Prof. Dr. Helmut Digel fordert Reform im Sport
Heftige Kritik am deutschen Sportfördersystem und seinen Entscheidungsträgern: Während der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nach Olympia in London (Großbritannien) nur wenig Anlass zu Veränderungen sieht, fordert der Tübinger Sportsoziologe Prof. Dr. Helmut Digel eine umfassende Reform des deutschen Hochleistungssports und eine Umverteilung der Mittel im DOSB. Eine Leistungsüberprüfung sei auch für die Olympiastützpunkte notwendig, föderale Strukturen in den Bundesländern seien in Frage zu stellen.

Prof. Dr. Helmut Digel (68), ehemaliger Direktor des Instituts für Sportwissenschaft in Tübingen, kritisiert ferner: "Mangelhaft ist in vielen Sportarten die Leistungsdiagnostik, die wissenschaftliche Begleitung ist meist völlig unzureichend, ein professionelles Wissensmanagement zugunsten der Trainer stellt eine Fehlanzeige dar. Ein Aus- und Weiterbildungsprogramm des Leistungssportpersonals ist so gut wie nicht existent."
Der Ex-Handballer, seit Jahren Mitglied im Führungsteam des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, sagt: "Von einer sinnvollen Karriereplanung für Athletinnen und Athleten kann nicht gesprochen werden. Zur Problematik des Trainerberufs in Deutschland liegen alarmierende wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Sinnvolle Schlussfolgerungen und entsprechende Reformmaßnahmen, die daraus abzuleiten wären, sind jedoch nirgendwo zu erkennen."
Neue Verteilung der Mittel
Deshalb glaubt Prof. Dr. Helmut Digel, angesichts dieser Mängel müsse es zunächst vor allem um eine neue Verteilung der vorhandenen Mittel gehen. "Eine neue Effizienz ist gefragt. Kreative Ideen sollten zugelassen sein, erfolgreiche und gelungene Praxismodelle, wie sie in einigen Sportarten in Deutschland anzutreffen sind, sollten beachtet werden. Vor allem sollte die Spitzensportförderung gläserne Verhältnisse aufweisen."
Wenn man sich den Leistungssport schon vom Steuerzahler finanzieren lasse, sei es durchaus angebracht, dass für jeden olympischen Sportfachverband klare und nachvollziehbare Ziele festgelegt würden: "Bei Nichterreichen der Ziele sollten Sanktionen erfolgen und Erfolge angemessen belohnt werden. Will Deutschland bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro das Leistungsniveau von London erhalten und will man gar größere Erfolge erzielen, so ist eine umfassende Reform des deutschen Hochleistungssports dringend angebracht.“
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)