Profi in der Leichtathletik und das Leben danach
Erfolgreiche Karrieren im Leistungssport sind zeitlich begrenzt. Früher oder später verbleichen sportliche Laufbahnen - auch in der Leichtathletik. Was aber kommt im Leben danach? Viele Athleten verdrängen diesen Aspekt zunächst, andere hingegen machen sich rechtzeitig Gedanken, wieder andere haben ständig für ihren Sport zu kämpfen.
Lauryn Williams sprintete in die Profi-Karriere (Foto: Chai)
In den USA scheint es einen fragwürdigen Trend zu geben. Immer mehr Leichtathleten, vor allem aus der Sprintszene entscheiden sich bereits in jungen Jahren für eine Profi-Karriere und verlassen die Universität ohne Abschluss. Gelockt werden sie durch lukrative Verträge von Sponsoren aus der Wirtschaft, welche eine sorgenfreie Zukunft in Aussicht stellen. Dennoch sind die Gelder an Erfolge gebunden, was also passiert danach? Die Liste der US-Stars, die sich in ganz jungen Jahren professionell ihrer Karriere widmen, ist jedenfalls lang und mit klangvollen Namen wie Lauryn Williams, Wallace Spearmon, LaShawn Merritt, Tianna Madison oder Sanya Richards gespickt.
Ausrüstervertrag oder College-Abschluss?
Jeremy Wariner unterschrieb direkt nach seinem 400-Meter-Olympiasieg in Athen 2004 einen Vertrag mit einem Sportartikelhersteller (500.000 US-Dollar jährlich) und nahm seine Profi-Karriere in Angriff. Die 200-Meter-Weltmeisterin Allyson Felix dachte gar nicht erst ernsthaft über ein Studium nach. Zuletzt orientierte sich der vierfache US-Studentenmeister Xavier Carter vom College weg hin zum Profi. Der junge Sprinter lief im Sommer die 200 Meter in 19,63 Sekunden. Damit wurde er über diese Distanz der zweitschnellste Mann aller Zeiten.
Um dieses Phänomen braucht man sich in Deutschland wohl keine Gedanken zu machen. Profis auf der Kunststoffbahn sind eher die Ausnahme, vor allem finanziell bedingt. So können sich nur die wenigsten deutschen Athleten professionell ihrem Sport widmen und müssen sich deshalb rechtzeitig beruflich orientieren. Dabei ist es schwer, Leistungssport mit der Ausübung eines Berufs zu verbinden. In beiden Bereichen Ergebnisse auf höchstem Niveau zu erzielen, ist wahrscheinlich unmöglich. Ein Balanceakt, verbunden mit viel Engagement, Entbehrungen sowie uneingeschränkter Leidenschaft für die Leichtathletik.
Vollprofi gegen Vollberufler
Paradebeispiel für einen Vollprofi ist Tim Lobinger (ASV Köln), der sich seit 1992 ausschließlich dem Stabhochsprung widmet und von diesem wohl auch in Zukunft ganz gut leben kann. Dem gegenüber steht Kugelstoßer und "Vollberufler" Andy Dittmar (LG Ohra Hörselgas), der "nebenbei Sport macht". Der EM-Siebte ist Teamleiter einer Außendienstgruppe einer Krankenasse, die sich in Bildungseinrichtungen um die Vorbereitung von Jugendlichen für ihr späteres Berufsleben kümmert.
Trotz einiger Zugeständnisse seitens des Arbeitsgebers umfasst die Arbeitswoche nicht selten mehr als 40 Stunden, die Urlaubstage verrinnen im Trainingslager. In der Woche wird sechs bis sieben Mal trainiert, "nur eben doppelt intensiv aufgrund des Zeitmangels". An diesem scheitert dann vor allem die oft notwendige Regeneration oder physiotherapeutische Maßnahmen kommen zu kurz. "Es passsiert auch, dass ich nach einem Wettkampf am Sonntag im Büro sitze, um die Arbeit nachzuholen", analysiert der Thüringer die Doppelbelastung.
Vom Kugelstoßen leben kann Andy Dittmar nicht, den Aufwand neben Beruf und Familie ("Das dritte Kind kommt im Januar") nimmt er daher gerne in Kauf, um seine sportlichen Träume zu verwirklichen. Dennoch würde er 2008 zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Peking (China) gerne alles auf eine Karte zu setzen und sich ein halbes Jahr beurlauben lassen. "Ich wäre gespannt, was unter diesen Umständen möglich wäre", umschreibt Andy Dittmar die Nachteile seines notwendigen sowie ihn positiv ausfüllenden Berufslebens.
Trainings- und Zukunftsplanung im Hörsaal
Eine andere oft genutzte Möglichkeit, um zeitintensives Training mit späterer beruflicher Zukunft abzusichern ist ein Studium. Acht-Meter-Weitspringer Nils Winter (TSV Bayer 04 Leverkusen) ist nach Aussagen auf seiner Homepage "zur Zeit einfach nur Weitspringer", verfügt aber bereits über ein Diplom im Wirtschaftsingenieurwesen und weiß seine beruflichen Perspektiven abgesichert.
Ebenso Claudia Marx (Erfurter LAC; 400m Hürden). Die Überraschungsvierte der Europameisterschaft studiert Sportwissenschaften und Rehabilitation, nur die Diplomarbeit steht noch aus. Trotz intensiver Vorbereitungen auf die EM hat sie im Winter für anstehende Prüfungen gelernt. "Ich brauche diese Abwechslung und man findet die Zeit dafür", setzt sie sich selbst unter Druck, um "nicht den ganzen Tag abzuhängen". "Außerdem finde ich es viel zu spät, wenn du mit 30 über eine mögliche Ausbildung nachdenkst."
Finanzielle Absicherung
Ein Studium ermöglicht zwar frei einteilbare Zeit, finanziert aber keinen Sportler. Deshalb nutzen zur Zeit etwa 50 Leichtathleten die Möglichkeiten der Sportfördergruppe bei Bundeswehr oder Bundespolizei. Der Hürden-Silbermedaillengewinner von Göteborg Thomas Blaschek und seine Freundin Judith Ritz (beide LAZ Leipzig) sind seit Oktober 2005 bei der Bundeswehr.
"Ich will den Beruf zunächst hinten anstellen und mich voll auf den Sport konzentrieren", meint Judith Ritz. Allerdings weiß auch sie, "ich brauche einen Berufsabschluss und studiere deshalb im Fernstudium Betriebswirtschaft". Ihr Freund ist ausgebildeter Gebäude- und Immobilienkaufmann, er entschied sich für die finanzielle Absicherung durch die Bundeswehr.
Diese wüsste auch gerne Dreispringerin Katja Demut (TuS Jena) im Rücken, welche im Sommer nur knapp die EM-Norm verfehlt hat. "Ohne die Belastung durch meine Ausbildung wäre ich sicherlich erfolgreicher im Sport, aber das Leben als Profi muss man sich eben erst verdienen", hofft sie auf "weitere" und bessere Zeiten.
Das Leben danach
Fest steht, es gibt ein Leben nach der Leichtathletik. Dabei dürfen berufliche Perspektiven nicht außer Acht gelassen werden, sonst kann es ein böses Erwachen geben. Um eben dieses zu verhindern, hat sich wohl auch Lars Riedel (LAC Erdgas Chemnitz) besonnen und startete im Oktober ein dreijähriges Studium zum "Bachelor of Arts in Fitnessökonomie". Schließlich gibt es in Deutschland keine "amerikanischen Sprint-Millionäre".