Ralf Bartels - „Totgesagte leben länger“
Ralf Bartels (SC Neubrandenburg) hat der deutschen Leichtathletik am ersten Tag der Weltmeisterschaften in Berlin die erste Medaille beschert. Mit neuer persönlicher Bestleistung von 21,37 Metern holte er am Samstag überraschend Bronze im Kugelstoßen. Wie er den Wettkampf im Olympiastadion erlebt hat, erzählte er den Journalisten im Gespräch.
Herr Bartels, herzlichen Glückwunsch zur Bronzemedaille. Wie hat der Wettkampf aus Ihrer Sicht begonnen?Ralf Bartels:
Im ersten Durchgang ist gleich schon ganz schön die Post abgegangen. Viele bauen auf den Effekt des ersten Versuchs, und den hätte ich auch gerne gehabt. Vielleicht habe ich mich am Anfang zu sehr von der Stimmung im Stadion beeinflussen lassen, denn in den beiden ersten Durchgängen habe ich die Kugel einfach nicht getroffen.
Im dritten Versuch haben Sie dann Ihre Bestleistung um einen Zentimeter übertroffen. Was lief da anders?
Ralf Bartels:
Ich bin nicht der Typ, den zwei schlechte Stöße runterziehen. Ich wusste, dass ich die Energie, die vom Publikum kam, nutzen kann. Ich habe einfach die Ruhe bewahrt. Da hat die Erfahrung aus vielen Trainingseinheiten und vielen Wettkämpfen sehr geholfen.
Waren Sie selbst überrascht, dass es so weit ging?
Ralf Bartels:
Man hofft ja immer auf einen Glücksstoß. Aber dass es eine neue persönliche Bestleistung wurde, hat mich dann doch schon ein wenig verwundert.
Können Sie sich daran erinnern, jemals einen so guten Wettkampf absolviert zu haben? Auch im letzten Versuch flog die Kugel ja noch einmal über 21 Meter.
Ralf Bartels:
Ich glaube, ich habe noch nie in einem Wettkampf zweimal über 21 Meter gestoßen. Meine vorherige Bestleistung habe ich im ersten Versuch in Engers aufgestellt, und danach hatte ich dann damit zu tun, noch einmal über 20,50 Meter hinaus zu kommen.
Wie haben Sie die letzten drei Durchgänge erlebt, in denen Ihre Konkurrenten Sie noch von einem Medaillenrang hätten verdrängen können?
Ralf Bartels:
Da hakt man innerlich einfach nur noch ab. Man denkt: Wer ist noch drin, wer kann einen noch überholen? Und dann hofft man, dass es reicht. Nach dem letzten Stoß von Reese Hoffa (Anm.: USA; 4.) wusste ich, dass ich die Medaille hatte.
Was ist da in Ihnen vorgegangen?
Ralf Bartels:
Das ist einfach unbeschreiblich. Einen Pulsmesser sollte man da nicht tragen, der würde den Wert nicht mehr anzeigen.
Auf dem Weg zu den TV-Interviews haben Sie Bekannten zugerufen: „Totgesagte leben länger!“ Hatten Sie das Gefühl, Ihnen wurde die Medaille vorher nicht zugetraut? Immerhin sind Sie als Hallen-EM-Dritter angereist.
Ralf Bartels:
Naja, ich betrachte das ja nicht nur aus der Perspektive dieses Jahres. Ich sehe auch die Jahre zuvor. Bei der WM in Osaka war ich nicht ganz so gut - obwohl man auch immer wieder sagen muss, dass ich dort trotzdem unter die ersten Acht gekommen bin. Danach kam die Knie-Operation, bei den Olympischen Spielen in Peking war ich verletzt, und da wird man ganz schnell abgeschrieben. Anschließend kann man nur durch Leistung beweisen, dass die Kritiker falsch gelegen haben.
Zu Ihrer Edelmetall-Sammlung zählen unter anderem EM-Gold und WM- sowie EM-Bronze. Was bedeutet Ihnen Ihre neueste Medaille?
Ralf Bartels:
Die Medaillen sind für mich gleichwertig. Obwohl eine Medaille im eigenen Land natürlich immer noch schöner ist, weil sie ganz anders wahrgenommen wird als im Ausland. Ich habe mich aber genau so über den dritten Platz bei den Hallen-Europameisterschaften in Turin gefreut.
Wie werden Sie die nächsten Tage der Weltmeisterschaften verbringen?
Ralf Bartels:
Ich bleibe noch ein, zwei Tage hier in Berlin und fahre dann zurück ins Bundesleistungszentrum nach Kienbaum. Dort werde ich vormittags trainieren, denn es stehen in der nächsten Woche noch einige Wettkämpfe an, zum Beispiel am 25. August in Engers und am 26. August in Sondershausen. An den Nachmittagen will ich mir die WM-Wettbewerbe im Stadion anschauen.
Und wie sehen Ihre langfristigen Pläne aus? Wie lange werden wir Sie noch im Kugelstoßring sehen?
Ralf Bartels:
Bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London will ich auf jeden Fall weitermachen, wenn es gesundheitlich passt. Eine olympische Medaille fehlt mir noch in meiner Sammlung, das ist natürlich mein ganz, ganz großes Ziel.
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