Raphael Holzdeppe - der Überflieger
Robert Harting zum Dritten? Nein, diesmal drehte Raphael Holzdeppe den Spieß um. Bei der Wahl zu Deutschlands "Leichtathleten des Jahres" sammelte der Stabhochsprung-Weltmeister aus Zweibrücken mehr Stimmen als der Diskus-Weltmeister aus Berlin. Und darf sich nach 2008 schon zum zweiten Mal mit der begehrten Auszeichnung schmücken. Fünf Jahre liegen dazwischen, in denen er vom Riesentalent zum Topathleten gereift ist.
Peking, 22. August 2008: Ein 18-Jähriger erobert bei den Olympischen Spielen das Herz der deutschen Sportfans. Frech, nervenstark, technisch versiert. So präsentiert sich Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken) im olympischen Stabhochsprung-Finale vor 80.000 Fans. Um die Medaillen springt der Teenager (noch) nicht. Doch mit Platz acht und 5,60 Metern lässt er aufhorchen.Obwohl einige deutsche Leichtathleten in Peking besser abschneiden als der Schüler, wird er von den Fans als erster Jugendlicher zum „Leichtathleten des Jahres“ gewählt. Nun, fünf Jahre später, ist der Stabhochsprung-Weltmeister von Moskau erneut „Leichtathlet des Jahres“.
Mit 28,45 Prozent der Stimmen hat sich der 24-Jährige gegen den „Sportler des Jahres“, Diskus-Weltmeister Robert Harting (SCC Berlin; 25,40 Prozent) durchgesetzt. Auch das ist eine kleine Sensation: Denn immer wenn ein Leichtathlet „Sportler des Jahres“ geworden ist, wurde er anschließend auch „Leichtathlet des Jahres“. Bis zu Raphael Holzdeppe.
Große Überraschung
So war der gebürtige Pfälzer auch ziemlich baff, als er von der Auszeichnung erfuhr. „Es überrascht mich schon, da für mich Robert Harting der Favorit war“, gesteht der Sportsoldat und Student. Der Berliner hatte sich bei der Wahl zum „Sportler des Jahres“ gegen Formel-1-Dominator Sebastian Vettel und den Stabhochsprung-Weltmeister durchgesetzt. „Es ist eine unheimlich schöne Ehre, da die Fans die besten Leichtathleten wählen. Das ist mir wichtig, schließlich springe ich auch für die Zuschauer“, ergänzt Raphael Holzdeppe.
Das ist auch der große Unterschied zu den beiden Wahlen. Während ausschließlich Sportjournalisten den besten deutschen Sportler küren, übernehmen das in der Leichtathletik die Fans. Und die quittieren in der Regel Einmaliges mit dem größten Applaus. So wie es Raphael Holzdeppe vergangenes Jahr vollbracht hat.
Zu oft sind die deutschen Stabhochspringer in den vergangenen Jahrzehnten als Gold-Kandidaten gestartet und leer ausgegangen. Erst dem Youngster gelang es, den „Titel-Fluch“ nach 41 Jahren (Olympia-Gold von Wolfgang Nordwig 1972 in München) zu brechen und bei einer großen Freiluft-Meisterschaft ganz oben auf dem Podest zu stehen.
Trikot vom Leib gerissen
Dabei musste der Schützling von Chauncey Johnson in Moskau nervenaufreibende Minuten überstehen: Olympiasieger Renaud Lavillenie (Frankreich) hätte mit seinem letzten Sprung über 5,96 Meter noch triumphieren können. Aber nicht an diesem Abend. Die Latte fiel auch im finalen Versuch. Raphael Holzdeppe riss sich das Trikot vom Leib und sprintete zu Trainern und Fans. Ein Bild, das um die Welt geht.
Fünf Jahre liegen zwischen den beiden Auszeichnungen. Eine lange Zeit, in der sich bei Raphael Holzdeppe viel getan hat. „Vor fünf Jahren war ich noch Schüler. Da bin ich nachmittags zum Training gegangen, hatte am Wochenende Wettkämpfe. Mittlerweile ist der Stabhochsprung mein Full-Time-Job“, sagt er. Auch musste das Riesentalent auf dem Weg nach oben einige Rückschläge hinnehmen. Nach seinem U20-Weltrekord von 5,80 Metern, aufgestellt 2008 in Biberach, schien es nur eine Frage von ein, zwei Jahren zu sein, bis Raphael Holzdeppe zum erlauchten Sechs-Meter-Klub gehören würde. Aber die eine oder andere Muskelverletzung bremste ihn aus.
Erst 2012 stabilisierte er Technik und Gesundheit. Das Resultat: Olympia- und EM-Bronze sowie Bestleistungen in der Halle (5,82 m) und im Freien (5,91 m). Klar bleibt die Schnelligkeit im Anlauf der große Pluspunkt des 24-Jährigen. Vergleicht man aber Fotos von 2008 und 2013 wird deutlich, dass Raphael Holzdeppe auch in puncto Kraft zugelegt hat.
Ziel: sechs Meter
Diese Extraportion Power braucht der Überflieger auch. Denn anders als 2008 prophezeit, gehört er (noch) nicht zum Sechs-Meter-Klub. Ein paar Mal hat er sich vergangenes Jahr schon an dieser Marke probiert. Aber bisher ohne Erfolg. „Die sechs Meter sind mein klares Ziel für 2014“, gibt Raphael Holzdeppe selbstbewusst die Richtung vor. Wie das geht, bewies Björn Otto (ASV Köln) 2012 in Aachen mit dem deutschen Rekord (6,01 m).
Obwohl der Olympia-Zweite zu einer anderen Springergeneration zählt, ist der 36-Jährige eine Art Vorbild für den Weltmeister. Denn auch Holzdeppe würde mit Mitte 30 gern noch zu den besten Stabhochspringern der Welt zählen: „Momentan kann ich mir gut vorstellen, dass ich in einem Jahrzehnt noch Stabhochspringer bin. Natürlich ist das noch eine lange Zeit und der Körper muss mitmachen. Doch der Stabhochsprung ist einfach der Sport, den ich liebe.“ Und die Leichtathletik-Fans lieben Sportmärchen à la Raphael Holzdeppe.