Perspektivwechsel - Blick durchs Kameraobjektiv
Einmal nett lächeln bitte? Wenn das im Sport so einfach wäre! Ein Wettkampf verlangt nicht nur von Athleten, sondern auch von Fotografen Höchstleistungen. Dreispringerin Eva Linnenbaum (ART Düsseldorf) hat die Perspektive gewechselt und sich von einem Fotografen seine Wettkampfsicht beschreiben lassen. Dabei hat sie erstaunlich viele Parallelen zum Sportler entdeckt.
Wettkämpfe finden im Sommer nahezu jedes Wochenende statt. Ob Sportfest, regionale oder nationale Meisterschaften, Meetings oder internationale Höhepunkte: Leichtathleten versuchen in diesen Wochen, ihre individuelle Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.Doch nicht nur die Athleten, Trainer und Betreuer spüren - und lieben - an diesen Tagen die besondere Anspannung, die ein Wettkampf mit sich bringt. Es gibt auch eine Gruppe von Menschen, die ebenfalls von Sportplatz zu Sportplatz reist, um Leistungen abzuliefern: die Sportfotografen. So unterschiedlich auf den ersten Blick die Aufgaben von Athleten und Fotografen erscheinen, so gibt es doch zahlreiche Parallelen und interessante Überschneidungen.
Talent, Training, Timing
Talent, Motivation und regelmäßiges Training sind wesentliche Voraussetzungen dafür, dass sich Athletinnen und Athleten am Wettkampftag über erfolgreiche Leistungen freuen können. Auch der Sportfotograf braucht eine relativ lange „Trainingsphase“: Er muss sich intensiv mit den technischen Raffinessen digitaler Kameras - heutiger Standard in der Sportfotografie - auseinandersetzen.
Diese Kameras können meist „selbstständig“ die Bildqualität verbessern. Doch das goldrichtige Foto gelingt nur dann, wenn derjenige, der den Auslöser bedient, mit Fingerspitzengefühl, Übung und Erfahrung das richtige Objektiv und die optimale Einstellung der Blende gefunden hat.
Auch das Studieren der Teilnehmerfelder, das Auswendiglernen der Startnummern von noch unbekannten Athleten und des Zeitplans gehören für einen Fotografen zur unmittelbaren Wettkampfvorbereitung. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer akribischen Vorbereitung.
Künstlerische Qualitäten
Zum perfekten Bild kommen künstlerische Qualitäten des Fotografen hinzu: die Wahl der optimalen Perspektive, der ansprechenden Einstellungsgröße des Sportlers zum umgebenden Bildfeld und die Wahl des entscheidenden Augenblicks im Bewegungsablauf.
Für einen guten Fotografen sollte es Teil seines Berufsethos sein, Fotos von Sportlern mit beispielsweise völlig verzerrten Gesichtern oder technisch verkorksten Positionen nicht herauszugeben.
Fokussiert auf den Auftrag
Während eines Wettkampfs hat der Athlet optimalerweise den viel zitierten Tunnelblick. Er ist fokussiert auf seine eigenen Bewegungsabläufe und lässt sich nicht durch die Leistungen anderer, durch Lärm, das Wetter oder sonstige Herausforderungen ablenken.
Auch der Sportfotograf ist während des Wettkampfs unter Hochspannung: Häufig werden im Vorfeld mit der Redaktion lokaler Zeitungen Aufträge vereinbart. Es gilt, bestimmte Leistungsträger bei ihren jeweiligen Paradedisziplinen abzulichten. Das kann auch bedeuten, dass in einem Finale Fotos von Athleten auf Bahn zwei und sechs geschossen werden müssen - keine leichte Aufgabe innerhalb weniger Sekunden oder sogar in Bruchteilen einer Sekunde!
Manche Sportfotografen haben sogar den Auftrag, alle Sieger einer Meisterschaft zu erfassen. 60 bis 200 Bilder an einem Wochenende zu liefern ist dann eine planungstechnische Herausforderung. Sie setzt strapazierfähige Nerven und schnelle Füße voraus, um in allen den nachgefragten Disziplinen das Objektiv auf die Stars scharf zu stellen.
Gute und schlechte Tage
Athleten sind Menschen und keine Maschinen, die an jedem Wochenende gleich gut funktionieren. Auch bei Sportfotografen gibt es trotz intensiver Vorbereitung gute und weniger gute Tage. Die klassischen Motive gelingen einem erfahrenen Sportfotografen meist problemlos. Die Schwierigkeit besteht darin, immer wieder außergewöhnliche Motive zu finden - und das an sich bewegenden Menschen.
„Die Startnummer fixieren, mitziehen und ja nicht den Fokus verlieren - das wäre fatal, denn bei einem Finale gibt es nur die eine Möglichkeit, das goldrichtige Foto zu schießen“, beschreibt ein Sportfotograf die Herausforderung seines Berufs.
Häufig fragen Athleten nach ihrem Wettkampf nach den Ergebnissen ihrer Konkurrenten oder nach den Leistungen in anderen Disziplinen. Aber bei der Fokussierung auf die eigene Leistung ist es oft nicht möglich, die Geschehnisse der anderen zu verfolgen - da geht es den Fotografen wie den Athleten: „Man hat seine Aufträge, muss seinen Zeitplan einhalten und schauen, dass die Motive passen. Da bleibt keine Zeit für Details oder gar einen Gesamtüberblick übrig!“
Unterschiedliche Ausbildungswege
Die Wege zur Sportfotografie sind sehr unterschiedlich. Neben der professionellen Ausbildung gibt es Autodidakten, die sich ihr Können überwiegend selbst beigebracht haben, oder Spätberufene, die ihr Talent erst nach einigen Jahren Berufserfahrung in anderen Metiers entdeckt haben.
Auch der Ehrgeiz der Fotografen ist unterschiedlich. Wie beim Sport findet man Menschen, die sich die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft als Ziel setzen, und es gibt Fotografen, die ihre Zufriedenheit bei kleineren Sportereignissen suchen und finden.
Mehr Gelassenheit bei Sprüngen und Würfen
Die Leichtathletik lebt durch die Vielfalt, die Fülle an Disziplinen. Viele Athleten lieben ihre Paradedisziplin und meiden andere Disziplinen, die sie nicht einmal im Training ausprobieren wollen.
Auch die Sportfotografen haben meistens Vorlieben und Pflichtübungen. Zeitliche Vorteile bei den Sprüngen und Würfen sind nicht zu verkennen: Die strukturierte Reihenfolge des Startfeldes und die Mindestanzahl von drei Versuchen im Vorkampf ermöglichen verschiedene Kamerapositionen und ein wenig mehr Gelassenheit.
Spektakulärste Motive im Stabhochsprung
„Die spektakulärsten Motive gibt es beim Stabhochsprung und bei einer Weitsprunglandung“, berichtet ein Sportfotograf. Aber auch der aufgenommene Wasserschwamm beim Marathon oder die Dramen am Wassergraben bringen interessante Fotos. Gefährlich wird es schon mal bei den Würfen. „Wenn ich ein Foto von vorne schießen will, bewege ich mich häufig am Sektorrand, was zu heiklen Situationen führen kann.“
Jede Professur - sei es die von Athleten, Trainern, Mentaltrainern, Physiotherapeuten, Medizinern oder eben auch von Sportfotografen - erfordert Leidenschaft und Hingabe. Mit diesen Merkmalen kommt die Leistung - häufig - von allein.