Die große WM-Vorschau (Teil 4)
Der Countdown tickt. Vom 6. bis 14. August finden die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Helsinki statt. Spannende Entscheidungen, in denen neue Titelträger gesucht werden, stehen im Olympiastadion an. leichtathletik.de hat für Sie die Favoriten herausgeschält und auch die Chancen der aussichtsreichsten DLV-Starter abgewogen. Lesen Sie Teil vier unserer Vorschau auf die Bewerbe bei den Frauen...
Kajsa Bergqvist ist wieder zurück (Foto: Kiefner)
HochsprungKajsa Bergqvist ist zurück! 2002 wurde sie Europameisterin, vor zwei Jahren sprang die nur 1,75 Meter große Schwedin 2,06 Meter hoch. Im letzten Jahr lag sie nach einer Achillessehnenoperation auf Eis und meldete sich dieses Jahr mit 2,01 Metern beeindruckend zurück. Nach Bronze 2003 und 2001 könnte sie dieses Jahr für die erste Goldmedaille einer schwedischen Hochspringerin sorgen. Höher sprang in diesem Jahr keine, nur Olympiasiegerin Yelena Slesarenko (Russland) und die US-Amerikanerin Chaunte Howard sind in der Weltmeisterschaftssaison über die magischen 2,00 Meter geflogen. Titelverteidigerin Hestrie Cloete ist nicht am Start. Die Südafrikanerin wird nach privaten Problemen so schnell nicht auf die Wettkampfbühne zurückkehren.
Titelverteidigerin: Hestrie Cloete (Südafrika)
DLV-Starterinnen: keine (Anm. Melanie Skotnik, frühere Deutsche Meisterin, startet für Frankreich)
Stabhochsprung
Die einzige, die Fünf-Meter-Springerin Yelena Isinbayeva im Moment besiegen kann, ist sie selbst. Zu überragend ist die Form, in der sich die Russin zur Zeit befindet. Die Frage ist wohl eher, ob wieder ein neuer Weltrekord fällt. Um den Platz hinter ihr wird es einen weitaus spannenderen Kampf geben. Beste Chancen hat dabei die Polin Anna Rogowska, die in London den polnischen Landesrekord auf 4,80 Meter schraubte. Zehn Zentimeter weniger hat ihre Landsfrau Monika Pyrek dieses Jahr zu Buche stehen. Carolin Hingst (USC Mainz) muss ihre Saisonbestleistung von 4,50 Meter mindestens bestätigen, will sie ein Wörtchen um die vorderen Platzierungen mitsprechen. Die beiden Erstplatzierten der letzten Meisterschaften sind in Helsinki nicht am Start. Svetlana Feofanova ist verletzt, Annika Becker widmet sich diese Saison ganz dem Weitsprung.
Titelverteidigerin: Svetlana Feofanova (Russland)
DLV-Starterin: Carolin Hingst
Weitsprung
Erst eine Springerin ist mit Irina Simagina diese Freiluftsaison über die 7 Meter-Marke geflogen. Die russische Olympia-Zweite sprang in Sochi 7,04 Meter und reist mit ihrer Landsfrau Tatyana Kotova als heiße Medaillenanwärterin nach Helsinki. Olympiasiegerin Tatyana Lebedeva (Russland) konzentriert sich dieses Jahr nur auf den Dreisprung und die französische Weltmeisterin Eunice Barber gibt wieder dem Siebenkampf den Vorzug. Bianca Kappler (LC Asics Rehlingen) möchte ihrerseits topfit an den Start gehen und mindestens in die Nähe ihrer Bestleistung (6,71 m) springen und damit sollte das Finale auf jeden Fall zu erreichen sein.
Titelverteidigerin: Eunice Barber (Frankreich)
DLV-Starterin: Bianca Kappler
Dreisprung
Die Siegerin von 2001 und 2003, Tatyana Lebedeva (Russland), gehört auch dieses Jahr wieder zu den heißen Titelanwärterinnen. Mit 15,18 Meter landete sie diese Saison bisher den weitesten Satz und könnte den dritten Titel in Folge einfahren. Konkurrenz wird aus dem eigenen Lager kommen. Europacup-Siegerin Anna Pytykh sprang 2003 in Paris knapp am Treppchen vorbei und flog dieses Jahr schon zur neuen Bestleistung von 14,88 Meter. Und auch Trecia Smith (Jamaika) kann die 15 Meter attackieren. Weniger Gefahr scheint dieses Jahr von Olympiasiegerin Françoise Mbango Etone auszugehen. Die Kamerunerin konnte erst 13,84 Meter verbuchen.
Titelverteidigerin: Tatyana Lebedeva (Russland)
DLV-Starterinnen: keine
Kugelstoßen
Endlich hat es bei Nadine Kleinert (SC Magdeburg) geklappt: "Ich habe fünf Jahre gekämpft, die 20 Meter zu erreichen." Dieses Jahr gelang ihr dies mit 20,00 und 20,06 Meter in Hannover zum ersten Mal. Mit gestärktem Selbstbewusstsein sollte die Zweite der Olympischen Spiele nun in Helsinki die Medaillenplätze angreifen. Läuft alles bestens, kann dies auch der Newcomerin Petra Lammert (VfB Stuttgart) gelingen. Mit 19,81 Metern, gestoßen am 25. Juni in Schapbach, katapultierte sich die U23-Europameisterin in die Weltelite. Und auch für die dritte deutsche Starterin Christina Schwanitz (SV Neckarsulm) ist die Finalteilnahme nicht außer Reichweite. Favoritin jedoch ist die Weißrussin Nadezhda Ostapchuk, die mit 21,09 Metern einen neuen Landesrekord erzielte. Auch Titelverteidigerin Svetlana Krivelyova (Russland) zeigte sich mit 20,24 Metern zuletzt in guter Form.
Titelverteidigerin: Svetlana Krivelyova (Russland)
DLV-Starterinnen: Nadine Kleinert, Petra Lammert, Christina Schwanitz
Diskuswerfen
Franka Dietzsch (SC Neubrandenburg) könnte mit 37 Jahren noch einmal der ganz große Wurf gelingen. In dieser Saison zeigt sich die Weltmeisterin von 1999 auf einem konstant hohen Niveau, eine Medaille ist auf jeden Fall noch einmal drin. Hinter der Tschechin Vera Pospiilová-Cechlová, die auch die Neubrandenburgerin als Favoritin sieht, reist sie mit der zweitbesten Leistung in diesem Jahr in die finnische Hauptstadt. Doch eine Reihe von Athletinnen sind für einen Platz weit vorne im Klassement gut, die Top-Leistung muss gezielt am Wettkampftag abgerufen werden. Eine der Hauptwidersacherinnen von Frank Dietzsch könnte die Russin Natalya Sadova, Olympiasiegerin des vergangenen Jahres, sein.
Titelverteidigerin: Irina Yatchenko (Weißrussland)
DLV-Starterin: Franka Dietzsch
Hammerwerfen
Der Frauen-Hammerwurf hat in diesem Sommer einen neuen Leistungsschub verzeichnet. Wie aus heiterem Himmel tauchte die Russin Tatyana Lysenko auf, steigerte sich um rund fünfeinhalb Meter und warf mit 77,06 Metern einen neuen Weltrekord. Bereits bekannte Athletinnen wie Olga Tsander (Weißrussland; 76,66 m), Manuela Montebrun (Frankreich; 74,66 m) oder Kamila Skolimovska (Polen; 74,27 m) ließen mit neuen Landesrekorden aufhorchen. Einen deutschen Rekord gab es auch durch die Leverkusenerin Susanne Keil (72,74 m). Diese Weite bedeutet Platz elf im weltweiten Jahresvergleich. Nur einen Platz dahinter hat sich die Frankfurter Olympia-Vierte Betty Heidler (bisher 72,19 m) eingereiht. In Helsinki muss vor allem die Frage beantwortet werden, ob es den DLV-Werferinnen, zu denen auch Kathrin Klaas (LG Eintracht Frankfurt) zählt, gelungen ist, sich gezielt auf den Höhepunkt vorzubereiten und wie groß der Abstand zur Weltspitze im Ernstfall wirklich ist. Auch Titelverteidigerin Yipsi Moreno wird die Leistungen der Konkurrenz zur Kenntnis genommen haben. Bei der Kubanerin zeigte im Juli die Formkurve langsam nach oben, allerdings ließ sie die Souveränität der letzten Jahre noch vermissen.
Titelverteidigerin: Yipsi Moreno (Kuba)
DLV-Starterinnen: Betty Heidler, Susanne Keil, Kathrin Klaas
Speerwerfen
Steffi Nerius ist die deutsche Hoffnungsträgerin. "Mein Ziel ist eine Medaille", sagt die Leverkusenerin, die der Olympiasiegerin Osleidys Menendez (Kuba) wieder die Favoritenrolle zuschiebt. "Bis 68 Meter pokere ich vielleicht noch mit, aber dann ist es vorbei." Die 33 Jahre alte Olympia-Zweite reist mit einer neuen persönlichen Bestweite von 66,43 Metern, die sie trotz Rückenproblemen im Juli beim Bayer-Meeting in Leverkusen erzielte, nach Helsinki. Außerdem ist sie in diesem Jahr in allen acht Wettkämpfen noch ungeschlagen. Die zweite deutsche Starterin, Christina Obergföll (LG Offenburg) will zunächst einmal in das Finale vordringen und dort ihre Bestleistung (64,59 m) angreifen. Wenn ihr das erfolgreich gelingt, ist auch eine vordere Platzierung möglich. "Ich weiß, dass plötzlich Werferinnen auftauchen können, die man das ganze Jahr nicht gesehen hat", sagt die 23-Jährige und denkt dabei besonders an die griechische Titelverteidigerin Mirela Manjani, die in diesem Jahr gerade mal erst drei Wettkämpfe bestritten und die 60 Meter noch nicht übertroffen hat. Eine weitere Mitfavoritin ist die Kubanerin Sonia Bisset, die im Juli auch schon über 67 Meter weit geworfen hat.
Titelverteidigerin: Mirela Manjani (Griechenland)
DLV-Starterinnen: Steffi Nerius, Christina Obergföll
Siebenkampf
Der Siebenkampf könnte in Helsinki bereits an den ersten beiden Wettkampftagen ein echter Kracher werden. Olympiasiegerin und Titelverteidigerin Carolina Klüft (Schweden) trifft auf die französische Ex-Weltmeisterin Eunice Barber, die von ihren immer wiederkehrenden Verletzungen nicht unterzukriegen ist und in diesem Jahr mit 6.889 Punkten ein Ausrufezeichen setzte. Damit liegt sie im Saisonvergleich vor der quirrligen Blondine aus Schweden (6.824). Vor zwei Jahren ging das Duell in Paris letztlich klar an Carolina Klüft, jetzt ist die Gelegenheit zur Revanche. Dahinter kämpfen die Britin Kelly Sotherton, die US-Aufsteigerin Hyleas Fountain, das kleine Kraftpaket Margaret Simpson (Ghana) und Austra Skujyte (Litauen) um das Podest. Die drei deutschen Siebenkämpferinnen Sonja Kesselschläger (SC Neubrandenburg), Karin Ertl (LAC Quelle Fürth/München/Würzburg) und Lilli Schwarzkopf (SC Paderborn) gehören zum starken Mittelfeld, das um den Anschluss und eine Leistung zwischen 6.200 und 6.300 Punkten rackert, was für einen Top 10-Platz reichen sollte.
Titelverteidigerin: Carolina Klüft (Schweden)
DLV-Starterinnen: Sonja Kesselschläger, Karin Ertl, Lilli Schwarzkopf
20km Gehen
Ganz gezielt haben sich die Potsdamerinnen Sabine Zimmer und Melanie Seeger auf die WM vorbereitet. Während die eine beim Europacup in Miskolc (Ungarn) Sechste wurde, glänzte die andere bei der IAAF Race Walking Challenge in Tijuana (Mexiko) als Siegerin. Bereinigt man die Weltjahresbestenliste um die überzähligen Athletinnen aus den tonangebenden Nationen Russland (am Start: Yulia Voievodina, Tatiana Gudkova, Olimpiada Ivanova, Yelena Nikolajeva) und China (Jiang Jing, Song Hongjuan, Wang Liping), dann findet man Sabine Zimmer auf Platz zehn. Die Deutsche Meisterin kann sich nun nach der WM in Paris (Rang 20) und den Olympischen Spielen in Athen (16) international weiter beweisen. Melanie Seeger peilt als Olympia-Fünfte ebenfalls ein gutes Abschneiden an: "Ich bin mit meinem Training sehr zufrieden." In die russisch-chinesische Phalanx können auch andere Athletinnen wie Ryta Turava (Weißrussland), Susana Feitor (Portugal) oder Jane Saville (Australien) eindringen.
Titelverteidigerin: Yelena Nikolajeva (Russland)
DLV-Starterinnen: Sabine Zimmer, Melanie Seeger
4x100m
Bei den Olympischen Spielen in Athen haben sich die US-Girls selbst um den Lohn ihrer Mühen gebracht und auch diesmal müssen sie aufpassen. Vor allem die Jamaikanerinnen, die im letzten Jahr aus Griechenland die Goldmedaillen mit nach Hause nahmen, sind auch diesmal sehr zu beachten. Im Kampf um das Podest könnte es dahinter heiß und eng her gehen. Frankreich und Russland sind die wohl stärksten europäischen Nationen, die auch um die Medaillen mitsprinten können.
Titelverteidigerinnen: Frankreich
DLV-Starterinnen: keine
4x400m
Das Duell der vergangenen Weltmeisterschaften und der Olympischen Spiele zwischen den USA und Russland wird wohl in Helsinki seine Wiederauflage finden. In den beiden letzten Jahren hatten jeweils die US-Girls die Nase vorn und auch in diesem Jahr führen sie die Bestenliste an. Aber die Russinnen werden alles daran setzten, die Reihenfolge umzukehren. Die Jamaikanerinnen, in den letzten beiden Jahren Dritte, haben in dieser Saison noch keine überragende Zeit zu Buche stehen. Das DLV-Quartett muss sich ohne Vize-Europameisterin Grit Breuer (SC Potsdam) beweisen und um den Einzug in das Finale kämpfen.
Titelverteidigerinnen:</> USA
DLV-Starterinnen: Claudia Hoffmann, Korinna Fink, Claudia Marx, Ulrike Urbansky, Anja Neupert