Philip Kipketer kam, sah und siegte
Die Nachmittagssone brannte erbarmungslos, und Hunderte von Zuschauern entlang der Zielgeraden vorm antiken Schloss kamen schon ins Schwitzen, wenn sie dem mehr als 1000 Teilnehmer starken Feld den wohlverdienten Beifall als Motivationshilfe verabreichten. Nur einer blieb in der Hitze des Marathon-Gefechts ganz cool: Philip Kipketer, ein Nandi, einer vom Volk der Auserwählten, denen das flotte Laufen im Blut liegt. "Heute war es nicht zu warm", meinte der strahlende Sieger beim 20. Steinfurter Marathon, "da bin ich ganz andere Temperaturen gewöhnt." Daheim im fernen Kenia stürmt er bei sengender Hitze die Berge hoch. Dort oben, in der dünnen Höhenluft, wo sportlich ungeübte Touristen ruckzuck nach Luft japsen, hat er sich den letzten Schliff geholt für seinen gelungenen Auftritt im Münsterland.
Gleich drei Läufer schneller als der alte Streckenrekord
"Super", jubilierte Ralf Kleemann, der Cheforganisator vom ausrichtenden Verein TB Burgsteinfurt, "das ist neuer Streckenrekord." Den alten (2:25:07) hielt bis dato der Pole Janusz Sarnicki, der sich nach vier Erfolgen hintereinander diesmal mit dem dritten Rang in 2:24:33 Stunden begnügen musste. Zwischen ihm, der im vergangenen Herbst die glanzvolle Marathon-Premiere in Münster gewonnen hatte, und dem Kenianer lag noch sein Landsmann Wiczynski, der seinerseits 2:23:52 Stunden benötigte. "Drei Mann unter 2:25", staunte Kleemann und schüttelte ungläubig sein Haupt, "damit hatte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet."
Anreise direkt aus Kenia
Dann gratulierte er Paul Boltersdorf, der sich über den Coup von Philip Kipketer diebisch freute. Boltersdorf, ein Diplomsportlehrer aus dem Eifelstädtchen Kreuzau, hat mehrere Kenianer, darunter auch den 20 Jahre jungen Kipketer, an der Hand, die bei den deutschen Straßenläufen Jagd machen auf lukrative Preisgelder. "Philip ist erst tags zuvor eingeflogen", erzählte er, "ich habe ihn auf dem Düsseldorfer Flughafen eingesammelt, und jetzt sind wir hier in Steinfurt." Sein Kurztrip ins Münsterland hat sich bezahlt gemacht. 1000 Euro Prämie kassierte Kipketer für Platz eins und weitere 500 Euro für den Streckenrekord. "Das ist sehr viel Geld", betonte Boltersdorf, "wer in Kenia 50 Euro im Monat nach Hause bringt, gilt schon als Top-Verdiener".
Philip Kipketer, eines von unzähligen Nachwuchstalenten, die in diesem Land wie Pilze aus dem Boden sprießen, will deshalb raus aus Kenia, einem der Armenhäuser Ostafrikas, er will den Duft der großen weiten Welt einatmen und hofft darauf, dass es ihm künftig besser ergehen soll als den 27 Millionen Menschen daheim, die bei einer Arbeitslosenquote von über 60 Prozent ein trauriges Dasein fristen.
20. Steinfurt-Marathon, 22. März 2003
Männer:
1. Philip Kipketer, KEN 2:23:26
2. Tomasz Wilczynski, POL 2:23:52
3. Janusz Sarnicki, POL 2:24:33
4. Tomasz Chawawko, POL 2:27:25
5. Ralf Preibisch, SCC Berlin 2:28:47
6. Pjotr Sliwiak, POL 2:33:05
Frauen:
1. Karina Szymanska, POL 2:41:49
2. Isabella Bernhard, TSG Maxdorf 2:47:00
3. Dorota Ustianowska, POL 2:58:33