Paul Heinz Wellmann - „Sind die Nummer Eins“
Dass sich der TSV Bayer 04 Leverkusen mit nationalen Spitzenathleten verstärkt, ist Vergangenheit. Aber warum eigentlich? Im Interview spricht Paul Heinz Wellmann, der 56 Jahre alte Geschäftsführer der Leichtathletikabteilung, über das neue TSV-Konzept, liebesbedingte Vereinswechsel und seine Medaillenhoffnungen für die WM 2009 in Berlin.
Herr Wellmann, unter den „internationalen Topathleten“, wie sie auf der TSV-Webseite genannt werden, finden sich außer der Sprinterin Cathleen Tschirch in diesem Jahr keine Neuzugänge. Der letzte Top-Neuzugang Ihres Klubs liegt mit Silke Spiegelburg auch schon drei Jahre zurück. Woran liegt das?Paul Heinz Wellmann:
Wir verfolgen ein anderes Konzept als früher. Das heißt, dass wir momentan versuchen, hier bei uns junge Talente aufzubauen, um diese Eigengewächse zu Spitzenathleten zu machen. Das ist uns ja mit Robin Schembera (Deutscher Meister 800 Meter, d. Red.) oder Anne-Kathrin Elbe (DM-Dritte über 100 Meter Hürden, d. Red.) auch gut gelungen. Von daher waren wir in dieser Saison auf dem Markt nicht aktiv, um Topathleten zu verpflichten.
Das war aber nicht immer so. Warum hat sich ihr Konzept verändert?
Paul Heinz Wellmann:
Das stimmt. Ende der 90er-Jahre haben wir durchaus nationale Spitzenathleten wie Karsten Kobs (Weltmeister 1999 im Hammerwurf, d. Red.) oder Martin Buß (Weltmeister im Hochsprung 2001, d. Red.) unter Vertrag genommen. Allerdings haben sich manche dieser Zugänge gar nicht mit dem Verein identifiziert. Martin Buß zum Beispiel hat weiterhin in Berlin gelebt und trainiert. Das hat uns und der Bayer AG nicht gefallen. Mit dem Neubau unserer Halle im Jahr 2001 haben wir unsere Philosophie geändert. Denn ab diesem Zeitpunkt konnten wir nämlich unseren Sportlern die wohl beste Infrastruktur in Deutschland bieten. Somit war es sinnvoll, dass sie diese nutzen und auch bei uns trainieren. So soll es auch in Zukunft weitergehen. Außerdem gibt es ein Vereinskonzept „Vision 2012“, in Zuge dessen wir die angesprochenen jungen Talente im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2012 in London fördern.
Welche Rolle spielt das Geld vor dem Hintergrund, dass sich die Bayer-Leichtathleten mit Einkäufen zurückhalten?
Paul Heinz Wellmann:
Das ist momentan kein Thema. Allerdings war ja kürzlich in der Presse zu lesen, dass bei uns die Lichter ausgehen würden, weil die Bayer AG ihr Engagement in der Spitzensportförderung zurückschraubt. Da müssen wir gegensteuern. Wir haben vom Unternehmen Planungssicherheit bis 2009 bekommen. Im Anschluss zieht sich die Bayer AG zwar zurück, die Trainer, die Infrastruktur und die Athletenförderung bezahlt sie aber weiterhin. Am Ende fallen nur 15 bis 20 Prozent unseres Etats weg. Ich hoffe aber, dass wir das durch andere Sponsoren und neue Partner auffangen können. Mit unserem Ausrüster und einem Finanzdienstleister haben wir die Verträge bis 2012 verlängert. Somit wären wir durchaus in der Lage, Topathleten an uns zu binden. Das passt aber nicht in unser Konzept.
Trotzdem wurde mit der 29 Jahre alten Cathleen Tschirch eine Athletin verpflichtet, die bei den Olympischen Spielen in Peking mit der 4x100-Meter-Staffel Fünfte geworden ist, die also durchaus als Topathletin gilt.
Paul Heinz Wellmann:
Der Grund dafür ist aber, dass Cathleen Tschirch mit ihrem Freund Björn Otto (Stabhochspringer der LAV Bayer Uerdingen/Dormagen, d. Red.) zusammenziehen wollte. Das Paar hat jetzt in Leverkusen eine gemeinsame Wohnung. Der Wechsel ist also sozusagen liebesbedingt. Natürlich freuen wir uns, dass sich Cathleen uns angeschlossen hat, auch wenn sie nicht ins Konzept passt.
Können Sie denn Neuzugänge verzeichnen, die in Ihr Konzept passen?
Paul Heinz Wellmann:
Ja, natürlich. Mit der Hindernisläuferin Julia Dobmeier, der Hammerwerferin Sarah Lippold oder dem Kugelstoßer Marc Decker sind Nachwuchsathleten zu uns gekommen, bei denen ich eine gute Perspektive erkenne. Sie haben zwar noch keine Leistungen auf internationalem Niveau erbracht, aber ich habe die Hoffnung, dass sie sich bei uns optimal weiterentwickeln können.
In dem Weitspringer und Olympiateilnehmer Sebastian Bayer haben sie einen Topathleten verloren. Er ging zum Bremer LT. Warum konnten sie diesen perspektivreichen Athleten nicht halten?
Paul Heinz Wellmann:
Auch da spielte die Liebe die entscheidende Rolle. Die Partnerin von Sebastian Bayer, Carolin Nytra (Deutsche Meisterin 100 Meter Hürden, d. Red.), wollte ihren Heimatverein in Bremen nicht verlassen. Deswegen ist Sebastian dorthin gewechselt. Zugegeben, das tut uns sehr weh. Er war eng mit dem TSV Bayer 04 Leverkusen verbunden und hat sogar eine Ausbildung bei der Bayer AG gemacht. Wir hätten Sebastian Bayer gerne behalten.
Wie viele TSV-Athleten möchten Sie bei der WM 2009 in Berlin sehen?
Paul Heinz Wellmann:
Ich wünsche mir ein Dutzend. In Peking hatten wir zehn Athleten. Bei Welt- und Europameisterschaften qualifizieren sich erfahrungsgemäß immer etwas mehr. Steffi Nerius, Markus Esser, Danny Ecker, Jennifer Oeser und Silke Spiegelburg haben die besten Chancen. Zum erweiterten Kreis zähle ich Robin Schembera, Aleixo-Platini Menga (DM-Dritter über 200 Meter, d. Red.), Anne-Kathrin Elbe, Linda Stahl (WM-Achte im Speerwurf 2007, d. Red.) oder Katharina Molitor (Olympiaachte im Speerwurf, d. Red.). Auch Malte Mohr (DM-Siebter 2008 im Stabhochsprung, d. Red.) wird sich 2009 zu einer Rakete entwickeln, wenn er verletzungsfrei bleibt. Also 16 Athleten können sich durchaus WM-Hoffnungen machen.
Noch etwas konkreter: Mit wie vielen Medaillen rechen Sie?
Paul Heinz Wellmann:
2007 waren es zwei, in diesem Jahr keine. Nächstes Jahr sind wieder zwei Medaillen mein Ziel.
Sehen Sie den TSV Bayer 04 Leverkusen noch als Leichtathletik-Verein Nummer eins in Deutschland?
Paul Heinz Wellmann:
Ja, und wir werden alles dafür tun, damit das so bleibt. Wir haben über 40 Bundeskaderathleten im Klub. Das ist nationale Spitze. Aber ich freue mich auch, dass es in Wattenscheid, Frankfurt, Sindelfingen oder Hamburg voran geht. Besonders der TV Wattenscheid 01 ist mit uns bei nationalen Meisterschaften mittlerweile auf Augenhöhe. Abgesehen davon finde ich aber, dass die Beziehung zwischen dem Athleten und seinem Trainer die größere Rolle spielt als das Vereinslogo, das er auf der Brust trägt.