Pawel Wojciechowski - Polens Goldjunge
Polens Leichtathleten haben bei der WM in Daegu (Südkorea) viel zu verteidigen gehabt: Bei den Weltmeisterschaften zwei Jahre zuvor in Berlin waren sie mit zweimal Gold, viermal Silber und zweimal Bronze so erfolgreich wie nie. Kein Wunder, dass Verbands-Präsident George Skucha, die Medien in unserem Nachbarland und viele Fans das Abschneiden in Daegu „sehr enttäuschend“ nannten: Nur eine Medaille. Umso mehr wurde das Gold des Stabhochspringers Pawel Wojciechowski gefeiert.

Zweimal hatte der WM-Sieg an einem seidenen Faden gehangen. Zuerst als Pawel Wojciechowski nur mit Mühe und Not die Qualifikation überstanden hatte.
Steve Hooker spricht Mut zu
„Er hatte im Akklimatisierungslager in Geochang und in Daegu selbst große Schwierig-keiten mit dem Zeitunterschied zwischen Mitteleuropa und Ostasien. Er hatte wenig Schlaf“, wussten polnische Journalisten zu berichten. Australiens Olympiasieger und Titelverteidiger Steve Hooker, der dreimal an seiner Anfangshöhe gescheitert war, sprach ihm Mut zu: „Du hast wenigstens noch ein zweites Leben im Finale. Nutze es!“
Doch es fehlte nicht viel, dann hätte es dieses „zweite Leben“ nicht gegeben. Als Pawel Wojciechowski am Morgen des Finaltags aufgewacht war, konnte er kaum aus dem Bett aufstehen. Er leidet von Zeit zu Zeit an einer verminderten Belastbarkeit der Wirbelsäule, hieß es zur Erklärung. Zum Glück konnten die Verbandsärzte helfen.
„Im Wettkampf habe ich bei jedem meiner Versuche an die Worte von Steve Hooker gedacht“, gestand er später. Und so konnte der Sohn eines Postangestellten und einer Verkäuferin an seinen großen Höhenflug anknüpfen, der ihm zwei Wochen vor dem WM-Finale unter dem Jubel von mehreren tausend Polen bei einem Springen in Szczecin (Stettin) mit 5,91 Metern gelungen war.
Küsschen von Irena Szewinska
Es war die letzte Veränderung auf einem Spitzenplatz der Weltbestenliste 2011 vor der WM. Und endlich eine Verbesserung des 23 Jahren Landesrekordes von Miroslaw Chmara, einem anderen Weltklassespringer aus Bydgoszcz. Polens größte Athletin Irena Szewinska gehörte mit einem Kuss zu den ersten Gratulanten.
Erst die Höhe von 6,01 Metern, die er zweimal auflegen ließ, hatte am 15. August den Tatendrang des U23-Europameisters gestoppt. Ein Mann, der in jedem Wettkampf für eine Weltklassehöhe gut ist, war der 22-jährige jedoch noch nicht. Zwei Tage nach dem Rekordsprung, als er fast schon auf gepackten Koffern für die Reise nach Korea saß, unterlag er mit 5,50 Metern dem mit weniger Fehlversuchen erfolgreichen Leverkusener Hendrik Gruber.
Dramatisches WM-Finale
Im dramatischen Finale von Daegu sah es bei 5,85 Metern zunächst zwar nach einer polnischen Medaille, aber weniger nach einem Sieg für Pawel Wojciechowski aus. Nicht nur Frankreichs Europameister Renaud Lavillenie, sondern auch der Kubaner Lazaro Borges und der zweite Pole Lukasz Michalski schafften 5,85 Meter im ersten Versuch. Der spätere Weltmeister und der Münchner Malte Mohr dagegen scheiterten.
Während der U23-Europameister die beiden verbleibenden Versuche für 5,90 Meter aufsparte, überwand der Deutsche Meister die 5,85 Meter im dritten Versuch, höher ging es aber nicht. Pawel Wojciechowski gelang dagegen das Pokerstück: Mit seinem zweiten Versuch meisterte der Jüngste unter allen 16 Finalisten 5,90 Meter. Außenseiter Lazaro Borges schaffte es einen Versuch später, Favorit Renaud Lavillenie und Lukasz Michalski scheiterten dagegen genauso wie Malte Mohr.
„Ich war so erschöpft, dass ich am liebsten nicht mehr gesprungen wäre. Der Kubaner dagegen sah immer noch bärenstark aus. Ich wäre auch mit der Silbermedaille zufrieden gewesen“, gestand der Weltmeister später.
Trainerfuchs
Der Trainerfuchs Wlodzimierz Michalski, der seinen Sohn Lukasz und Pawel Wojcie-chowski betreut, sah natürlich, dass er nun noch einmal pokern musste. „Sechs Meter, sechs Meter“, schrie er in den Innenraum. Er wollte, dass Lazaro Borges 5,95 Meter allein angehen solle und damit zwischen den Versuchen weniger Zeit hat. Da aber die Uhr für den Polen bereits lief, musste er 5,95 Meter versuchen. Er, aber auch sein Geg-ner, scheiterten dreimal. Und damit war der Triumph für einen den Springer aus Byd-goszcz perfekt.
Interessant war die Reaktion des dritten polnischen Stabhochspringers nach den Olympiasiegern Tadeusz Slusarski (1976) und Wladyslaw Kozakiewicz (1980), der bei einem globalen Championat siegte: „Ich bin ziemlich erschrocken über mich. Nun muss ich lernen mit diesem Erfolg zu leben. Ich denke, es wird schrecklich anstrengend.“
Sechs Meter und Kardiologie
Einen Wunsch, den er sich erfüllen wollte, gab er bald preis: „Ich möchte gern mit meiner Freundin zusammenziehen.“ Mit jener hübschen Blondine, die von polnischen Zeitungen beim Empfang auf dem Flughafen an seiner Seite abgebildet wurde. Und er will einen Rat von Wladiylaw Kozakiewicz befolgen, bei den Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele 2012 auf dem bisherigen Weg fortzufahren und bescheiden wie bisher zu bleiben.
Und natürlich wird er weiter bei Wlodzimierz Michaski trainieren. Von ihm sagt er: „Er behandelt jeden in unserer Trainingsgruppe gleich, er begünstigt seinen Sohn nicht!“ Die Ziele des 23-Jährigen sind auch klar: „Ich möchte in London sechs Meter springen und nach meinem Medizinstudium Kardiologe werden.