| Para-EM Berlin

Para-Leichtathleten räumen ab: Goldener Abend in Berlin

Schwarz-Rot-Gold soweit das Auge reicht – die Nationalflagge im Dauereinsatz: Am Mittwochabend hat die Deutsche Paralympische Mannschaft bei den Heim-Europameisterschaften in Berlin neun Medaillen gewonnen: vier in Gold, vier in Silber und drei in Bronze.
pm/sb

Den goldenen Start lieferte Felix Streng (T64), der in 21,88 Sekunden über 200 Meter deutlich vor seiner Konkurrenz blieb und sich zum Europameister kürte. „Es war einfach geil“, sagte der 23-Jährige vom TSV Bayer 04 Leverkusen, der mit einer Prothese am rechten Unterschenkel staret und im vergangenen Jahr verletzungsbedingt keinen Wettkampf machen konnte: „Das hat mich vielleicht entspannter gemacht.“ Über 100 Meter, im Weitsprung und mit der 4x100-Meter-Staffel hat Streng weitere Medaillenchancen.

Sein Team- und Vereinskollege Johannes Floors (T62)bejubelte kurz darauf die nächste deutsche Goldmedaille – mit einem sagenhaften Vorsprung von mehr als drei Sekunden. Der 23-Jährige benötige für die 200 Meter 21,37 Sekunden. „Mehr war heute einfach nicht drin“, sagte der Dreifach-Weltmeister von London, der vom Start weg der Konkurrenz enteilte: „Sonst wäre ich gerne noch ein bisschen schneller gelaufen.“ Floors hatte sich im Alter von 16 Jahren beide Unterschenkel amputieren lassen, er startet mit zwei Prothesen, die Alternative wäre der Rollstuhl gewesen.

Mathias Schulze "geflasht von der Atmosphäre"

Kugelstoßer Mathias Schulze (F46) vom SC DHfK Leipzig spielte mit dem Publikum und stieß die Kugel auf die Saisonbestleistung von 14,94 Meter. Das bedeutete Platz eins und seinen ersten internationalen Titel. Freudetrunken stimmte der 34-Jährige, dem die linke Hand fehlt, Jubellieder an, auch wenn er die 15-Meter-Marke gerne überboten hätte: „Ich bin geflasht von der Atmosphäre, ich habe fünf Jahre hier in Berlin gelebt und habe es sehr genossen. Meine Familie und meine Freunde waren hier, das ist mein erstes Gold der Karriere und ein gutes Argument zum Weitermachen. Einfach fantastisch.“

Das vierte Gold schnappte sich Nicole Nicoleitzik (T36) in 31,87 Sekunden über 200 Meter. Die 23-Jährige vom TV Püttlingen, deren Schwester Claudia ebenfalls eine erfolgreiche paralympische Leichtathletin war und die mit einer Bewegungsstörung (Ataxie) an den Start geht), sprintete als Schnellste ins Ziel und war völlig überwältigt: „Ich bin richtig fertig. Ich kann es nicht fassen und kann auch nichts sagen. Alles oder nichts war mein Motto, die Saisonbestleistung war mein Ziel, aber dass es Gold wird, ist Wahnsinn.“

Weitere Medaille für Ave, Müller-Rottgardt und Bensusan

Bereits die zweite Silbermedaille gab es für die Leverkusenerin Irmgard Bensusan (T44), die im Ziel mit dem Sieg der Niederländerin Marlene van Gansewinkel über 200 Meter alles andere als zufrieden war: „Sie ist so schnell geworden, ich weiß nicht, was ich dagegen machen soll.“

Nach Gold über 400 Meter gab es auch für Lindy Ave (T38) von der HSG Uni Greifswald Silber. Im Weitsprung sprang sie 4,71 Meter und sagte: „Es war super, aber die Landung hätte besser sein müssen.“ Trainer Peer Kopelmann zeigte sich wesentlich euphorischer: „Es war ein schöner Wettkampf, Lindy war sehr souverän und meiner Ansicht nach auch überraschend gut.“

100-Meter-Siegerin Katrin-Müller Rottgardt (T12; TV Wattenscheid 01), die mit einer Sehbehinderung antritt, holte sich im Weitsprung mit 5,06 Metern und Silber ebenfalls bereits die zweite Medaille.

Platz zwei bis vier im Kugelstoßen

Marie Brämer-Skowronek (F34) vom SC Magdeburg freute sich ebenfalls über Silber, nachdem sie vier Jahre keinen internationalen Wettkampf gemacht hatte und im letzten Versuch 6,93 Meter stieß. „Nach so langer Abwesenheit ist es schwierig, sich einzuschätzen. Mittlerweile mache ich Kugel ganz gerne, früher mochte ich Speer lieber. Ich habe mit Silber geliebäugelt, aber technisch war das nicht das Gelbe vom Ei. Ich bin erleichtert und kann jetzt entspannter in den Speerwurfwettkampf am Freitag.“

Die 17-jährige Charleen Kosche stieß sich bei ihrem EM-Debüt dahinter zur Bronzemedaille mit 6,74 Metern, nachdem ihre Teamkollegin Frances Herrmann vom BPRSV Cottbus (beide F34) 6,71 Meter vorgelegt hatte und Vierte wurde: „Ich wollte unbedingt eine persönliche Bestleistung, aber damit hätte ich nie gerechnet. Ich habe mich immer weiter vorgearbeitet, weil ich unbedingt weiter stoßen wollte.“

Phil Grolla mit 100-Meter-Bestzeit Dritter

Ebenfalls Bronze gewann Phil Grolla (T47) vom VfB Fallersleben, der bei seinem ersten internationalen Einsatz über 100 Meter seine Bestzeit direkt auf 11,36 Sekunden drückte und mit einer Hundertstelsekunde Vorsprung hauchdünn Bronze gewann. „Das hätte ich nicht gedacht, ich habe auf die Bestleistung gehofft, aber nie mit einer Medaille gerechnet.“ Jubeln konnte der 17-Jährige aber kaum, da er direkt zum Kugelstoßen weiter musste: „Mathias Schulze hatte mich gefragt, ob ich nicht mitstoßen möchte und da habe ich ja gesagt. Wir sind ja schließlich alle ein Team.“

Bereits am Vormittag hatte Kugelstoßerin Hanna Wichmann (HSG Uni Greifswald; F32) zugeschlagen. Die 22-Jährige, die zuvor schon Medaillen bei Junioren-Weltmeisterschaften gewonnen hatte und mit einer spastischen Lähmung startet, holte sich mit 4,45 Metern die Bronzemedaille.

Die kompletten Resultate finden Sie in unserer <link>Ergebnisrubrik...

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