Die leichtathletik.de-Analyse – Mehrkampf
Der Leichtathletik-Sommer 2005 ist Geschichte. Die deutsche Szene war in den letzten Monaten nach dem Tief bei den Olympischen Spielen in Athen wieder von einem Aufwind ergriffen. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2005, blickt auf 2006 voraus und stellt die neuen Hoffnungsträger vor.
Zehnkämpfer André Niklaus sorgte bei der WM für Furore (Foto: Chai)
ZEHNKAMPFSo stehen die DLV-Asse international:
Ohne deutsche Mitstreiter marschierte André Niklaus (LG Nike Berlin) bei der WM in Helsinki von Disziplin zu Disziplin, um am Ende mit neuer persönlicher Bestleistung von 8.316 Punkten sensationell Vierter zu werden. In der IAAF-Weltrangliste landete der Berliner, ebenso wie in der "World Combined Challenge" auf Rang sechs.
Norman Müller (Hallesche LAF) verpasste die Top 20 der weltbesten Zehnkämpfer nur um einen Rang. "In der Breite ist uns das eindeutig zu wenig. André ist momentan leider der Einzige, der aus unserem Junior-Team 2000 übrig geblieben ist", schätzt Zehnkampf-Teamleiter Claus Marek die Situation im internationalen Vergleich ein.
Die Bilanz 2005:
Der Zehnkampf-Nachwuchs konnte sich 2005 schadlos halten: "Bei allen internationalen Meisterschaften von der U18 bis zur U23 haben wir eine Medaille geholt", blickt Teamleiter Claus Marek auf eine erfolgreiche Saison zurück. Bei der U18-WM belegten Matthias Prey (Bramstedter TS) und Jan Felix Knobel (LG Eintracht Frankfurt) die Plätze zwei und fünf. Arthur Abele (SSV Ulm) wurde bei der U20-EM ebenso Zweiter. Norman Müller sicherte sich bei der U23-EM im eigenen Land den dritten Platz. Der Deutsche Hallenmeister verfehlte dabei nur um elf Punkte die 8.000er-Marke und ist momentan einer der hoffnungsvollsten Athleten im deutschen Zehnkampf-Team.
Der Nachwuchs macht Claus Marek wenig Sorgen: "Da sind tolle Jungs dabei. Die müssen aber über mehrere Jahre entwickelt werden und vor allem verletzungsfrei durchkommen."
Verletzungen haben in diesem Jahr bessere Ergebnisse der Aktiven verhindert. Olympia-Teilnehmer Dennis Leyckes (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) musste in Ratingen wegen einer Fußverletzung alle WM-Hoffnungen begraben. Lars Albert (LAC Elm) wurde nach einer Fußoperation Zehnter in Götzis, verpasste aber mit 7.920 Punkten die 8.000er-Marke. Beim Gladbecker Christopher Hallmann traten in Götzis Probleme auf, die ihn über die ganze Saison begleiteten.
"Wir müssen uns auf wenige Wettkämpfe im Jahr konzentrieren, da darf man sich kaum Fehler erlauben", gibt Claus Marek zu bedenken. Einen Fehler erlaubte sich Olympia-Teilnehmer Stefan Drews. Der Leverkusener patzte in Ratingen im Hürdenlauf, die WM fand ohne ihn statt. Umso beeindruckender hingegen waren die Vorstellungen von André Niklaus. Er wurde in Götzis Siebter, feierte in Ratingen einen ungefährdeten Sieg und krönte seine Saison mit dem vierten Platz in der "Regenschlacht" von Helsinki. Der Berliner hat sich in diesem Jahr unter die weltbesten Zehnkämpfer gearbeitet. Nach Einschätzung von Claus Marek hat sich André Niklaus "diese Erfolge nach konsequenter Arbeit mehr als verdient. Er hat uns in diesem Jahr bei den Aktiven sehr gut vertreten. Aber insgesamt ist mir das natürlich zu wenig", gibt Claus Marek zu.
Den deutschen Zehnkämpfern fehlt vor allem ein stabiler Unterbau, eine breitere Masse, welche die Elite unterstützt. Beim Europacup im polnischen Bydgoszcz mussten die deutschen Männer trotz großem Einsatz der international noch unerfahrenen Athleten, den Abstieg aus der obersten Liga hinnehmen. Im nächsten Jahr verzichtet der DLV wegen Terminüberschneidungen generell auf einen Start beim Europacup.
Die Chancen 2006:
Die wichtigsten Qualifikationswettkämpfe für die EM in Göteborg werden auch 2006 in Götzis und Ratingen stattfinden. Besonders im eigenen Land wollen sich die Zehnkämpfer so gut wie möglich präsentieren. "Wir müssen uns in Ratingen vor deutschem Publikum so stark wie möglich zeigen, damit insgesamt wieder mehr Interesse am Mehrkampf entsteht. Deshalb soll neben einer Top-Riege auch eine Nachwuchsriege mit jungen deutschen Talenten an den Start gehen", erklärt Claus Marek.
Die Hallen-WM in Moskau ist vor allem für André Niklaus interessant. Für die EM 2006 setzt der Teamleiter ebenso in erster Linie auf den Berliner, er soll sein Leistungsniveau stabilisieren und langfristig die 8.500 Punkte angreifen. Bei der EM ist ein Platz unter den ersten Sechs möglich.
Die Qualifikationsnorm ist aber auch Norman Müller, Lars Albert, Dennis Leyckes oder Christopher Hallmann zuzutrauen, vorausgesetzt alle sind gesund.
Das sind die Hoffnungsträger:
Die Liste der hoffnungsvollen Athleten ist lang. Allen voran stehen die Top-Team-Peking-Kader-Mitglieder Norman Müller und Christopher Hallmann. Pascal Behrenbruch (LG Eintracht Frankfurt) steigerte sich beim USA-Länderkampf auf 7.842 Punkte und ist viertbester Deutscher.
Der deutsche Meister Jacob Minah (LG Göttingen) profitiert von seinen guten Sprintleistungen, muss aber seine Speerwurfschwäche in den Griff bekommen, um vorn mitmischen zu können. Simon Ruckdeschel (LAC Quelle Fürth/München/Würzburg) meldete sich nach langer Verletzung mit einem dritten Rang bei den Deutschen Junioren-Meisterschaften zurück.
SIEBENKAMPF
So stehen die DLV-Asse international:
Fünf deutsche Siebenkämpferinnen stehen in der IAAF-Weltrangliste mit weniger als 100 Punkten Abstand zwischen Platz 14 und 21. Die Führungsposition im deutschen Lager behielt dabei einmal mehr Sonja Kesselschläger (SC Neubrandenburg) mit 6.221 Punkten. Bei der WM kam sie nach einer Sitzbeinverletzung nicht über einen 10. Platz hinaus.
Die Juniorinnen Christine Schulz (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Lilli Schwarzkopf (LC Paderborn) folgen auf Platz 15 und 16. Routinier Karin Ertl (LAC Quelle Fürth/München/Würzburg) musste in Helsinki mit Rückenproblemen aufgeben, 6.163 Punkte reichen für Rang 19 unter den weltbesten Siebenkämpferinnen. Zwei Plätze dahinter folgt die für den SC Potsdam startende Katja Keller.
"Bei der WM haben wir uns auf jeden Fall mehr erhofft. Mit Platz sechs haben wir vor der Saison schon geliebäugelt", schätzt Bundestrainer Klaus Baarck die Ergebnisse des internationalen Höhepunkts aus deutscher Sicht ein. "Leider hatte Sonja nach dem Abbruch in Ratingen keine optimale Vorbereitung auf die WM, dann ist Karin am zweiten Tag verletzt ausgeschieden. Und für Lilli hat die Regeneration nach der U23-EM nicht gereicht."
Die Bilanz 2005:
Sonja Kesselschläger startete in Götzis gut in die Saison. Die dort erzielten 6.221 Punkte konnte sie jedoch nicht mehr verbessern. In Ratingen musste sie aufgeben. Eine bereits aus früheren Tagen bekannte Sitzbeinverletzung behinderte seitdem die Vorbereitung auf die WM. In Helsinki blieb sie mit Platz zehn unter ihren Erwartungen. Am Ende der Saison stellte sie sich bei den Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften in Lage der nationalen Konkurrenz, holte sich dort verdient den Titel, blieb aber knapp unter der 6.000er-Marke.
Karin Ertl qualifizierte sich mit einem überzeugenden Wettkampf in Ratingen für die WM, hatte dort aber mit starken Rückenproblemen zu kämpfen und musste den Wettkampf vorzeitig beenden. Den dritten WM-Startplatz hatte sich Lilli Schwarzkopf erkämpft. Dort kam sie jedoch nicht mehr an die bereits gezeigten Leistungen heran. "Zwei internationale Höhepunkte innerhalb von drei Wochen war sicher etwas zu viel", erklärt Klaus Baarck. "Die U23-EM war für Lilli der geplante Höhepunkt und sie hat sich dort mit dem zweiten Platz sehr gut verkauft."
Mit einem überragenden Siebenkampf startete Christine Schulz in die Saison. Sie steigerte ihre persönliche Bestleistung in Wesel bei optimalen Bedingungen um fast 500 auf 6.199 Punkte. Leider erlitt sie in Ratingen eine ähnliche Verletzung wie Sonja Kesselschläger. Das Problem am Sitzbein zwang sie zum Verzicht auf die U23-EM in Erfurt. "Mittlerweile geht es ihr besser, sie wird medizinisch gut behandelt und ich rechne mit einer guten Leistung im nächsten Jahr", erklärt Disziplintrainer Klaus Baarck.
Die fünftstärkste Deutsche, Katja Keller, erzielte in Götzis ihre beste Leistung und wurde bei der Universiade in Izmir (Türkei) trotz Problemen Vierte. Claudia Tonn, Olympia-Zwölfte aus dem Vorjahr, hatte nach einem Trainerwechsel eine schwierige Saison und blieb mit 6.054 Punkten hinter den Erwartungen zurück. "Claudia hat jetzt eine neue Trainingsgruppe und mit Uwe Florczak einen neuen Trainer, wir müssen abwarten, wie das Training anschlägt", hofft Klaus Baarck auf eine gute Entwicklung.
Die Chancen 2006:
Das Leistungspotenzial im Siebenkampf hat sich in der Breite verbessert, aber es fehlt der internationale Anschluss nach ganz oben. Im Hinblick auf die EM stehen sechs mögliche Starterinnen auf der Liste des Bundestrainers: "Die drei WM-Starterinnen sind natürlich auch im nächsten Jahr Kandidaten für den Höhepunkt. Hinzu kommen Christine Schulz, Katja Keller und Claudia Tonn."
Alle haben nach den Ergebnissen dieser Saison die Möglichkeit, sich eine der drei Fahrkarten nach Göteborg zu sichern. Entscheidender Qualifikationswettkampf wird das Meeting in Ratingen sein. Dort sollen, ebenso wie bei den Männern, auch die Nachwuchsathleten an den Start gebracht werden.
Bei der EM ist ein Platz unter den besten Acht für Sonja Kesselschläger Pflicht, wenn alles perfekt läuft, traut ihr Klaus Baarck auch den Kampf um eine Medaille zu.
National steht die Neubrandenburgerin enorm unter Druck. Ihre deutschen Konkurrentinnen lauern nur wenige Punkte hinter ihr in der Warteschleife. "Sie hat den Anspruch, über 6.400 Punkte zu machen, um international den Anschluss an die absolute Weltspitze herzustellen", erklärt Klaus Baarck die Ziele für die Zukunft.
Das sind die Hoffnungsträger:
Die Siebte der U23-EM, Maren Schwerdtner, und die EM-Zweite der U20, Julia Mächtig (beide SC Neubrandenburg), sind bereits im nächsten Jahr Kandidatinnen für die 6.000 Punkte.
Marlen Buder (LG Nike Berlin), Diana Rach und Romy Gürbig (beide Team Erfurt) haben in diesem Jahr internationale Erfahrungen gesammelt. Marlen Buder wurde bei der U20-EM Zehnte, Diana Rach und Romy Görbig landeten bei der U18-WM auf Platz drei und fünf. Alle drei haben laut Klaus Baarck "Chancen sich für die U20-WM in Peking zu qualifizieren". Liane Weber (SSV Ulm), Siebte der U20-EM, und Claudia Rath (LG Dornburg) sind zwei weitere junge Siebenkämpferinnen mit gutem Entwicklungspotenzial.
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