sich ganz auf den zweiten Geher-Wettkampf in einer Woche zu konzentrieren.
Alles rund um die Olympische Leichtathletik:
News | Ergebnisse | Videos | Vorschau | DLV-Team | Zeitplan (pdf) | Twitter
TV-Termine | DLV Lounge | Olympia-Buch | DOSB-Teambroschüre (pdf)