Onkel für Lilli Schwarzkopf als Glücksbringer
Onkel Henry aus Amerika war da. Er begleitete seine Nichte am letzten Wochenende zum Mehrkampf-Meeting nach Bernhausen und entpuppte sich als Glücksbringer für Lilli Schwarzkopf. Die Siebenkämpferin vom LC Paderborn brachte im Fleinsbachstadion ein Kunststück fertig, das erst einer Athletin im Mehrkampflager in dieser Saison gelang. Sie knackte die Olympianorm, setzte sich mit 6.108 Punkten knapp hinter Sonja Kesselschläger aus Neubrandenburg an die zweite Stelle der aktuellen deutschen Bestenliste.
Lilli Schwarzkopf nimmt Olympia ins Visier (Foto: Gantenberg)
Jetzt steht sie plötzlich mit einem Bein in Athen. Dabei war die 20-Jährige ohne Konkurrenz und wurde nicht im Duell gefordert. Doch sie beeindruckte durch ihren Kampfgeist. Der erste Tag war noch recht unspektakulär. 13,90 Sekunden über die 100 Meter Hürden, 1,76 Meter im Hochsprung, 12,01 Meter im Kugelstoßen und 25,01 Sekunden über 200 Meter deuteten noch nicht auf den Anflug nach Athen hin. Obwohl sie außer im Kugelstoßen nur Bestleistungen fabrizierte. Und so ging es am zweiten Tag weiter - insgesamt waren es sechs neue Marken.
Nach 6,03 Metern im Weitsprung und 49,02 Metern im Speerwerfen ging plötzlich das große Rechnen los. "Ich musste 2:12 Minuten über die 800 Meter laufen, um die 6.080 Punkte zu schaffen", erzählte Lilli Schwarzkopf. Sie nahm ihr Herz in die Hand. "Als ich auf der Zielgerade war und die Uhr sah, wusste ich, dass ich es schaffen kann." Hinterher war die blonde Siebenkämpferin völlig von den Socken. "Es war alles so leicht", strahlte sie.
Funkenmariechen im Karneval
Dabei hat sie sich erst seit rund sechs Jahren dem Mehrkampf verschrieben. "Früher habe ich lieber getanzt als Funkenmariechen im Karneval", erzählt Lilli Schwarzkopf. "Das war toll, ich habe es geliebt, auf der Bühne zu stehen."
Doch dann ist die Familie umgezogen, sie konnte nicht mehr ins Training, ihr Vater war Leichtathletiktrainer und irgendwann gab es einen Hochsprungwettkampf in der Schule, den sie unbedingt gewinnen wollte. Sie trainierte ein bisschen dafür - hat gewonnen und ist seitdem dabei. Heute ist ihre Bühne das Leichtathletik-Stadion. Am besten gefallen ihr Speerwerfen, die Hürden und der Hochsprung. "Läufe sind nicht so mein Ding", sagt sie und grinst.
Richtig begriffen hat sie noch nicht, was sie da an den beiden Tagen fabriziert hat. Nicht nur, weil sie sich um 373 Punkte auf einen Schlag verbesserte, auch weil in der letzten Zeit das Pech an ihren Schuhen zu kleben schien.
Dengue-Fieber
2002 war die 1,74 Meter große Athletin Fünfte bei der Junioren-WM. Als sie nach Hause kam, litt sie wochenlang an Dengue-Fieber, daran hatte sich das halbe deutsche Team angesteckt.
Als dies ausgestanden war, kam das nächste Malheur - eine Knieverletzung. "Ich rannte von einem Arzt zum anderen und keiner konnte mir helfen." Erst im September letzten Jahres war Lilli Schwarzkopf, die von ihrem Vater Reinhold trainiert wird, wieder so richtig im Siebenkampf-Geschäft, nachdem sie zuvor in Ratingen gepatzt hatte.
Das letzte Trainingslager bestritt sie nicht wie viele andere Athleten in sonnigen Gefilden, sondern in Emden an der Nordsee. Aus finanziellen Gründen, weil man alle Leichtathleten der Gruppe mitnehmen wollte. "Da war es vielleicht kalt", erinnert sich die Studentin, die in Bad Driburg lebt. Doch geschadet hat ihr der Aufenthalt offensichtlich nicht.
"Kann das noch gar nicht glauben"
Bernhausen war ihr Saisonauftakt 2004. "Eigentlich wollte ich nur wissen, wo ich stehe." Das weiß sie nun recht gut und hat eine gute Basis für das ruhrgas DLV-Mehrkampf-Meeting in Ratingen am letzten Juni-Wochenende. Dort geht es noch einmal um die Olympiaqualifikation.
Die besten drei Siebenkämpferinnen sichern sich das Ticket - sofern sie die 6.080 Punkte übertreffen. Die anderen Athletinnen müssen nun erst mal an ihr vorbeiziehen, was nicht unbedingt einfach wird. Zumal das die letzte Chance ist, sich für Athen zu qualifizieren. Da spielt oft die Psyche eine große Rolle. Die 20-Jährige kann relativ gelassen an den Start gehen.
"Ich kann das noch gar nicht glauben", sagt sie immer wieder kopfschüttelnd. Doch ihre blauen Augen strahlen. Vielleicht sollte sie Onkel Henry wieder mitnehmen. Als Glücksbringer.