| Zum Abschied

Professor Dr. Helmut Digel: „Bleibe kritischer Begleiter“

DLV-Ehrenpräsident Professor Dr. Helmut Digel nimmt am Montag (17. August) in Peking (China) zum letzten Mal an einer Sitzung des IAAF-Council teil. Beim IAAF-Kongress am Dienstag und Mittwoch kandidiert der 71-Jährige nicht mehr und gibt damit seinen Sitz im Council des Leichtathletik-Weltverbandes ab. Damit endet seine rund 25 Jahre währende Funktionärslaufbahn.
Harald Koken

Seine Ära im 27-köpfigen Führungsgremium des Leichtathletik-Weltverbandes geht zu Ende. Aber ganz abtreten wird Helmut Digel nicht. Auf jeden Fall wolle er sich publizistisch weiterhin zu Wort melden, erklärt der frühere Direktor des Institutes für Sportwissenschaft der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, der weltweit höchstes Ansehen genießt und als absoluter Kenner des internationalen Hochleistungssports gilt. Und als Querdenker, der klare Worte spricht.

Stets war der 71-Jährige, der in Aalen etwa 70 Kilometer östlich von Stuttgart und 50 Kilometer nördlich von Ulm geboren wurde, alles andere als ein schnöder Funktionär. „Ich werde weiter ein kritischer Begleiter der politischen Themen des Sports sein“, so der frühere Handball-Bundesligaspieler und Handballtrainer, der 1994 und 1998 zum nationalen „Sportfunktionär des Jahres“ gewählt wurde. „Sport ist mein Leben.“

Kampf gegen Betrug

Das ungelöste Dopingproblem hat den ebenso ehrgeizigen wie streitbaren Schwaben während seiner gesamten Laufbahn geärgert. „Der Schutz des sauberen Athleten gelingt den Verantwortlichen des internationalen Hochleistungssports nur sehr begrenzt. Nach wie vor lohnt sich ganz offensichtlich der Betrug“, klingt der scheidende Funktionär angesichts der jüngsten Enthüllungen resigniert, betont aber, dass es grundlegend falsch wäre, in Resignation zu verfallen.

„Die eingesetzten Mittel im Kampf gegen den Dopingbetrug sind eher unzureichend und durch Hilflosigkeit gekennzeichnet, als dass eine Perspektive des Problems zu erkennen wäre“, sagt Helmut Digel. „Der internationale Hochleistungssport steht vor vielen schwierigen Herausforderungen. Dies gilt gerade und besonders auch für die Leichtathletik.“

Acht Jahre DLV-Präsident

Im April 1993 wurde Helmut Digel zum Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) gewählt. Zuvor hatte er sich als Berater des DLV-Präsidiums in Grundsatzfragen einen Namen gemacht. „Der Verband kann hinter die von Ihnen markierten Linien nicht mehr zurück“, würdigte ihn sein langjähriger Wegbegleiter, der damalige DLV-Vizepräsident Theo Rous im März 2001, als Helmut Digel nach acht Jahren erfolgreicher Präsidentschaft verabschiedet und zum DLV-Ehrenpräsidenten ernannt wurde.

Fünf Monate später folgte die Wahl zum Vize-Präsidenten des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF. Sein Verantwortungsbereich: Marketing und Television. Schon zuvor war Helmut Digel als Council-Mitglied maßgeblich an den Verhandlungen um die Fernsehrechte beteiligt. „IAAF-Präsident Fabio Nebiolo hatte mir schon 1995 die Verhandlungsführung übertragen“, berichtet der Soziologe stolz.

Deal mit Vermarkter eingefädelt

Als es galt, die Marke Leichtathletik Sponsoren anbieten zu lassen, gehörte Helmut Digel zu den Drahtziehern eines viel beachteten Deals mit dem japanischen Konzern Dentsu. Dieser größten Werbeagentur der Welt wurden die Marketingrechte für den außereuropäischen Markt übertragen. Wichtigster Bestandteil: die Vermarktung der Freiluft-Weltmeisterschaften.

Seiner Meinung nach verkauft sich die Leichtathletik nach außen hin nicht optimal. Bei der Präsentation der Leichtathletik sieht Helmut Digel einen Reformstau. „Wie kann ich dem Zuschauer gerecht werden, dass er die Spannung auch wahrnimmt?“, sei die zentrale Frage. Ideen gebe es genug, Meisterschaften neuen Pfiff zu geben. Zwar seien immer wieder Diskussionen in Gang gesetzt worden, aber umgesetzt worden sei viel zu wenig, kritisiert der Marketing-Fachmann.

Außergewöhnliche Erlebnisse

„Es sind ohne Zweifel die Olympischen Spiele und die Weltmeisterschaften, die mir außergewöhnliche Erlebnisse und Erfahrungen ermöglicht haben“, resümiert der emeritierte Professor, der als Organisations-Delegierter für die Weltmeisterschaften der letzten zehn Jahre mitverantwortlich war – und es jetzt in Peking (China; 22. bis 30. August) wieder ist. Bei den Leichtathletik-Wettbewerben der Olympischen Spiele von 1996 bis 2012 gehörte Helmut Digel zur Jury.

„Es war mir vergönnt, in jedem der zehn Entwicklungszentren der IAAF als Dozent mitzuwirken“, blickt der Wissenschaftler, der zahlreiche Bücher und Aufsätze verfasst hat, auf seine Vorträge rund um den Globus zurück. Seine Arbeit in der nationalen und internationalen Leichtathletik sei „interessant und schwierig zugleich“ gewesen, so Professor Dr. Helmut Digel. Dem neuen Council der IAAF sei zu wünschen, „dass sie wichtige und richtige Prioritäten setzen.“

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