Organisationsmeister im Kampf gegen Doping
Das deutsche Dopingkontrollsystem gilt als eines der besten der Welt. Die deutschen Athleten würden intensiver getestet als alle anderen, sagt auch DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop. Zehnkämpfer Jan Felix Knobel wird seit 2005 regelmäßig kontrolliert. Was das bedeutet, warum der Frankfurter dafür ein gewisses Organisationstalent braucht, und wie eine Dopingkontrolle überhaupt abläuft, erzählt der U20-Weltmeister von 2008 und WM-Achte von 2011 auf leichtathletik.de.
Jan Felix Knobel hat als Testpool-Athlet schon langjährige Erfahrung (Foto: Chai)
„Bei meiner ersten Kontrolle war ich 16 Jahre alt“, erinnert sich Jan Felix Knobel. „Das war das erste Jahr nach der Schülerklasse, ab da ging’s los.“ Bis zu acht Kontrollen standen für den heute 24-Jährigen seit 2005 jährlich an, zu jeder denkbaren Tages- und Nachtzeit, daheim, im Training, auf Wettkämpfen, an der Hochschule oder auf der Arbeit. Denn seither ist der Zehnkämpfer im Bundeskader des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV). Nach der erstmaligen Berufung entscheiden der Verband und die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) darüber, welche Athleten in den Testpool der NADA berufen werden. Über die Aufnahme von Athleten in den Testing Pool des Leichtathletik-Weltverbands (IAAF) entscheidet die IAAF selbst. Und wer wie Jan Felix Knobel im NADA-Testpool ist, der wird regelmäßig kontrolliert.
Urin- und Blutproben
Unterschieden wird grundsätzlich zwischen Urin- und Blutkontrollen, nur manchmal wird sowohl der Urin als auch das Blut des Sportlers getestet. Überwiegend sind es Urinproben, die der Athlet abgeben muss. Im Ablauf unterscheiden sich die Kontrollen nicht weiter, als dass die Blutabnahme an einem Tisch oder auf einer Liege erfolgt, und die Urinabgabe auf der Toilette.
„Die meisten Kontrolleure kommen zu mir nach Hause“, antwortet Jan Felix Knobel auf die Frage, an welchem Ort er denn am öftesten getestet werde. „Das ist natürlich angenehmer als im Training, weil ich mich da besser auskenne“, auch wenn Besuchszeiten ab 6 Uhr morgens üblich sind.
Zu zweit auf Toilette
Der Kontrolleur geht mit seinem Ausweis auf den Athleten zu, der, falls er im Training besucht wird, erst fertig trainieren kann, bevor es zur Kontrolle geht. In einem Formular werden Uhrzeit und Datum des Tests genau festgehalten. Außerdem gibt der Athlet zum Beispiel an, welche Medikamente er in den letzten Wochen genommen hat.
Der Athlet selbst nimmt Messbecher oder Probenahmeset – je nachdem ob Urin oder Blut getestet wird - aus den Verpackungen. Bei Urinkontrollen geht’s dann direkt zur Probenabnahme. „Über die Jahre hinweg gewöhnt man sich daran, dass jemand Fremdes mit auf der Toilette ist, aber unangenehm ist es nach wie vor.“ Blutabnahmen dürfen frühestens zwei Stunden nach einer sportlichen Betätigung erfolgen.
90 Milliliter können ganz schön viel sein
Bevor der Athlet seine Urinprobe abgibt, muss er seinen Körper von der Brust bis zu den Knien frei machen, damit nicht manipuliert werden kann. Die geforderte Mindestmenge liegt bei 90 Millilitern Urin. „Morgens ist das normalerweise kein Problem, ansonsten wartet man eben ein bisschen“, berichtet Jan Felix Knobel.
Am Ende der Prozedur werden die Proben eingetütet und – vor allem im Falle einer Blutkontrolle - in einer Kiste temperaturgerecht verstaut und ans Labor geliefert. Dort analysieren die Wissenschaftler die anonymisierten Proben.
Verstoß ohne Kontrolle
Ganz schön aufwendig, diese Kontrollen. Und im Voraus für die Athleten wenig Freiraum, was flexible Tagesgestaltungen angeht. „Wir müssen zu jedem neuen Quartal angeben, wann wir uns in den nächsten drei Monaten wo aufhalten werden“, sagt der Zehnkämpfer. Im Online-System ADAMS tragen die Athleten im Voraus in einen Plan ein, wann sie wo anzutreffen sind.
„Wenn irgendwas dazwischen kommt, müssen wir das vorher immer in diesen Plan eintragen.“ Der Athlet muss kurzfristige Änderungen eintragen, sobald er davon weiß. Denn ist er nicht zu angegebener Zeit am angegeben Ort anzutreffen, verstößt er gegen die Anti-Doping-Bestimmung.
Organisation im Vorfeld
Insgesamt muss der Athlet also schon im Vorfeld möglicher Kontrollbesuche eine große Organisations-Hürde nehmen. Das System ADAMS hat Verbesserungspotenzial, meint Jan Felix Knobel: „Wenn man zumindest auch mit dem Handy kurzfristige Planänderungen eintragen könnte, wäre man schon etwas flexibler.“
Und damit nicht genug: Was macht der Frankfurter, wenn er krank wird? „Ich nehme generell erst dann etwas ein, wenn ich so krank bin, dass es wirklich sein muss. Zuallererst schaue ich dann auf der NADA-Verbotsliste nach, und gehe dann zum Arzt oder Apotheker. Im Härtefall bräuchte ich eine medizinische Ausnahmegenehmigung.“
Deutsches Kontrollsystem profiliert
Das deutsche Kontrollsystem ist eines der führenden der Welt, das weiß der Zehnkämpfer auch aus Gesprächen mit anderen Athleten: „Als ich als 19-Jähriger um die acht Kontrollen im Jahr hatte, wurden ganze Nationalmannschaften anderer Länder insgesamt so oft getestet.“
Doch gerade dieses engmaschige Kontrollsystem lässt die deutsche Leichtathletik gut dastehen. Der Deutsche Leichtathletik-Verband positioniert sich nicht nur, sondern agiert. Den Testpool-Athleten mag hier ein gewisses Organisationstalent abverlangt werden – für den Sport ist es dafür umso mehr eine Chance, Doping weiter aktiv zu bekämpfen.