Paul Meier - „Meisterprüfung in Berlin“
Zehnkämpfer Paul Meier war in den Neunziger Jahren einer der populärsten deutschen Leichtathleten, 1993 gewann er bei den Weltmeisterschaften in Stuttgart Bronze. Heute ist der 37-Jährige Präsident des Zehnkampf-Teams, gibt in einem Interview einen Überblick über den Stand der Saison-Vorbereitung der Zehnkämpfer und wagt einen Ausblick auf die Weltmeisterschaften in Berlin.
Paul Meier, Deutschlands Top-Zehnkämpfer bereiten sich momentan in Südafrika auf die WM-Saison vor. Welche Marschroute schlägt einer der letzten deutschen WM-Medaillengewinner im Zehnkampf seinen „Nachfolgern“ für die Titelkämpfe im eigenen Land vor? Paul Meier: Ich denke, die Jungs und ihre Trainer wissen ganz genau, was auf sie zukommt und haben die Saisonplanung darauf ausgerichtet. Jetzt in der Vorbereitung in Südafrika ist es natürlich enorm wichtig, das Kleine Einmaleins abzuklopfen und Grundlagen zu schaffen. Das sind die Einheiten, die richtig wehtun. Bei der zweiten Schwerpunktsetzung in Antibes Ende April, Anfang Mai geht es dann darum, in den hoch intensiven Bereich vorzustoßen, um für den Saisonauftakt in Götzis gewappnet zu sein. In Berlin sollte dann die Meisterprüfung abgelegt werden.Besteht bei der herausragenden Bedeutung einer Heim-WM nicht die Gefahr, dass einige im Training überziehen, sich verletzen und damit ihre Ziele aufs Spiel setzen?Paul Meier:Es gibt mittlerweile jedes Jahr ein Top-Ereignis. Entsprechend sind die Athleten jedes Jahr extrem gefordert. Sicherlich ist eine WM im eigenen Land ein besonderer emotionaler Höhepunkt und der ein oder andere wird noch mehr investieren als in den Jahren zuvor. Dank der medizinischen und wissenschaftlichen Unterstützung kann das Risiko eines Überziehens allerdings gering gehalten werden.
Hilft der emotionale Schub auch, um den Abstand zu den weltbesten Zehnkämpfern möglichst gering halten zu können?
Paul Meier: In dieser Saison überlagern sich zwei positive Aspekte. Zum einen gibt es im eigenen Lager eine enorme Konkurrenz, zum anderen finden die Titelkämpfe im eigenen Land statt. Allein deshalb bin ich davon überzeugt, dass die Punktzahlen der deutschen Zehnkämpfer auf jeden Fall höher sein werden als bei Olympia im letzten Jahr. Vor allen Dingen wenn die Zuschauer spüren, dass etwas Besonderes möglich ist, wirst du von einer Welle getragen. Ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich an die Minuten langen „Paul-Meier“-Gesänge 1993 denke. In Stuttgart gab es vom ersten Startschuss an ein perfektes Zusammenspiel zwischen den deutschen Athleten und den Zuschauern. Das ist sicherlich auch in Berlin möglich.Aber reicht das aus, um die heiß ersehnte und vor Jahren als Ziel ausgegebene Medaille zu erreichen?
Paul Meier:
Egal, welcher deutsche Zehnkämpfer antritt: Unsere Jungs haben durchweg einen starken zweiten Tag. Das heißt: Wenn sie am ersten Tag in Medaillennähe bleiben und der Abstand nicht zu groß wird, ist eine Medaille nicht unrealistisch. Zumal die Konkurrenz dann weiß, dass ihnen Gegner im Nacken sitzen, die Disziplin für Disziplin Punkte gut machen. Eine Medaille an einer Punktzahl festzumachen - es geistert ja die Zahl von 8.500 Punkten herum - ist höchst spekulativ, denn keiner weiß, wie der Wettkampf läuft: Wie sind die Bedingungen? Regnet es? Gibt es prominente Ausfälle? Um nur einige Aspekte zu nennen. Eines steht auf jeden Fall fest: Wie immer bei einem Höhepunkt in der Leichtathletik wird der Zehnkampf die Massen begeistern.