Peter Esenwein - „Ein ‚zu alt’ gibt es nicht“
Speerwerfer Peter Esenwein (LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg) hat sich von der verpassten Olympiateilnahme nicht unterkriegen lassen und peilt jetzt die WM 2009 in Berlin an. Im Interview erklärt der EM-Sechste von 2006, woher er sich mit 40 Jahren noch den Antrieb und die Kicks für die Zukunft holt.
Peter Esenwein, Sie haben auf den Wettkampf beim Weltfinale vor Ihrer Haustüre in Stuttgart verzichtet, obwohl Sie über eine Wildcard eine Startberechtigung gehabt hätten. Warum?Peter Esenwein:
Ich konnte zuletzt wegen Schmerzen im Bereich des Sehnenansatzes meiner rechten Schulter nicht richtig trainieren. Die Verletzung habe ich mir zugezogen, weil ich nach den Deutschen Meisterschaften im Juli in Nürnberg bei fünf Wettkämpfen in zwölf Tagen geworfen hatte – schließlich wollte ich die Qualifikation für die Olympischen Spiele noch unbedingt schaffen. Leider hat das nicht geklappt. Außerdem habe ich mit der Wildcard gar nicht gerechnet und habe deswegen meinen Trainingsumfang zum Ende der Saison bereits heruntergefahren.
Wie fällt Ihre persönliche Bilanz nach dem Wettkampfjahr 2008 aus?
Peter Esenwein:
Natürlich negativ. Mein großes Ziel, in Peking zu starten, habe ich nicht erreicht. Das Jahr begann mit einer Leistenoperation im April, nach der ich zunächst sechs Wochen lang pausieren musste. Dann wurde meine Form aber besser, und im Juni in Schönbeck habe ich die Olympianorm von 82,00 Metern um 72 Zentimeter übertroffen. Im Anschluss wollte ich die Norm beim Europacup in Annecy ein zweites Mal bestätigen, um das Ticket nach China zu lösen. Dummerweise war die Anlaufbahn in Annecy ein Unding, ich bin nur durch die Gegend gerutscht und habe mir dabei den Adduktor gezerrt: also wieder zwei Wochen Pause. Bei der DM hat es geregnet wie die Sau, was mich meinem Ziel auch nicht gerade näher gebracht hat. Ich hatte ganz schön viel Pech dieses Jahr.
Im Dezember werden Sie 41 Jahre alt. Die große Frage ist natürlich, ob Sie 2009 noch eine Saison dranhängen?
Peter Esenwein:
Ja, ich will weitermachen und bei der Weltmeisterschaft in Berlin werfen. Das ist mein Antrieb. Ohne die WM im eigenen Land würde ich meine Karriere nun wohl beenden. Aber ich habe gemerkt, dass der Speer noch richtig weit fliegen kann. Das will ich nutzen.
Gibt es für Sie nach zwölf Jahren Hochleistungssport noch Neues und Spannendes im Speerwurf zu entdecken?
Peter Esenwein:
Ja, klar. Ich drehe ganz bewusst an den kleinen Rädern und baue in mein Kraft- und Techniktraining immer neue, abwechslungsreiche Übungen und Elemente ein. Das Ergebnis ist, dass ich mich in meinen Kraft- oder Sprintwerten immer wieder selbst toppe. Das gibt mir die Motivation und den Kick für die Zukunft.
Werden Sie manchmal wütend, wenn man Sie als „zu alt zum Speerwerfen“ bezeichnet?
Peter Esenwein:
Das lässt mich relativ kalt. Vielleicht sagen das manche Menschen ja nur, weil sie unzufrieden sind, dass sie selbst nicht so lange Leistungssport betreiben konnten. In der Leichtathletik gibt es zum Glück klar messbare Werte. Entweder du schaffst die Norm und damit die Qualifikation oder eben nicht. Die Ergebnisse sprechen für sich, ein „zu alt“ gibt es da nicht.
Wo haben Sie sich das Speerwurffinale der Olympischen Spiele angeschaut?
Peter Esenwein:
Vor dem Fernseher mit meiner Freundin.
Was ging dabei in Ihnen vor?
Peter Esenwein:
Na ja, emotionslos habe ich das natürlich nicht verfolgt, das können Sie mir glauben. Mir wurde klar, dass ich da eigentlich dazugehöre. Ich habe Leistungen und Weiten gesehen, die ich in diesem Jahr auch schon erreicht habe. Der Norweger Andreas Thorkildsen war mit 90,57 Metern eine Klasse für sich. Am meisten berührt hat mich aber die Silbermedaille für Ainars Kovals aus Lettland (86,64 m, d. Red.). Er wurde als dritter lettischer Werfer mit nach Peking geschickt, obwohl er die A-Norm des internationalen Leichtathletik-Verbandes (81,80 m, d. Red.) zuvor nicht erfüllt hatte. Der lettische Verband hat ihm trotzdem das Vertrauen geschenkt. Da habe ich mich gefragt, wo das Vertrauen meines Verbandes geblieben ist.
Mit Christina Obergföll, Steffi Nerius und Katharina Molitor haben es drei deutsche Speerwerferinnen ins Olympiafinale geschafft, während die männlichen Kollegen Stephan Steding und Alexander Vieweg deutlich in der Qualifikation scheiterten. Wo liegen die Unterschiede?
Peter Esenwein:
Von den Vorleistungen her war die Hoffnung schon berechtigt, dass es die Jungs auch in den Endkampf schaffen. Aber eine Qualifikation bei Olympischen Spielen ist einfach ein mords Ding. Das war für Stephan und Alexander etwas gänzlich Neues. Die deutschen Frauen sind da schon erfahrener und abgezockter.
Obwohl Sie noch ein Jahr dranhängen, werden Sie sich sicher schon Gedanken über das Leben nach dem Leistungssport gemacht haben.
Peter Esenwein:
Stimmt. Ich habe Betriebs- und Volkswirtschaftslehre in Nürtingen studiert und kann mir gut vorstellen, später in diesem Bereich zu arbeiten. Es war mir immer wichtig, neben dem Sport auch was für den Kopf und für meine Zukunft zu machen. Außerdem bin ich beim Württembergischen Leichtathletik-Verband als Verbandstrainer angestellt und gebe Stützpunkttraining in Schwäbisch Gmünd.
In Ihrer Heimat Göppingen spielt der Handball-Bundesligist Frisch Auf. Mit ihrem Wurfarm wären Sie bestimmt eine gute Waffe aus dem Rückraum. Haben Sie mal überlegt, zum Handball zu wechseln?
Peter Esenwein:
In der Tat habe ich früher in Fellbach in der Oberliga gespielt. Es wäre auch möglich gewesen, im Handball Karriere zu machen. Ich habe mich dann aber für das Speerwerfen entschieden. Jetzt fange ich sicher nicht wieder mit dem Handball an – aber zu den Heimspielen von Frisch Auf Göppingen gehe ich immer wieder gerne.