| Interview

Paul-Heinz Wellmann: „Leverkusen bleibt die Nummer eins“

Der TSV Bayer 04 Leverkusen ist seit Jahrzehnten die unangefochtene Nummer eins unter den deutschen Leichtathletik-Vereinen – auch wenn bei den Weltmeisterschaften in Peking (China) der SC DHfK Leipzig mit drei Medaillen mehr zum DLV-Ergebnis beisteuerte. Für Bayer wurde immerhin Katharina Molitor Speerwurf-Weltmeisterin. Im Interview erklärt Leverkusens Geschäftsführer Paul-Heinz Wellmann, der 1976 in Montreal Olympia-Dritter über 1.500 Meter war, warum das auch nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio (Brasilien) so bleiben wird.
Christian Ermert

Herr Wellmann, der TSV Bayer 04 Leverkusen führt auch 2015 die Rangliste der Vereine an, die der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) jedes Jahr anhand der Platzierungen der Athleten in den deutschen Bestenlisten erstellt. Können Sie sich an ein Jahr erinnern, in dem das anders war?

Paul-Heinz Wellmann:

Ich bin seit 1995 Geschäftsführer bei Bayer und kann mich nicht erinnern, dass in dieser Zeit mal ein anderer Verein vorn war. Aber für uns hat das keine besonders große Bedeutung. Wir unternehmen auch keine besonderen Anstrengungen, um in der Liste vorn zu sein. Das ergibt sich einfach daraus, dass wir in sehr vielen Disziplinen und Altersklassen starke Athleten und Talente fördern.

Ihr Verein dürfte dank der Unterstützung des Bayer-Konzerns und anderer Sponsoren immer noch der finanziell am besten ausgestattete in Deutschland sein. Bessere Bedingungen als in Leverkusen finden Athleten wohl nirgendwo in Deutschland …

Paul-Heinz Wellmann:

… ich will uns nicht mit anderen Standorten vergleichen. Es kann natürlich sein, dass Athleten an anderen Stützpunkten für sich individuell bessere Bedingungen finden. Aber wir sind mit unserer Leichtathletik-Halle, dem Stadion, dem Wurfhaus, dem einzigartigen Stabhochsprung-Messplatz und natürlich unseren Trainern sehr, sehr gut aufgestellt. Und weil die Anlagen uns gehören, können sie von den Athleten an fast 365 Tagen im Jahr genutzt werden. Das ist überall dort, wo die Anlagen öffentlichen Trägern gehören, ganz anders. Grade jetzt über die Weihnachtsfeiertage können unsere Athleten uneingeschränkt trainieren, während andernorts viele Hallen und Trainingseinrichtungen geschlossen sind.

Das heißt, Ihrem Verein ist es in den vergangenen sechs Jahren gelungen, das seit 2010 reduzierte finanzielle Engagement der Bayer AG zu kompensieren?

Paul-Heinz Wellmann:

Wir sind immer noch gut aufgestellt und der TSV Bayer 04 Leverkusen wird auch künftig die Nummer eins unter den deutschen Leichtathletik-Vereinen bleiben. Wir haben bereits Signale erhalten, dass die Unterstützung durch Bayer auch nach den Olympischen Spielen 2016 im gleichen Maß wie zuvor weiterlaufen wird. Und wir werden uns nach der Olympia-Saison mit jungen Talenten verstärken, von denen wir glauben, dass sie die Lücken schließen können, die nach Rio entstehen werden, wenn erfolgreiche Athleten wie Speerwerferin Linda Stahl ihre Karrieren im Bayer-Trikot beenden.

Also macht Ihnen Ihr Job als Geschäftsführer auch heute noch so viel Spaß wie 1995 als sie ihn begonnen haben?

Paul-Heinz Wellmann:

Das schon, aber das Geschäft ist in den vergangenen 20 Jahren schon schwieriger geworden. Die Diskussionen um Manipulationen, Doping und Korruption in der Leichtathletik erschweren die Suche nach Geldgebern auch für die Vereine. Das spüren wir in den Gesprächen mit potenziellen Sponsoren. Außerdem war es in 90er-Jahren noch leichter, die Athleten dauerhaft für die Leichtathletik als Hochleistungssport zu begeistern. Heute müssen wir vor dem Hintergrund der Doping-Problematik viele Gespräche führen, in denen wir den Athleten erklären, dass sie den Sport ja nicht nur machen, um irgendwann mal eine Olympia-Medaille zu gewinnen, sondern auch weil es spannend ist, die eigenen Grenzen zu entdecken und sich so als Persönlichkeit weiterzuentwickeln.

In diesen Tagen ist auch die Frist für Vereinswechsel abgelaufen. Die Zahl prominenter Athleten, die sich einem neuen Verein anschließen, ist wieder mal sehr überschaubar. Täuscht der Eindruck oder war der Kampf der Top-Vereine um die besten Leichtathleten in den 90er- und Nuller-Jahren noch härter als heute?

Paul-Heinz Wellmann:

Das stimmt schon und liegt daran, dass die Vereine heute in der Mehrzahl über weniger Geld verfügen, das sie in Spitzenathleten investieren können. Die meisten haben einen Stamm von Spitzen-Athleten, den sie bezahlen und halten können. Bei uns sind es zehn bis zwölf Athleten, die eine Chance auf einen Olympia-Start in Rio haben. Weitere Athleten können sich die Vereine kaum leisten. Und solange die Athleten mit den Bedingungen bei ihrem Verein zufrieden sind, kommt da kaum Bewegung rein. Wir beispielsweise fördern schon lange nur noch Athleten, die auch die guten Trainingsbedingungen am Standort Leverkusen im täglichen Training nutzen. Wer von uns unterstützt werden will, muss auch hier leben. Eine Ausnahme machen wir lediglich für Stabhochspringerin Silke Spiegelburg und Siebenkämpferin Jennifer Oeser. Die beiden sind schon viele Jahre für Bayer erfolgreich, haben die ganze Zeit hier trainiert, und wir sind natürlich froh, dass sie weiterhin das Bayer-Trikot tragen, auch wenn sie jetzt in Stuttgart und Leipzig leben und trainieren.

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