Peter Esenwein und der Ruf als tragischer Held
Peter Esenwein ist ein geduldiger Mensch. Diese Eigenschaft half dem Speerwerfer aus Kornwestheim schon über viele Enttäuschungen hinweg. Denn bisher war der Schwabe immer so eine Art tragischer Held. In den vergangenen Jahren übertraf er regelmäßig die geforderte Norm für diverse Welt- und Europameisterschaften. Und blieb doch jedes Mal zuhause. Es war wie verhext. Doch die Zeiten sind erst mal vorbei.
Peter Esenwein hat sich auch beim Europacup wieder für Olympia empfohlen (Foto: Chai)
Am letzten Wochenende feierte Peter Esenwein beim Leichtathletik-Europacup im polnischen Bydgoszcz als Zweitplatzierter endlich eine gelungene Premiere im Nationaltrikot. Ein Wurf von 87,20 Metern brachte dem Mann aus Holzhausen, in der Nähe von Göppingen, das Vergnügen, mit 36 Jahren, nun zum ersten Mal für Deutschland zu starten. Das war an Pfingsten in Rehlingen. Noch hat in diesem Sommer kein anderer DLV-Speerwerfer weiter geworfen.
Diese Ehre, im Nationaltrikot antreten zu dürfen, hätte er gerne schon öfter gehabt. Doch gewisse Umstände sprachen bisher dagegen. Mit seinem fortgeschrittenen Alter hat Peter Esenwein allerdings überhaupt keine Probleme. Lieber spät als nie, heißt seine Devise. Er fühlt sich im besten Speerwurfalter. "Peter Blank aus Frankfurt hat mit 40 Jahren auch noch Bestleistung geworfen", kontert der Kornwestheimer. Also was soll`s. Nicht auf die Jahre kommt es an, sondern auf die Form - und die scheint zu stimmen, zumal er die geforderte Norm für die Olympischen Spiele in Athen inzwischen schon drei Mal, zuletzt mit 82,43 Metern auch in Bydgoszcz, übertroffen hat.
Dabei ist der Werfer kein Profi. Er hat auch noch etwas anderes zu tun, als den Speer möglichst weit hinaus zu schleudern, arbeitet als Betriebsleiter in einem Entsorgungsunternehmen. Dort hat er einen 30-Stunden-Vertrag. Genug, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen und sich dennoch ausreichend um sein Training zu kümmern. Coach hat er keinen. Inzwischen weiß er selbst, was ihm gut tut.
Tipps von den Kollegen
Mit 13 Jahren hat er angefangen, seitdem widmet er sich dem Speerwurf, zwischendurch hat er auch mal Handball gespielt. Doch immer wieder trieb es ihn zum Speerwerfen zurück. "Ich hatte einen guten Jugendtrainer, der hat mir viel beigebracht. Nun hole ich mir Tipps von anderen Werfern. Ich versuche immer von anderen etwas anzunehmen." Dennoch macht er sein Ding.
Aber Peter Esenwein ist vorsichtig geworden. Davon abgesehen ist er Realist. Gewisse Illusionen sind ihm längst abhanden gekommen. Dazu hat er schon zu viel erlebt. Manchmal hatte er in der Vergangenheit das Gefühl, keine Lobby zu haben bei den Funktionären.
Nach seinem Superwurf in Rehlingen muss er an Pfingsten eine gewisse Genugtuung verspürt haben. Doch Peter Esenwein ist viel zu bescheiden, dies auszusprechen. "Dazu möchte ich nichts sagen", antwortet der 36-jährige Oldie. Er spricht lieber über andere als von und über sich selbst.
Männerfreundschaft mit Boris Henry
Mit Boris Henry, der im Augenblick wegen einer Schulterverletzung außer Gefecht ist, verbindet ihn ein richtige Männerfreundschaft. Bei seinen Interviews lobt er den Saarländer in den höchsten Tönen ("Es ist eine Augenweide, ihn werfen zu sehen"), erst dann erzählt er ein wenig über sich selbst. Obwohl in diesem Fall zum ersten Mal doch er die Hauptperson ist. Immerhin haben in diesem Jahr bisher weltweit nur zwei andere Athleten weiter geworfen als der Mann im grün-gelben Trikot. Doch auch an Erfolge muss man sich erst gewöhnen.
Dabei ist Peter Esenwein immer für eine Überraschung gut. "Ich möchte meinen Wurf der Mutter von Boris widmen, die im März völlig überraschend gestorben ist", sagte er kurz nach seinem Clou völlig ergriffen. Irgendwie ist das typisch für den bescheidenen Athleten. Auch macht er sich nichts vor.
Noch ist er nicht in Athen. "Ich bin sicher, dass die Norm sechs, sieben Athleten werfen. Wer sich in Deutschland qualifiziert, ist nicht zwangsläufig bei den Olympischen Spielen dabei." In dieser Disziplin sind die Deutschen einfach zu gut.
Gebrandmarkt
Peter Esenwein ist gebrandmarkt. Bisher scheiterte der schwarzhaarige Hüne immer knapp an ein paar Zentimetern - und zu den internationalen Meisterschaften fuhren andere. Seit 1998 musste er sich Olympia, Welt- und Europameisterschaften jedes Mal zuhause am Fernsehen ansehen. Das brachte ihm auch den Ruf ein, keine sonderlich guten Nerven zu haben.
Besonders tragisch: der Speerwerfer hatte auch Chancen sich als Anschieber im Viererbob bei Christoph Langen für die Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake zu qualifizieren, scheiterte am Ende, weil er eine Hundertstel Sekunde zu langsam war.
Über die Jahre hat sich Peter Esenwein ein dickes Fell angeeignet. Seine Motivation hat der Schwabe allerdings nie verloren. "Ich habe ja gute Leistungen gebracht, war immer in der Nähe der Weltklassewerfer, deshalb habe ich mir nichts vorzuwerfen."
Rückschläge als Ansporn
Zumal er auch immer wieder bei internationalen Meetings dabei war. Auch wenn er in diesem Sommer schon mit den 87,20 Metern einige Werferkollegen ziemlich geschockt hat, die Entscheidung, wer nach Athen fährt, fällt wohl endgültig erst bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig. Nachdem schon jetzt mehr als drei Speerwerfer die Norm haben, entscheiden die Platzierungen, wobei Peter Esenwein nun auf seinen zweiten Platz beim Europacup, dem in den Nominierungsrichtlinien besondere Bedeutung beikommt, verweisen kann.
Der Mann vom LAC Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg hat oft genug Enttäuschungen erlebt. "Die Rückschläge haben mich immer umso mehr angespornt." Mit solchen Eventualitäten kann er umgehen. Seine Erwartungen sind nicht mehr sehr hoch. Denn Peter Esenwein weiß ganz genau: es könnte durchaus passieren, dass er am Ende wieder irgendwie, wegen irgendwas als der tragische Held dasteht. Mit einem kleinen Unterschied: es tut nicht mehr so weh wie früher. Aber vielleicht zahlt sich seine Geduld in diesem Jahr endlich einmal aus.