Ostrava, das Zürich des Ostens
Als die tschechische Rockröhre Ewa Farna am Donnerstagabend zum Ende eines glanzvollen Grand-Prix-Meetings dem Publikum in Ostrava (Tschechische Republik) noch einmal so richtig einheizte, stand schon fest, dass diese Veranstaltung vielen Zuschauern lange in Erinnerung bleiben würde. Die 20.000 Zuschauer, die das Mestsky Stadion füllten, waren von dem gelungenen Leichtathletik-Fest, das von zwei Weltrekorden gekrönt worden war, ebenso begeistert wie die Athleten.
Stabhochspringer Tim Lobinger (LG Stadtwerke München), der noch spätnachts von seinem vorausgegangenen Wettkampf in Cottbus die 400 Kilometer in die Tiefe der Tschechischen Republik zurückgelegt hatte, brachte es auf den Punkt: „Ich wusste nicht, was mich erwartet. Die Stimmung war dann gigantisch. Ostrava ist mehr als eine Reise wert, das ist für mich das Zürich des Ostens.“Für ihn gab es treffende Parallelen. „Es ist alles sehr liebevoll organisiert, wir haben ein schönes Hotel, von dem wir zu Fuß zur Anlage gehen können. Das sind eben Bedingungen, die man sonst nur aus Zürich kennt“, erklärte der Höhenjäger, der in der tschechischen Leichtathletik-Hochburg aufgrund seiner Vita als „Stern des Stabhochsprungs“ gilt und eine gewisse Popularität hat.
Aus seinem berufenen Mund mit dem Golden-League-Meeting in der Schweiz verglichen zu werden, ist für die Organisatoren eines der größten Komplimente, das man überhaupt bekommen kann.
Durchdachtes Konzept
Dass die Einschätzung durchaus treffend ist, untermauerte Speerwurf-Europameisterin Steffi Nerius (TSV Bayer 04 Leverkusen): „Ich kann Tim zustimmen, man kann Ostrava mit Zürich vergleichen. Es war eine schöne Atmosphäre, eine gute Stimmung. Ich habe mich wohl gefühlt, auch die Bedingungen waren gut.“
Das ist kein Zufall. In Ostrava ist alles wohl überlegt. Angefangen von der durchdachten Disziplinauswahl, einem Zeitplan, der dramaturgisch äußerst geschickt aufgebaut ist, über eine schwungvolle Musikpräsentation bis hin zu einem Organisationsteam, das nicht nur den vielen Top-Athleten jeden Wunsch von den Lippen ablesen möchte. Die Mischung stimmt, man versucht sich an neuen Ideen. Ostrava zeigt, wie Leichtathletik heutzutage noch funktionieren und Begeisterung entfachen kann, es bietet Anschauungsunterricht.
Ein bisschen Patriotismus
In dieses Gefüge passen auch die heimischen Identifikationsfiguren wie Zehnkampf-Weltrekordhalter Roman Sebrle oder Speerwurf-Weltmeisterin Barbora Spotakova. Dass diese dann mehr unterstützt werden als andere, liegt bei der Sportbegeisterung der Tschechen wohl in der Natur der Sache, auch wenn es die deutsche Speerwerferin Christina Obergföll ein bisschen am eigenen Leib zu spüren bekam.
„Ich muss sagen, dass die Zuschauer schon extrem Power gemacht haben, wenn die eigenen Athleten dran sind“, bemerkte die Offenburgerin, „ich habe das gemerkt, als ich unterstützt werden wollte und ich dachte, es klatschen aber jetzt nur noch zehn Leute.“
Tim Lobinger will wiederkommen
Trotzdem blieb auch für sie am Ende ein rundum positiver Eindruck, und das nicht nur wegen ihres eigenen Sieges: „Es war ein super, klasse Meeting. Man hatte das Gefühl, das Stadion ist richtig voll. Es verliert sich nicht so wie in einer großen Arena.“
Während für die deutschen Speerwerferinnen die Chancen, dass sie wieder ins Mestsky Stadion zurückkehren können, gut stehen, ist sich Tim Lobinger da seiner Sache nicht so sicher: „Ich würde mir wünschen, dass wir hier jedes Jahr springen können und nicht die Damen so oft.“
Nachdem er nun aber Ostrava auf eine Stufe mit Zürich gestellt hat, könnte das ihm und seinen Kollegen aber doch vielleicht auch im nächsten Jahr wieder die Tore öffnen. Die Macher des Meetings werden die Meinung der deutschen Gäste jedenfalls wohlwollend zur Kenntnis nehmen.